Der Geltungsbereich u.a. des in der Praxis wesentlichen Branchenzuschlagstarifvertrages für die Metall- und Elektroindustrie wurde mit Wirkung zum 1. Dezember 2021 erweitert – darauf müssen sich Personaldienstleister und deren Kunden kurzfristig einstellen und handeln.
Etwas überraschend sind drei zwischen der VGZ und der IG Metall abgeschlossene und im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung zu beachtende Branchenzuschlagstarifverträge angepasst worden; dabei handelt es sich um den in der Praxis wichtigen TV BZ ME sowie den TV BZ HK und den TV BZ TB.
Kriterium der Tarifbindung maßgeblich
Die vorgenommenen Änderungen betreffen den (betrieblichen) Geltungsbereich, indem folgende Bestimmung – exemplarisch für den TV BZ ME – in den Text des Tarifvertrages aufgenommen wurde:
Als Kundenbetriebe der Metall- und Elektrobranche in diesem Sinne gelten auch Betriebe, die (durch Mitgliedschaft oder Bezugnahmen in einem Haustarifvertrag) an ein regionales Tarifwerk der Metall- und Elektroindustrie gebunden sind.
Gestrichen wurden hingegen der ohnehin wenig bedeutsame Satz in den o.g. Tarifverträgen, nach dem
ohne eindeutige Angabe des Kundenbetriebs zum angewendeten Tarifvertrag das Zeitarbeitsunternehmen den TV BZ ME anwenden kann.
Die Formulierung im TV BZ HK und TV BZ TB ist mit der des TV BZ ME – (natürlich) unter Berücksichtigung des jeweils abweichenden Branchenfokus – identisch. Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich am TV BZ ME, können aber auf die beiden weiteren Tarifverträge grundsätzlich übertragen werden.
Tarifbindung oder Verweis auf Flächentarifverträge erforderlich
Voraussetzung für eine Branchenzuschlagspflicht in der neu eingefügten Fallgruppe ist das Vorliegen einer Tarifbindung für den Einsatzbetrieb. Der Kunde muss folglich Mitglied in dem jeweils zuständigen Arbeitgeberverband Metall sein, was dazu führt, dass die mit der IG Metall abgeschlossenen Flächentarifverträge im Einsatzbetrieb zur Anwendung kommen; eine sog. OT-Mitgliedschaft, d.h. eine solche ohne Tarifbindung, ist nicht ausreichend.
Alternativ ist auch der Abschluss eines Hausvertrages ausreichend, der von dem Kunden mit der IG Metall geschlossen und in dem auf die Flächentarifverträge verwiesen wird. Unklar ist dabei aber, ob es sich bei diesem Haustarifvertrag um einen schlichten Anerkenntnistarifvertrag handeln muss, in dem die Regelungen des Flächentarifvertrages 1:1 übernommen werden, oder ob – wie in der Praxis häufig – der Haustarifvertrag zwar auf die Flächentarifverträge verweist, jedoch die dort vorgesehenen Bestimmungen – ggf. für einen festgelegten Zeitraum – modifiziert werden, da sich der Kunde möglicherweise in einer wirtschaftlich herausfordernden Situation befindet (Beispiel: Aussetzung von tariflichen Sonderzahlungen oder zeitlich verzögerte Weitergabe von tariflichen Entgelterhöhungen bei Abgabe einer Beschäftigungssicherung oder einer Standortgarantie).
Der schlichte Wortlaut der Neuregelung in den Branchenzuschlagstarifverträgen
Bindung an ein regionales Tarifwerk der Metall- und Elektroindustrie durch Bezugnahme in einem Haustarifvertrag
könnte zunächst so verstanden werden, dass der Firmentarifvertrag uneingeschränkt zur Anwendung kommen müsse. Dies ist aber weder von Sinn und Zweck der Bestimmung gedeckt, noch dürfte der Wortlaut der tariflichen Regelung eine derart enge Auslegung rechtfertigen, wird doch durch einen modifizierenden Haustarifvertrag regelmäßig – über ein Anerkenntnis – eine Bindung an den M+E-Flächentarifvertrag hergestellt, der dann nur modifiziert wird. Es besteht auch in diesen Fällen zunächst eine Bindung an ein regionales Tarifwerk der Metall- und Elektroindustrie, die hinreichend sein dürfte, um den betrieblichen Geltungsbereich des Branchenzuschlagstarifvertrages zu eröffnen.
Zudem ist in der betrieblichen Praxis darauf zu achten, dass die IG Metall für den (tarifgebundenen) Kundenbetrieb auf Grundlage ihrer Satzung tarifzuständig sein muss. Nur in diesem Fall wird die von der Neuregelung des Branchenzuschlagstarifvertrages verlangte „Bindung“ an ein regionales Tarifwerk der Metall- und Elektroindustrie erzeugt. Verfügt die IG Metall nicht über eine entsprechende Tarifzuständigkeit für den Kundenbetrieb, besteht gerade keine (kollektivrechtlich vermittelte) Bindung an diese Flächentarifverträge.
Mit Blick auf den sehr weit geschnittenen Zuständigkeitsbereich, den die IG Metall in deren Satzung für sich in Anspruch nimmt, dürfte eine Tarifzuständigkeit regelmäßig bestehen, wenn und soweit ein (un-)mittelbarer Bezug zur M+E-Industrie besteht (vgl. Organisationskatalog ab S. 52 der Satzung). Da auch Dienstleistungen bzw. dienstleistungsgeprägte Bereiche abgedeckt werden, können grundsätzlich (oftmals theoretische) Kompetenzkonflikte zur Tarifzuständigkeit von ver.di bestehen; in der Praxis haben sich solche zuletzt im Bereich der Kontraktlogistikergeben. Solange und soweit jedoch die Satzung der IG Metall den Kundenbetrieb erfasst und keine gerichtliche Entscheidung vorliegt, in der eine Tarifunzuständigkeit der IG Metall bzw. die (ausschließliche) Tarifzuständigkeit einer anderen DGB-Gewerkschaft festgestellt wird, sollte in der Praxis von der Anwendbarkeit der M+E-Flächentarifverträge ausgegangen werden.
Nicht ausreichend ist auf Grundlage der Neufassung des TV BZ ME, dass die Anwendung der Flächentarifverträge nur durch eine Bezugnahmeklausel in den Arbeitsverträgen der Mitarbeiter* des Kunden vermittelt wird oder dass diese schlichtweg, d.h. ohne ausdrückliche Regelung oder Anerkennung, faktisch als Grundlage für die Abwicklung der Arbeitsverhältnisse herangezogen werden.
Inkrafttreten der angepassten Branchenzuschlagstarifverträge ab Dezember 2021
In zeitlicher Hinsicht betrifft die Änderung der Branchenzuschlagstarifverträge dabei Zeitarbeitnehmer, deren Einsatz im Kundenbetrieb frühestens am 1. Dezember 2021 oder später beginnen wird. Sollte der Zeitarbeitnehmer bereits vor dem 1. Dezember 2021 in den Kundenbetrieb überlassen worden sein, gilt die Neuregelung nur, wenn diese Einsatzzeiten nach den tariflichen Bestimmungen nicht anzurechnen sind. Umgekehrt gewendet bedeutet dies, dass bei einer Anrechnung der „Alt-Einsätze“ der TV BZ ME a.F. weiterhin zu berücksichtigen ist.
Für laufende Einsätze, die über den 1. Dezember 2021 andauern, gilt ausschließlich der TV BZ ME in der bisherigen Fassung, so dass für einen längeren Zeitraum – insbesondere unter Berücksichtigung des in der M+E-Branche geltenden TV LeiZ (Überlassungshöchstdauer von bis zu 48 Monaten) – für die verschiedenen Einsätze von Zeitarbeitnehmern (je nach deren Beginn) beide Fassungen des TV BZ ME zu berücksichtigen und die Einhaltung der Regelungen sicherzustellen und zu prüfen ist.
Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie dabei bitte unserem „Infobrief Zeitarbeit″, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com oder kira.falter@cms-hs.com).
*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.