26. Oktober 2020
Mobile Arbeit Gesetzesentwurf
Arbeitsrecht

Entwurf eines Gesetzes zur mobilen Arbeit vorerst gestoppt

Die Corona-Pandemie zeigt, dass eine (flächendeckende) mobile Arbeit funktionieren kann. Das BMAS hat dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt, der im Kanzleramt gestoppt worden ist.

Auch bzw. insbesondere aufgrund der überwiegend positiven Erkenntnisse, die im Rahmen des coronabedingten Lockdown der deutschen Wirtschaft durch die in einigen Branchen – mehr oder weniger – flächendeckend gelebte mobile Tätigkeit bzw. der Arbeit aus dem Home-Office gewonnen werden konnten, sah sich das BMAS veranlasst, einen Gesetzesentwurf dazu vorzulegen.

In diesem ist u.a. geregelt, dass der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer* über dessen Wunsch nach mobiler Arbeit in einen Dialog treten soll.

Arbeitnehmer soll grundsätzlichen Anspruch auf mobile Arbeit bekommen

Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, soll nach dem Gesetzesvorhaben einen Anspruch auf mobile Arbeit an bis zu 24 Tagen im Jahr haben, ausgehend von einer Fünf-Tage-Woche, soweit sich die Art der Tätigkeit grundsätzlich für mobile Arbeit eignet und dieser nicht betriebliche Gründe entgegenstehen.

Einigen sich die Arbeitsvertragsparteien nicht über die von dem Arbeitnehmer gewünschte mobile Arbeit, muss der Arbeitgeber seine ablehnende Entscheidung form- und fristgerecht begründen. Versäumt der Arbeitgeber dies, tritt eine gesetzliche Fiktion ein: Die mobile Arbeit gilt entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers für die Dauer von maximal sechs Monaten als festgelegt. Die gesetzliche Fiktion greift auch, wenn der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer den Wunsch, mobil zu arbeiten, nicht erörtert.

Dessen ungeachtet kann der Arbeitnehmer den gesetzlichen Anspruch auf mobile Arbeit gerichtlich durchsetzen.

Die Regelungen des Arbeitsschutzes sollen unberührt bleiben. Danach hat der Arbeitgeber insbesondere die bei einer mobilen Arbeit auftretenden Gefährdungen zu beurteilen, Schutzmaßnahmen festzulegen und die Arbeitnehmer im Hinblick auf die erforderlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen zu unterweisen.

Es wird durch den Gesetzesentwurf sichergestellt, dass die Tarifvertrags- und Betriebsparteien weiterhin eigene Regelungen zu mobiler Arbeit treffen können. Die Sozialpartner kennen die Arbeitsstrukturen in den Unternehmen und in der jeweiligen Branche und Region. Sie können daher passgenaue und ausgewogene Lösungen unter Berücksichtigung der Belange aller Beteiligten finden.

Arbeitszeiterfassung auch bei mobiler Arbeit und Ausweitung des Versicherungsschutzes

Für Arbeitnehmer, die regelmäßig mobil arbeiten, ist künftig die gesamte Arbeitszeit täglich vollständig zu erfassen. Die Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit dient dazu, die Einhaltung der täglichen Höchstarbeitszeit sowie der täglichen und der wöchentlichen Mindestruhezeiten sicherzustellen.

Der Betriebsrat ist durch ein ergänzendes Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit einzubeziehen; dazu soll der Katalog der sozialen Mitbestimmung in § 87 Abs. 1 um eine neue Nr. 14 ergänzt werden („Einführung und Ausgestaltung von mobiler Arbeit“).

Versicherungslücken beim Unfallversicherungsschutz sollen geschlossen werden. Künftig genießen Arbeitnehmer, soweit sie von zu Hause aus oder an einem anderen Ort außerhalb der Unternehmensstätte arbeiten, im gleichen Umfang Versicherungsschutz wie bei einer Tätigkeit in der Unternehmensstätte. Darüber hinaus wird das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von Kinderbetreuungseinrichtungen erfasst, wenn die Tätigkeit in dem gemeinsamen Haushalt ausgeübt wird.

Koalitionsvertrag sieht keinen Anspruch auf mobiles Arbeiten vor: Gesetzesvorhaben gestoppt

Dieses Gesetzesvorhaben stößt jedoch – vollkommen zu Recht – auf Widerstand. Es weist bereits erhebliche handwerkliche Unzulänglichkeiten auf und belastet Unternehmen und Arbeitgeber in durch die Coronapandemie schon schwierigen Zeiten mit weiterer Bürokratie.

Der Entwurf wurde vor diesem Hintergrund bereits im Kanzleramt gestoppt

nicht geeignet für die weitere Abstimmung zwischen den Bundesministerien,

hieß es. Ohne eine solche wäre die Gesetzesinitiative gescheitert. Zur Begründung führt das Kanzleramt an, im Koalitionsvertrag stehe explizit ein Auskunftsrecht, jedoch kein Rechtsanspruch auf eine mobile Tätigkeit oder für eine Arbeit aus dem Home-Office.

Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2018 (S. 41):

Wir wollen mobile Arbeit fördern und erleichtern. Dazu werden wir einen rechtlichen Rahmen schaffen. Zu diesem gehört auch ein Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber über die Entscheidungsgründe der Ablehnung sowie Rechtssicherheit für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber im Umgang mit privat genutzter Firmentechnik. Auch die Tarifpartner sollen Vereinbarungen zu mobiler Arbeit treffen.

Ob das Gesetzesvorhaben damit endgültig vom Tisch ist, bleibt abzuwarten. Die SPD-Fraktion und Minister Heil scheinen den Kampf für das Gesetz aber dennoch nicht aufgegeben zu haben. Befeuert werden dürfte die Diskussion über einen Anspruch auf mobile Tätigkeit oder Arbeit aus dem Home-Office auch vor dem Hintergrund der Notwendigkeit der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige bis zum 2. August 2022. Mit dieser sollen Mindestvorschriften festgelegt werden, um die Gleichstellung von Männern und Frauen im Hinblick auf Arbeitsmarktchancen und die Behandlung am Arbeitsplatz dadurch zu erreichen, dass Arbeitnehmern, die Eltern oder pflegende Angehörige sind, die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben erleichtert wird. Hierzu legt diese Richtlinie individuelle Rechte fest, und zwar in Bezug auf Folgendes: Vaterschaftsurlaub, Elternurlaub und Urlaub für pflegende Angehörige sowie flexible Arbeitsregelungen für Arbeitnehmer, die Eltern oder pflegende Angehörige sind. Zu den genannten flexiblen Arbeitsregelungen zählt die Richtlinie auch die „Nutzung von Telearbeit″. Ob durch den im Koalitionsvertrag von 2018 vorgesehenen Auskunftsanspruch die Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt werden würde, kann dabei zumindest in Abrede gestellt werden, so dass sich dieses Thema auch wegen der Notwendigkeit der Umsetzung der o.g. europarechtlichen Bestimmungen in das nationale Recht nicht von selbst erledigen wird.

Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie dabei bitte unserem „Infobrief Zeitarbeit″, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com oder kira.falter@cms-hs.com).

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Gesetzesentwurf Home Office Mobile Arbeit