7. August 2014
Bundesarbeitsgericht
Arbeitsrecht

Kündigung nach unternehmensschädlichen Äußerungen über Facebook und YouTube – die erste Entscheidung des BAG

Arbeitsrechtler beschäftigt die Frage schon lange: Sind geschäftsschädigende, häufig als „privat″ empfundene Social Media-Posts von Arbeitnehmern ein Kündigungsgrund? Das BAG hat sich am 31. Juli 2014 erstmals mit einem solchen Fall befassen müssen: Kann sich ein Arbeitgeber zur Begründung einer (fristlosen) Kündigung darauf berufen, dass sich ein Arbeitnehmer über das Web 2.0 unternehmensschädlich geäußert hat?

Sachliche Kritik ist grundsätzlich erlaubt, falsche Behauptungen nicht

Der 2. Senat stellt fest, dass ein Arbeitnehmer nicht wissentlich falsche, geschäftsschädigende Behauptungen über die betrieblichen Verhältnisse aufstellen und über digitale Medien verbreiten oder verbreiten lassen darf. Sachliche Kritik an den betrieblichen Gegebenheiten ist jedoch erlaubt. Für die Grenzziehung kommt es auf den Inhalt und den Kontext der Äußerungen an.

In Anwendung dieser Grundsätze hat das BAG die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Kandidaten für das Amt des Wahlvorstands wegen vermeintlich geschäftsschädigender Äußerungen – anders als die Vorinstanzen – für unwirksam erachtet.

Details zum Fall

Die Arbeitgeberin stellt Verpackungen her. In ihrem Betrieb, in dem viele Facharbeiter beschäftigt sind, fand am 10. Februar 2012 auf Einladung der Gewerkschaft ver.di eine Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands statt.

Die Versammlung nahm einen unübersichtlichen Verlauf. Nach dem Verständnis beider Prozessparteien ist es zu einer wirksamen Wahl des Klägers nicht gekommen. Zwei Wochen später stellte ver.di beim Arbeitsgericht den Antrag, einen Wahlvorstand zu bestellen. In der Antragsschrift schlug sie als eines von dessen Mitgliedern erneut den Kläger vor.

Der Stein des Anstoßes: ein kritisches YouTube-Video

An einem der folgenden Tage gab der Kläger in einer von ver.di produzierten Videoaufzeichnung eine Erklärung des Inhalts ab, es gebe im Betrieb „Probleme“. An einzelnen Maschinen fehlten Sicherheitsvorkehrungen. Man könne „fast behaupten“, keine Maschine sei „zu 100 Prozent ausgerüstet“. Das Problem sei, dass „keine Fachkräfte vorhanden“ seien und „das Beherrschen der Maschinen nicht zu 100 Prozent erfüllt“ werde.

Das Video wurde ins Internet gestellt und war bei YouTube zu sehen. Der Kläger verbreitete es zudem über Facebook. Mit Blick hierauf kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 15. März 2012 fristlos.

Entscheidung des BAG überrascht

Laut BAG ist die außerordentliche Kündigung mangels wichtigen Grundes unwirksam. Die Erklärungen in dem Video seien erkennbar darauf gerichtet zu verdeutlichen, weshalb der Kläger die Bildung eines Betriebsrats als sinnvoll ansah. Der Kläger wollte dagegen nicht behaupten, die Beklagte beschäftige überwiegend ungelernte Kräfte.

Die Entscheidung überrascht, waren doch die von dem Arbeitnehmer verbreiteten Informationen ersichtlich (und auch wissentlich) falsch. Erst aus einer genaueren Analyse der Gründe wird sich ergeben, ob und insoweit das BAG die Besonderheiten hinsichtlich der Verbreitung von Tatsachen über das Web 2.0 tatsächlich in seine Bewertung einbezogen hat.

Ob der 2. Senat in diesem Zusammenhang allgemeine, auf andere Fallkonstellationen übertragbare Grundsätze aufgestellt hat, bleibt zunächst abzuwarten.

Tags: Bundesarbeitsgericht Facebook fristlose Kündigung geschäftsschädigende Äußerung Kündigungsgrund Social Media unternehmensschädliche Äußerung Web 2.0 Youtube