7. Juni 2022
Corona Schmerzensgeld Infektion Schadensersatz
Arbeitsrecht

Kein Schmerzensgeld bei Corona-Infektion

Arbeitgeber sollten trotz der nun ausgelaufenen Corona-Arbeitsschutzverordnung weiterhin darauf achten, die Arbeitsschutzmaßnahmen kontinuierlich anzupassen.

Bereits im März 2022 hatte sich der Gesetzgeber dazu entschieden, sowohl die Homeoffice-Pflicht als auch die 3G-Regelung am Arbeitsplatz aufzuheben. Mit Wirkung zum 26. Mai 2022 ist die Corona-Arbeitsschutzverordnung ebenfalls ausgelaufen. Insofern entfällt die rechtliche Grundlage für die sog. Basismaßnahmen wie bspw. die 1,5-Meter-Abstands-Regelung und die Maskenpflicht.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwiefern Arbeitgeber zukünftig weiterhin spezielle Arbeitsschutzkonzepte im Hinblick auf die Corona-Pandemie aufrechterhalten bzw. implementieren sollten. Denn das Thema Hygieneschutzkonzept kann gerade im Rahmen von Schadensersatzklagen von Arbeitnehmern* eine große Rolle spielen. Unternehmen sind daher gut beraten, entsprechende Maßnahmen zu treffen. 

LAG München: Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber wegen Quarantäne

Das LAG München entschied (Urteil v. 14. Februar 2022 – 4 Sa 457/21), dass der Arbeitgeber für die Hochzeitskosten seiner Arbeitnehmerin aufkommen müsse. 

In der damals gültigen Fassung der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel war vorgeschrieben, dass Unternehmen die Arbeitsumgebung so gestalten müssen, dass Sicherheitsabstände von 1,5 Metern eingehalten werden konnten und jedermann bei Krankheitssymptomen zuhause bleiben sollte. Der Geschäftsführer des Unternehmens war trotz vorhandener Erkältungssymptome mit einer Mitarbeiterin zweimal über längere Zeiträume zusammen in einem Auto gefahren. Damit verstieß er gegen die Regelungen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel. Im Nachgang stellte sich heraus, dass sich der Geschäftsführer mit Corona infiziert hatte. Aufgrund der längeren Autofahrten mit dem Geschäftsführer musste die Arbeitnehmerin sich für zwei Wochen in häusliche Quarantäne begeben. In den Quarantänezeitraum fiel aber ihre Hochzeit, sodass diese ausfallen musste.

Laut Auffassung des LAG München habe der Geschäftsführer die ihm obliegende Fürsorgepflicht gegenüber seiner Arbeitnehmerin verletzt, da er mit Krankheitssymptomen ins Büro gekommen sei und zweifach über längere Zeiträume den vorgegebenen Abstand von 1,5 Metern nicht eingehalten habe. Insofern sei die Arbeitgeberin zum Schadensersatz in Form der Hochzeitskosten verpflichtet.

ArbG Siegburg: Kein Schmerzensgeld bei Corona-Infektion

Dass Arbeitgeber aber nicht immer Schadensersatz und Schmerzensgeld zahlen müssen, wenn ihre Arbeitnehmer sich mit Corona infizieren, entschied das ArbG Siegburg (Urteil v. 30. März 2022 – 3 Ca 1848/21). Die Klägerin war bei der Beklagten in einem Pflegeheim als Krankenschwester tätig. Sie half u.a. dabei, das Essen an die Bewohner auszugeben, und unterstützte die Bewohner, die nicht allein essen konnten, beim Essen. Die Arbeitgeberin händigte aufgrund eines Lieferengpasses keine Atemschutzmasken und keine Schutzkleidung an ihre Mitarbeitenden aus, obwohl sie nach der damals gültigen Fassung der Corona-Schutzverordnung des Landes NRW verpflichtet gewesen wäre, die erforderlichen Maßnahmen zum Infektionsschutz zu ergreifen. Nachdem die Klägerin positiv auf Corona getestet worden war und auch weitere Bewohner des Pflegeheims sich infiziert hatten, machte sie Schadensersatz- sowie Schmerzensgeldansprüche gegenüber der Beklagten geltend. 

Das ArbG Siegburg wies die Klage ab, weil nicht hinreichend sicher festgestellt werden konne, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten für ihre Erkrankung ursächlich geworden sei. Die Klägerin habe nicht mit Sicherheit nachweisen können, dass sie sich an ihrem Arbeitsplatz angesteckt habe. Insofern unterscheidet sich die Entscheidung des ArbG Siegburg von der vorgenannten Entscheidung des LAG München: Dort war eindeutig nachweisbar, dass die Klägerin aufgrund eines Verstoßes des Geschäftsführers gegen die Arbeitsschutzverordnung einen Schaden erlitten hatte. 

Gesundheitsschutzmaßnahmen weiterhin erforderlich 

Beide Entscheidungen verdeutlichen jedoch, wie wichtig es ist, dass Arbeitgeber ihren Schutzpflichten nachkommen. Gem. § 618 BGB hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass Leben und Gesundheit seiner Arbeitnehmer ausreichend geschützt sind. Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen (vgl. § 3 ArbSchG).

Diese Pflichten des Arbeitgebers gilt es immer zu beachten – nicht nur im Rahmen der Pandemie. Zukünftig sollten Arbeitgeber deswegen weiterhin im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung unter Berücksichtigung des regionalen Infektionsgeschehens sowie tätigkeitsspezifischer Infektionsgefahren prüfen, welche geeigneten Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer getroffen werden müssen. Verstößt der Arbeitgeber gegen seine Fürsorgepflicht, setzt er sich erheblichen Haftungsrisiken aus. 

Anordnung von Maßnahmen im Rahmen des Direktionsrechts möglich

Das bedeutet, dass Arbeitgeber auch weiterhin im Rahmen ihres Direktionsrechts Maßnahmen wie bspw. das Tragen einer Atemschutzmaske anordnen können, solange sie dies für den Gesundheitsschutz ihrer Arbeitnehmer für erforderlich halten – das wird je nach Struktur des Betriebs und Art der ausgeübten Tätigkeiten unterschiedlich zu beurteilen sein. Bei dieser Entscheidung müssen Arbeitgeber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten. Denn unrechtmäßigen Weisungen des Arbeitgebers müssen die Arbeitnehmer nicht nachkommen.

Insofern sind Arbeitgeber gut beraten, sich bei der Erstellung bzw. Überprüfung des betrieblichen Hygienekonzepts beraten zu lassen und dieses regelmäßig an das regionale Infektionsgeschehen anzupassen. Zudem sollten Arbeitgeber bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und der Festlegung von Maßnahmen sowohl den Betriebsrat an allen Regelungen über den Gesundheitsschutz beteiligen (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) als auch sich von der Fachkraft für Arbeitssicherheit und dem Betriebsarzt beraten lassen.

Als Orientierungshilfe können zudem die Handlungsempfehlungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sowie die Empfehlungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum betrieblichen Infektionsschutz dienen.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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