26. April 2021
Tarifvertrag Metall- und Elektroindustrie
Arbeitsrecht

Pilotabschluss in der Metall- und Elektroindustrie (2021)

In NRW soll bald ein neuer Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie gelten, doch auch weitere Bundesländer werden nachziehen.

Nach medienwirksamen Warnstreiks haben sich IG Metall und der Arbeitgeberverband Metall NRW am 30. März 2021 auf einen neuen Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen geeinigt.

Der neue Tarifvertrag gilt rückwirkend zum 1. Januar 2021, hat eine Gesamtlaufzeit von 21 Monaten und endet am 30. September 2022.

Pilotabschluss mit möglicherweise bundesweiter Reichweite 

Der Tarifabschluss betrifft 700.000 Beschäftigte* der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen. Es handelt sich zudem aber um einen Pilotabschluss. Das bedeutet, der IG Metall-Vorstand und Gesamtmetall empfehlen ihren regionalen Mitgliedsverbänden die Übernahme des nordrheinwestfälischen Abschlusses auch für die übrigen Tarifgebiete. Die Erklärungsfrist dafür endet am 30. April 2021.

Laut IG Metall haben Baden-Württemberg, Bayern,Hessen, Rheinland-Pfalz, das Saarland, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Bremen, Thüringen und Niedersachsen den Abschluss bereits – mit regionalen Unterschieden – übernommen (Stand: 26. April 2021). Insofern ist das Ergebnis von nahezu bundesweitem Interesse.

Beschäftigte erhalten Corona-Prämie

Zunächst haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass den Beschäftigten, die in den Geltungsbereich des neuen Tarifvertrages fallen, im Juni 2021 einmalig eine Corona-Prämie in Höhe von EUR 500 gezahlt wird. Für Auszubildende wurde diese in Höhe von EUR 300 vereinbart.

„Transformationsgeld“: Mehr Geld oder mehr Freizeit nach Wahl des Arbeitgebers 

Für Arbeitgeber auch in Zukunft bedeutsam ist die Vereinbarung zur Erhöhung der Entgelte. Ab Juli 2021 sollen Lohn- und Ausbildungsvergütungen um 2,3 % steigen. Diese Gehaltserhöhung wird jedoch nicht direkt ausgezahlt, sondern Monat für Monat angespart und kommt im Februar 2022 in Summe als „Transformationsgeld″ in Höhe von 18,4 Prozent des Monatsentgelts zur Auszahlung. Dies ist aber nur der Anfang: Das Transformationsgeld soll als jährlich wiederkehrende Sonderzahlung an die Beschäftigten ausbezahlt werden. Ab Februar 2023 beläuft sie sich dann jährlich auf 27,6 % eines Monatsentgelts.

Bezeichnend für das „Transformationsgeld“ ist die geplante Wahloption des Arbeitgebers. Dieser soll sich in Krisenzeiten entscheiden können, ob die Sonderzahlung ausbezahlt oder in Freizeit umgewandelt wird. Zweck dieser Regelung ist es, Arbeitsplätze zu sichern, indem Betrieben die Verringerung der Arbeitszeit erleichtert wird:

Voraussetzung: Betriebsvereinbarung zur Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit

Bereits 2018 wurde das so genannte „Tarifliche Zusatzgeld“ in Höhe von etwa EUR 400 von den Tarifpartnern eingeführt. Dieses ermöglichte Arbeitnehmern, individuell zwischen einer Geldleitung oder bis zu acht freien Arbeitstagen zu wählen. In der Corona-Krise wurde dieses Tarifliche Zusatzgeld vielerorts kollektiv zur Sicherung von Arbeitsplätzen genutzt. 

Das Transformationsgeld kann nun u.a. mit dem Tariflichen Zusatzgeld kombiniert werden. So soll die Einführung einer Vier-Tage-Woche bis zu drei Jahre lang möglich sein. Gleichzeitig sollen stabile Monatsentgelte für die Arbeitnehmer sichergestellt werden. Dies setzt jedoch eine kollektive Regelung in Form einer freiwilligen Betriebsvereinbarung voraus.Durch eine solche Betriebsvereinbarung soll bei vorübergehenden Beschäftigungsproblemen die individuelle regelmäßige Wochenarbeitszeit reduziert werden können.

Nach Angaben des Arbeitgeberverbands Metall NRW kann dies entweder einheitlich für alle Beschäftigten oder nur für Teile des Betriebs, z.B. einzelne Abteilungen oder bestimmte Beschäftigtengruppen, erfolgen. Dabei soll auch eine unterschiedliche Absenkung der Arbeitszeit und eine unterschiedliche Dauer derselben vereinbart werden können.

Verbindliche Zuschläge bei Arbeitszeitabsenkungen

Soweit hiervon Gebrauch gemacht wird und die Arbeitszeitabsenkung länger als 12 Monate dauert, müssen Arbeitgeber nach dem neuen Tarifvertrag den Beschäftigten wöchentliche Zuschläge zahlen. Die Zuschläge werden hierbei anhand des durchschnittlichen Stundenentgeltes gemessen und sind wie folgt gestaffelt:

Dauer der ArbeitszeitabsenkungZu leistende Arbeitszeit Tariflicher Zuschlag pro Woche
Ab 13 Monaten32 h/Woche25%
Ab 25 Monate           32 h/Woche50%
Ab 25 Monate           33 h/Woche25%

Tariflicher Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen während Arbeitszeitabsenkungen 

In diesem Zusammenhang dringend zu beachten ist, dass die betriebsbedingte Kündigung in Zukunft ausgeschlossen sein soll, wenn die Absenkung der Arbeitszeit aufgrund konjunktureller Lage oder Transformation erfolgt. 

Für Arbeitgeber ist es somit erforderlich, eine frühzeitige Entscheidung zwischen betriebsbedingter Kündigung und Arbeitszeitabsenkung zu fällen.

Automatische Kostenentlastung für krisenbelastete Betriebe 

Zu begrüßen ist, dass in dem Tarifabschluss eine automatische Entlastung für Betriebe enthalten ist, die mit Umsatzeinbußen kämpfen. Danach entfällt das Tarifliche Zusatzgeld, das normalerweise im Oktober fällig wird, entweder in Gänze oder die Auszahlung kann jedenfalls verschoben werden. Dies soll für Betriebe gelten, deren Nettoumsatzrendite unter 2,3 Prozent fällt.

Tarifverträge gelten auch für dual Studierende

Neu ist außerdem, dass künftig dual Studierende künftig während ihrer Berufsausbildung unter den Anwendungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie fallen.

Auswirkung auf die Praxis: Mehr Flexibilität führt zu mehr Verantwortung

Der Arbeitgeberverband Metall NRW lobt an dem Abschluss, dass es in diesem Jahr keine zusätzliche Belastung für die Unternehmen gebe. Für Arbeitgeber zukünftig relevant ist besonders die Einführung des Transformationsgeldes. Denn die geplante Wahloption bietet zusätzliche Flexibilität. Hierbei gilt es jedoch, die rechtlichen Vorgaben des Tarifvertrages genau zu beachten.

Aus Kostenperspektive spielen künftig auch die tariflichen Zuschläge für langfristige kollektive Arbeitszeitabsenkungen eine große Rolle. Arbeitgeber müssen diese in ihre Entscheidung zur Absenkung der Arbeitszeit einbeziehen. Dabei ist auch der Ausschluss der betriebsbedingten Kündigung unbedingt zu beachten.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitszeitabsenkung Metall- und Elektroindustrie Tarifvertrag Transformationsgeld