Eine illegale Arbeitnehmerüberlassung löst keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche aus – so der BGH in einer aktuellen Entscheidung.
Der BGH musste sich jüngst damit befassen, ob ein Personaldienstleister unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten Unterlassung von einem Unternehmen verlangen kann, das ohne eine Erlaubnis nach § 1 AÜG eine insoweit illegale Arbeitnehmerüberlassung betrieben hat (Urt. v. 23.06.2016 – I ZR 71/15).
Dies hat das Gericht im Ergebnis – wie schon zweitinstanzlich das OLG Frankfurt (Urt. v. 29.01.2015 – 6 U 63/14) – abgelehnt. Außerhalb des für eine Arbeitnehmerüberlassung typischen Dreiecksverhältnisses zwischen Personaldienstleister, Kunden und Zeitarbeitnehmer stehende „Wettbewerber“ können keine Ansprüche aus oder wegen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung ableiten.
Erlaubnispflicht stellt keine Marktverhaltensregel dar
Nach Ansicht des BGH begründe ein Verstoß gegen das Verbot, Arbeitnehmerüberlassung ohne behördliche Erlaubnis zu betreiben, keinen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch.
Bei der gesetzlichen Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG handele es sich weder in Bezug auf den Absatzmarkt der Arbeitsleistungen der Zeitarbeitnehmer noch in Bezug auf den Beschaffungsmarkt der Arbeitskraft von Zeitarbeitnehmern um eine Marktverhaltensregelung. Sie bestehe insbesondere nicht im Interesse der Zeitarbeitnehmer oder der über eine Erlaubnis verfügenden Personaldienstleister oder der Kunden.
Diese Beurteilung hält nach Ansicht des BGH sowohl nach dem Recht, das zur Zeit der von der Klägerin gerügten Zuwiderhandlung gegolten hat (§§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG a.F.), als auch nach dem zur Zeit der Revisionsentscheidung geltenden neuen Recht (§§ 8, 3, 3a UWG) der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Illegale Arbeitnehmerüberlassung ein Fall für die Behörden – nicht für Wettbewerber
Fest steht, dass eine illegale Arbeitnehmerüberlassung mit einschneidenden Konsequenzen verbunden sein kann. Dies gilt insbesondere für das Kundenunternehmen, das auf Grundlage der gesetzlichen Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem im Rahnen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung eingesetzten Mitarbeiter (§ 10 Abs. 1 S. 1 AÜG) ohne sein Zutun auf einmal mehr Arbeitnehmer beschäftigt, als diesem wohl lieb sein dürfte. Umgekehrt werden dem Personaldienstleister ggf. für dessen Betrieb wichtige Mitarbeiter entzogen; dem Arbeitnehmer wird – auch ohne und sogar gegen dessen Willen – ein neuer Arbeitgeber „aufgedrängt“. Erst ab dem 01.04.2017 wird sich die Rechtslage insoweit ändern: der Zeitarbeitnehmer kann eine sog. Festhaltenserklärung abgeben, mit der er bewirkt, dass das Arbeitsverhältnis bei dem illegal überlassenden Personaldienstleister verbleibt.
Mit Urteil des BGH steht damit fest, dass ein Zeitarbeitsunternehmen gegen einen „Konkurrenten“, der – ohne über eine entsprechende Erlaubnis zu verfügen – Arbeitnehmerüberlassung betreibt, nicht wettbewerbsrechtlich einschreiten und auch nicht gerichtlich die Geschäftspraktiken untersagen lassen kann.
Dies hat der BGH verneint, indem dieser § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG die für Marktverhaltensregeln geforderte wettbewerbsbezogene Schutzfunktion abspricht. Ob dieser Ansatz im Ergebnis überzeugend ist, soll an dieser Stelle nicht vertieft erörtert werden (kritisch dazu: Ulrici, jurisPR-ArbR 50/2016 Anm. 4; zur Entscheidung des OLG Frankfurt: Eifinger, GRUR 2015, 150).
Für die Praxis herrscht nunmehr Klarheit: auf Grundlage des Urteils des BGH ist davon auszugehen, dass Zeitarbeitsunternehmen – zumindest aus wettbewerbsrechtlicher Sicht – nicht erfolgreich auf zivilrechtlichem Weg gegen „schwarze Schafe“ in der „Branche“ vorgehen können. Vielmehr sind die Behörden am Zug, die bei einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung Bußgelder verhängen können (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1 AÜG).