24. März 2015
Kein Anspruch für Zeitarbeitnehmer auf Eingruppierung beim Kunden
Arbeitsrecht

LAG Berlin-Brandenburg bestätigt: Kein Anspruch für Zeitarbeitnehmer auf Eingruppierung beim Kunden!

Das LAG BB stellt klar, dass Zeitarbeitnehmer keinen Anspruch darauf haben, in den im Einsatzbetrieb geltenden Haustarifvertrag eingruppiert zu werden.

Das LAG Berlin-Brandenburg stellt klar, dass eingesetzte Zeitarbeitnehmer keinen Anspruch darauf haben, in den im Einsatzbetrieb geltenden Haustarifvertrag eingruppiert zu werden.

Teilweise werden recht kreative Wege beschritten, um eine nicht mehr vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung zu „sanktionieren″, insbesondere nachdem das BAG festgestellt hat, dass bei einem dauerhaften Einsatz kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Zeitarbeitnehmer und dem Kundenunternehmen entsteht (Urt. v. 03.06.2014 – 9 AZR 111/13; Urt. v. 10.12.2013 – 9 AZR 51/13).

In diesem Zusammenhang ist auf eine Entscheidung des ArbG Cottbus hinzuweisen, nach der der Zeitarbeitnehmer einen Anspruch gegenüber dem Kundenunternehmen hat, nach dem dort geltenden Entgeltschema eingruppiert zu werden; zudem soll der Zeitarbeitnehmer sodann einen Anspruch auf die entsprechenden Entgeltdifferenzen gegenüber dem Kunden geltend machen können (Beschl. v. 06.02.2014 – 3 BV 96/13).

Keine betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung

Dieser Ansicht hat das LAG Berlin-Brandenburg in einem vergleichbar gelagerten Fall inzwischen zu Recht eine deutliche Absage erteilt (Beschl. v. 09.10.2014 – 14 TaBV 940/14). Der bei dem Kundenunternehmen gebildete Betriebsrat wollte die eingesetzten Zeitarbeitnehmer in den im Einsatzbetrieb geltenden Haustarifvertrag eingruppieren lassen. Dazu bestehe – so das LAG Berlin-Brandenburg – keine betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung des Kunden.

Die Richter stellten zunächst klar, dass trotz des nicht mehr nur vorübergehenden Einsatzes der Zeitarbeitnehmer kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei, aus dem sich eine entsprechende Pflicht überhaupt ergeben könne. § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG sei bei einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG weder direkt noch analog anwendbar.

Eine abweichende Auffassung könne nicht aus einer unionsrechtlichen Auslegung der Bestimmungen des AÜG abgeleitet werden. Zudem sei unter Berücksichtigung der Grundsätze des Rechtsmissbrauchs kein Arbeitsverhältnis entstanden. Das LAG Berlin-Brandenburg wörtlich:

Entleiher und Verleiher, die sich über die nicht nur vorübergehende Überlassung eines Leiharbeitnehmers einigen, missbrauchen damit kein Recht, sondern verstoßen gegen ein gesetzliches Verbot. Hat sich der Gesetzgeber aber entschieden, einen solchen Verstoß nicht mit der Sanktion der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zu versehen, darf diese Rechtsfolge nicht über § 242 BGB herbeigeführt werden. Dies würde bedeuten, sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegzusetzen und unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers einzugreifen.

Zeitarbeitnehmer bleiben Angehörige des Betriebs des Personaldienstleisters

Auch im Übrigen ergebe sich aus dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs keine Verpflichtung des Kunden, die Zeitarbeitnehmer in das bei ihm geltende Entgeltgefüge einzugruppieren. Diese blieben während der Überlassung Angehörige des Betriebs des Personaldienstleisters. Über deren Eingruppierung entscheide ausschließlich dieser.

Aus § 14 Abs. 3 AÜG ergebe sich schließlich, dass der Betriebsrat des Kunden bei der Einstellung des Zeitarbeitnehmers, aber nicht bei der Eingruppierung gem. § 99 BetrVG zu beteiligen sei. Insoweit beinhalte § 14 AÜG eine abschließende Regelung der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates des Kunden.

Abgesehen davon sehe § 10 Abs. 4 AÜG vor, nach welcher Vergütungsordnung Zeitarbeitnehmer zu vergüten seien. Sei auf das betreffende Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag anwendbar, der die Arbeitsbedingungen in gesetzlich zulässigerweise regele, sei der Zeitarbeitnehmer nach diesem eingruppiert. Nur wenn ein solcher Tarifvertrag nicht anwendbar sei, sei der Zeitarbeitnehmer nach dem equal pay-Grundsatz nach der bei dem Kunden geltenden Entgeltordnung eingruppiert.

Sodann stellt das LAG Berlin-Brandenburg fest, dass auf die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Zeitarbeitnehmer die iGZ/DGB-Tarifverträge Anwendung fänden, hinsichtlich deren Wirksamkeit keine Zweifel bestünden – so das Gericht wörtlich.

Die Entscheidung aus Berlin verdient unter zweierlei Gesichtspunkten Beachtung: erfreulicherweise erteilt das Gericht den Versuchen eine klare Absage, eine nicht mehr vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung über den Umweg des Kunden doch mit einer (gesetzlich nicht vorgesehenen) Sanktion zu belegen. Dies entspricht der vom BAG vorgegebenen Linie (Urt. v. 03.06.2014 – 9 AZR 111/13; Urt. v. 10.12.2013 – 9 AZR 51/13), nach der es ausschließlich der Gesetzgeber vermag, eine Regulierung vorzunehmen, wie mit einer nicht mehr nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung umzugehen ist. Solange dieser nicht die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen hat, ist es den Arbeitsgerichten verwehrt, sich als „Ersatzgesetzgeber″ zu gerieren.

Dennoch ist die Angelegenheit noch nicht ausgestanden. Gegen den Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg ist inzwischen Rechtsbeschwerde zum BAG eingelegt worden (Az. 1 ABR 63/14). Die letzte Messe dürfte folglich erst in Erfurt gesungen werden.

Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass das LAG Berlin-Brandenburg in dem obigen Beschluss – mehr oder weniger – apodiktisch von der Wirksamkeit der iGZ/DGB-Tarifverträge ausgeht. Dabei ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt, ob die DGB-Gewerkschaften überhaupt eine Tarifzuständigkeit für die Zeitarbeitsbranche für sich in Anspruch nehmen können. Eine solche ist erforderlich, um überhaupt Tarifverträge abschließen können. Die bislang dazu veröffentlichten Entscheidungen geben aber zumindest Anlass zur Hoffnung, dass die Wirksamkeit der tariflichen Vereinbarungen nicht an dieser notwendigen Voraussetzung scheitern werden (zuletzt: Hess. LAG v. 04.09.2014 – 9 TaBV 91/14).

Zu der Frage, wie Zeitarbeitnehmer bei der Freistellung von Betriebsräten zu berücksichtigen sind, beachten Sie bitte auch den Beitrag „Zeitarbeitnehmer sollen jetzt mitzählen – auch bei Freistellungen!„.

Dieser Beitrag ist angelehnt an einen Artikel aus der März-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“. Wenn Sie Interesse daran haben, diesen regelmäßig per E-Mail zu beziehen, können Sie sich mit einer kurzen Nachricht gerne an mich wenden (E: alexander.bissels@cms-hs.com oder direkt über Xing). Wenn Sie Fragen haben, insbesondere zum Newsletter oder allgemein zur Zeitarbeit bzw. Drittpersonaleinsatz und/oder zum Arbeitsrecht, können Sie mich ebenfalls jederzeit ansprechen.

Tags: Eingruppierung Haustarifvertrag Personaldienstleister Zeitarbeitnehmer