14. August 2015
Nachweispflicht Zeitarbeit
Arbeitsrecht

Keine besondere Nachweispflicht gegenüber Zeitarbeitnehmer

Eine Pflicht des Zeitarbeitsunternehmens, die wesentlichen Arbeitsbedingungen des Kundenbetriebs nachzuweisen, besteht nicht.

Das BAG hat in Zusammenhang mit einem an sich herkömmlich erscheinenden equal pay-Verfahren (Urt. v. 25.03.2015 – 5 AZR 368/13) zunächst die bereits in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätze zusammengefasst, nämlich:

  • Keine Abweichung vom equal pay-Grundsatz aufgrund der Tarifunfähigkeit der CGZP und der insoweit unwirksamen Tarifverträge der Tarifgemeinschaft möglich
  • Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei equal pay, insbesondere bei Vorlage einer Auskunft nach § 13 AÜG durch den Zeitarbeitnehmer
  • Wirkung von konstitutiv im Arbeitsvertrag vereinbarten Ausschlussfristen und deren Beginn

Kein Verstoß gegen Pflichten aus Nachweisgesetz

Spannend sind dabei die Ausführungen des 5. Senats am Ende der Entscheidung. Der Kläger hat sich darauf berufen, dass sich das Zeitarbeitsunternehmen aus Gründen des Rechtsmissbrauchs nicht auf die Ausschlussfrist berufen können soll, da dieses die aus dem NachwG folgenden Pflichten missachtet habe. Dieses habe nämlich gegen § 2 Abs. 1 S. 2 Ziff. 6 NachwG verstoßen, die Höhe des Arbeitsentgelts eines Stammmitarbeiters des Kunden auszuweisen.

Dieser Ansicht folgt das BAG zu Recht nicht: eine entsprechende Verpflichtung ergebe sich weder aus dem NachwG noch aus dem AÜG. Nach § 2 Abs. 1 NachwG seien dem Zeitarbeitnehmer nur die Vertragsbedingungen, darunter die Höhe des Entgelts (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 NachwG), als die in seinem Vertragsverhältnis zum Personaldienstleister geltenden Bedingungen nachzuweisen. Eine Pflicht des Zeitarbeitsunternehmens, die wesentlichen Arbeitsbedingungen des Kundenbetriebs nachzuweisen, sei auch im AÜG nicht normiert.

Das AÜG unterscheide zwischen „Vertragsbedingungen“, die das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber [Anm. der Redaktion: gemeint ist wohl Arbeitnehmer] und Personaldienstleister beträfen, und „Arbeitsbedingungen“, die in der Rechtssphäre zwischen Kunden und Stammarbeitnehmern gölten. Diese Unterscheidung werde vom Gesetz in dem System der aufeinander abgestimmten Informations-, Dokumentations- und Auskunftspflichten im Dreiecksverhältnis Entleiher/Verleiher/Zeitarbeitnehmer konsequent umgesetzt. § 11 Abs. 1 S. 2 AÜG bestimme zwar ergänzende Nachweispflichten im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, diese beträfen aber nur das Vertragsverhältnis zwischen Zeitarbeitsunternehmen und Zeitarbeitnehmer. Die Vergleichsmöglichkeit zwischen den Leistungen des Personaldienstleisters und den nach dem Gleichbehandlungsgebot zustehenden Leistungen werde für den Zeitarbeitnehmer durch den allein gegenüber dem Kunden bestehenden und gerichtlich einklagbaren gesetzlichen Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG gewährleistet (vgl. BAG v. 24.04.2014 – 8 AZR 1081/12).

Urteil brisant für Nachforderungen der DRV

Die Ausführungen des BAG dürften weniger in unmittelbaren Zusammenhang mit von Zeitarbeitnehmern eingeklagten equal pay-Ansprüchen als vielmehr im Verhältnis zu den Nachforderungen der DRV von Brisanz sein. Wir erinnern uns: zahlreiche Sozialgerichte haben die Rechtmäßigkeit von Schätzungen der DRV zur Bestimmung der Höhe der nachzuzahlenden Sozialversicherungsbeiträge mit folgender Argumentation bejaht – so auch das SG Hannover wörtlich (Urt. v. 25.06.2014 – S 14 R 649/12; Sprungrevision beim BSG anhängig unter Az. B 12 R 11/14 R, über die voraussichtlich im Dezember 2015 entschieden wird):

Die Beklagte hat die Pflicht gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht erfüllt, in einer Urkunde anzugeben, welche im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgeltes gelten. Die Ausnahme des § 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG findet keine Anwendung, da – dies wurde oben festgestellt – kein Tarifvertrag gemäß § 9 Nr. 2 AÜG eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG erlaubt. Die Klägerin hat somit ihre Aufzeichnungspflicht nach § 28 f Abs. 1 SGB IV nicht erfüllt. Zu den Entgeltunterlagen gehören gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG bei Leiharbeitnehmern die Angabe der im Betrieb des Entleihers für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingen einschließlich des Arbeitsentgeltes. Diese Angabe waren in den Abrechnungsunterlagen der Klägerin nicht enthalten. Damit war die Beklagte gemäß § 28 f Abs. 3 Satz 2 SGB IV zur Schätzung des Arbeitsentgeltes berechtigt. Übermittelt der Arbeitgeber den Beitragsnachweis nicht zwei Arbeitstage vor Fälligkeit der Beiträge, so kann die Einzugsstelle das für die Beitragsberechnung maßgebende Arbeitsentgelt schätzen, bis der Nachweis ordnungsgemäß übermittelt wird.

Das SG Hannover geht folglich von einer Nachweispflicht aus, deren Verletzung auf sozialversicherungsrechtlicher Ebene eine Schätzung nach § 28 f SGB IV ermöglichen soll. Eine solche Nachweispflicht des Zeitarbeitsunternehmens, die überhaupt verletzt werden könnte, hat das BAG aber gerade angelehnt (so im Übrigen auch: LSG Baden-Württemberg v. 19.11.2012 – L 11 R 3954/12 ER-B; LSG Baden-Württemberg v. 05.03.2013 – L 4 R 4381/12 ER-B; im Ergebnis ebenfalls: SG Karlsruhe v. 28.01.2014 – S 16 R 4136/12) – so kann zumindest argumentiert werden, um die Rechtswidrigkeit der von den Rentenversicherungsträgern vorgenommenen Schätzung zu begründen.

Ggf. überzeugt dieser Ansatz auch das BSG, da sich Ende des Jahres mit der gegen die Entscheidung des SG Hannover eingelegten Sprungrevision befassen muss.

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