Ein Personaldienstleister kann für einen Arbeitsunfall beim Kunden bei vorsätzlicher Verletzung von Kontroll- und Überwachungsrechten haften.
Auch der den Zeitarbeitnehmer überlassende Personaldienstleister haftet bei einem Arbeitsunfall beim Kunden. Jedoch kann er sich auf die Privilegierung nach § 104 SGB IV berufen. Eine Haftung ist dabei grundsätzlich auf Vorsatz beschränkt.
Mit der Frage, ob der Personaldienstleister vor diesem Hintergrund für einen Arbeitsunfall beim Kunden haftbar gemacht werden kann, musste sich das Hess. LAG befassen (Urteil v. 5. Juli 2018 – 9 Sa 459/17). Im Ergebnis hat es die von dem verunfallten Zeitarbeitnehmer eingelegte Berufung gegen das klageabweisende Urteil des ArbG Frankfurt a.M. zurückgewiesen.
Kunde steht für arbeitsschutzrechtlichen Pflichten ein, Personaldienstleister für entsprechende Kontroll- und Überwachungsrechte
Im Leitsatz formuliert das Gericht, dass dem beklagten Personaldienstleister im Hinblick auf den vom Kläger erlittenen Arbeitsunfall – diesem sei eine Fluggasttreppe über den Fuß gerollt – Vorsatz gem. § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII nicht vorzuwerfen sei. Eine Verletzung seiner Kontroll- und Überwachungsrechte als Verleiher in Bezug auf die Ausgestaltung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses des Klägers war bei dem Kunden nicht erkennbar.
Nach § 11 Abs. 6 S. 1 AÜG unterliege die Tätigkeit des Zeitarbeitnehmers bei dem Kunden den für dessen Betrieb geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Die sich daraus ergebenden arbeitsschutzrechtlichen Pflichten seien damit dem Kunden zugewiesen. Dieser habe für die praktische Wirksamkeit des Arbeitsschutzes in seinem Betrieb auch in Bezug auf Zeitarbeitnehmer einzustehen, während dem Personaldienstleister als Vertragsarbeitgeber entsprechende Kontroll- und Überwachungsrechte verblieben.
Haftung bei vorsätzlicher Verletzung von Kontroll- und Überwachungsrechten
Aus dem Urteil ergibt sich auf Grundlage der „Aufteilung“ der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten gem. § 11 Abs. 6 S. 1 AÜG, dass das Zeitarbeitsunternehmen für einen Arbeitsunfall bei dem Kunden nur haftbar gemacht werden kann, wenn dieser die bei ihm verbleibenden Kontroll- und Überwachungsrechte verletzt hat und ihm dazu noch Vorsatz nachgewiesen werden kann.
Aus der Vorschrift ergibt sich, dass der Kunde für die praktische Wirksamkeit des Arbeitsschutzes in seinem Betrieb auch hinsichtlich der Zeitarbeitnehmer einzustehen hat, während bei dem Personaldienstleister als Vertragsarbeitgeber lediglich entsprechende Kontroll- und Überwachungsrechte verbleiben. Er hat danach sicherzustellen, dass während der Tätigkeit der von ihm überlassenen Arbeitnehmer im Kundenbetrieb die dafür geltenden öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzbestimmungen gewahrt werden, ggf. auf die Unterbindung von Verstößen hinzuwirken oder andernfalls die Tätigkeit der überlassenen Arbeitnehmer zu beenden.
Abweichendes kann allerdings gelten, soweit sich das Zeitarbeitsunternehmen gegenüber dem Kunden verpflichtet hat, nicht nur Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung zu überlassen, sondern diese auch mit der erforderlichen Schutzausrüstung auszustatten (BAG, Urteil v. 7. Juni 2016 – 1 ABR 25/14).
Praxishinweis: Dokumentation von arbeitsschutzrechtlichen Belehrungs-, Kontroll- und Überwachungspflichten
Unter Beachtung des Urteils tun Personaldienstleister gut daran, hinreichend zu dokumentieren, dass diese ihre arbeitsschutzrechtlichen Belehrungs-, aber auch ihre Kontroll- und Überwachungspflichten gegenüber dem Kunden wahrgenommen haben.
Dies gilt erst recht, wenn das Zeitarbeitsunternehmen Kenntnis davon erlangt, dass es der Kunde mit der Einhaltung der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften nicht allzu genau zu nehmen scheint. Dies gilt insbesondere in Zusammenhang mit den Bestimmungen des ArbZG.
Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie dabei bitte der Juni-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit″, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com oder kira.falter@cms-hs.com).
*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.