Das AGG hat Auswirkungen auf viele Lebensbereiche. Erfahren Sie hier, was Sie als Arbeitgeber vor der Einstellung von Arbeitnehmer(innen) beachten sollten.
Das AGG muss nicht nur im laufenden Arbeitsverhältnis, sondern bereits bei der Ausschreibung einer Stelle beachtet werden. Eine diskriminierende Stellenanzeige kann für den Arbeitgeber weitreichende finanzielle Folgen haben, da abgelehnte Bewerber Schadensersatzansprüche geltend machen können. Dann liegt es beim Arbeitgeber nachzuweisen, dass die Stellenbeschreibung nicht diskriminierend war und die sich bewerbende Person gerade nicht aufgrund von Diskriminierungsmerkmalen nicht eingeladen wurde.
Vorsicht bei der Formulierung einer Stellenanzeige geboten
Aus Gründen der Chancengleichheit enthalten Bewerbungsunterlagen in den USA und einigen Staaten Westeuropas oftmals weder ein Passbild noch die genaue Angabe des Geburtsdatums. Dennoch lassen sich aus dem Werdegang Rückschlüsse auf das Lebensalter ziehen. Ein derart anonymes Vorgehen verlangt das AGG nicht.
Das Alter der Bewerber spielt oftmals bei der Einstellung von Mitarbeitern eine ausschlaggebende Rolle. In vielen Fällen werden von den Arbeitgebern bewusst „junge Mitarbeiter“ oder auch „Young Professionals/Hochschulabsolventen“ gesucht, während andere Arbeitgeber bewusst Bewerber mit „ausreichender Berufserfahrung″ suchen.
Die Formulierung: „Wir suchen einen jungen, dynamischen Mitarbeiter″ grenzt beispielsweise Frauen und ältere Männer aus und sollte vermieden werden. Gleiches gilt allgemein für die Formulierung „Junge Mitarbeiter″ und „Young Professional″ (BAG, Urteil v. 19. August 2010 – 8 AZR 530/09; Urteil v. 24. Januar 2013 – 8 AZR 429/11). Ältere und jünger Bewerber haben bei der Einstellung nach diesem Kriterium nicht dieselben Chancen.
Die Bezeichnungen „Junior Consultant“ oder „Berufsanfänger“ wurden hingegen als altersneutral eingestuft (LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 19. November 2015 – 6 Sa 68/14). So sei ein Berufsanfänger schlicht derjenige, der sein Berufsleben nach dem Erst- oder Zweitstudium beginne. „Junior Consultant“ sei eine übliche Bezeichnung einer Hierarchieebene aus dem angelsächsischen Raum. Entscheidend ist stets, unter welchen Voraussetzungen eine Differenzierung bei der Einstellung gerechtfertigt ist.
Aus Arbeitgebersicht ist es oftmals klüger und trotz höherer Bearbeitungskosten günstiger, erst im laufenden Bewerbungsverfahren über die Kandidaten zu entscheiden, bevor man das Risiko einer Diskriminierung bereits bei der Stellenausschreibung in Kauf nimmt. Nur so kann das Risiko einer erfolgreichen Diskriminierungsklage eines AGG-Hoppers wegen einer unzulässigen Stellenbeschreibung umgangen werden.
Altersbenachteiligungen im laufenden Arbeitsverhältnis
Eine gerechtfertigte Benachteiligung von älteren Mitarbeitern im laufenden Arbeitsverhältnis kann teilweise mit Blick auf die besonderen beruflichen Anforderungen begründet werden. Das muss sich aber aus der Art der auszuübenden Tätigkeit oder aber aus den Bedingungen während ihrer Ausübung ergeben. Bei Piloten etwa stelle das Alter gerade eine entscheidende berufliche Anforderung dar. Die Altersgrenze von 60 Jahren sei trotz der Geltung des AGG aufgrund der Flugsicherheit gerechtfertigt, so das BAG 2009 (Beschluss v. 17. Juni 2009 – 7 AZR 112/08).
Allerdings war diesbezüglich der Europäische Gerichtshof (EuGH) anderer Meinung. Seiner Ansicht nach handele es sich bei dem Alter nicht um eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ (Urteil v. 13. September 2011 – C-447/09). In einem aktuellen Verfahren ging es vor dem EuGH wieder um die Zulässigkeit einer Altersgrenze von 65 Jahren für Piloten im gewerblichen Luftverkehr (EuGH, Urteil vom 05.07.2017 – C-190/16):
Eine Altersgrenze bewirkt nicht automatisch, dass die Betroffenen gezwungen werden, endgültig aus dem Arbeitsmarkt auszuscheiden. Dadurch wird keine zwingende Regelung zur automatischen Versetzung in den Ruhestand eingeführt, und die Regelung bringt auch nicht notwendigerweise mit sich, dass das Arbeitsverhältnis eines Beschäftigten beendet werden muss. Die Klausel ist damit nicht altersdiskriminierend. Der Betroffene kann – eine gültige Fluglizenz vorausgesetzt – nach wie vor gewerbliche Leer- oder Überführungsflüge durchführen und darf als Ausbilder oder Prüfer am Flugverkehr teilnehmen. Es kommt also bei der Formulierung von Altersgrenzen in Tarifverträgen auf deren Ausgestaltung an.
Rechtfertigung der Altersbenachteiligung auch bei schwerer körperlicher Arbeit möglich
Im Gegensatz zu Piloten kommt eine Rechtfertigung für den Ausschluss älterer Arbeitnehmer von schweren körperlichen Arbeiten, beispielsweise in den Bereichen des Straßenbaus oder des Handwerks, in Betracht.
Im Hinblick auf eine mögliche Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer ist es nach wie vor zulässig, bestimmte Mindestanforderungen an das Lebensalter (z.B. das Mindestalter von 40 Jahren, um Richter am Bundesverfassungsgericht zu werden), oder die Berufserfahrung zu stellen. Allerdings ist das selbstverständlich nur dann möglich, wenn dafür auch ein sachlicher Grund besteht. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, bereits bei der Stellenausschreibung ausführlich auf die erforderliche Berufserfahrung einzugehen und das Erfordernis zu begründen.
Umgekehrt darf ein Höchstalter für die Einstellung eines Mitarbeiters festgelegt werden, wenn dies durch die spezifischen Ausbildungsanforderungen geboten oder wegen einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand notwendig ist.
Vorsicht ist auch bei Sprachanforderungen geboten
Besondere Sprachanforderungen in einer Stellenbeschreibung können zu einem weiteren Fallstrick für Arbeitgeber werden. Grundsätzlich ist es zwar legitim, in einer Stellenausschreibung besondere Sprachkenntnisse („fließend in Wort und Schrift“) zu fordern, doch darf das nur dann erfolgen, wenn dies aufgrund der vorgesehenen Tätigkeit erforderlich ist. Folglich sollten auch Sprachtests auf das für die konkrete Tätigkeit notwendige Maß beschränkt werden.
Unzulässig ist es allerdings, „Deutsch oder Englisch als Muttersprache“ oder „Perfekte Sprachkenntnisse“ zu fordern. Hierbei geht die Rechtsprechung davon aus, dass Bewerber, die unter Umständen von ihren sprachlichen Fähigkeiten in der Lage gewesen wären, die Stelle auszufüllen, wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert werden (Hessisches LAG, Urteil v. 15. Juni 2015 – 16 Sa 1619/14). Die Formulierung „hohe Kommunikationsfähigkeit in deutscher Sprache“ wurde beispielsweise als wertneutral und damit als nicht diskriminierend bezeichnet (LAG Hessen, Urteil v. 12.Juni 2015 – 14 Sa 1075/14) und kann für eine Stellenbeschreibung empfohlen werden.
In unserer Blogreihe zeigen wir auf, welche Auswirkungen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auf das Arbeitsrecht und insbesondere auf die Unternehmen hat. Bereits erschienen ist ein Beitrag zu den wesentlichen Inhalten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, den Hintergründen des AGG und der Bedeutung von AGG-Hoppern.