Mit dem Brexit-Steuerbegleitgesetz wurde im Jahr 2019 mit § 25 a Abs. 5a Kreditwesengesetz (KWG) eine Regelung zum Kündigungsschutz sog. Risikoträger in Kreditinstituten eingeführt.
Der deutsche Gesetzgeber wollte Deutschland nach dem Brexit als Bankenstandort attraktiver machen, indem man die Vorschriften des strengen deutschen Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) für bestimmte Angestelltengruppen etwas lockert: Nach der 2019 neu geschaffenen Regelung ist § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG auf Risikoträger bedeutender Institute, deren jährliche Vergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung i.S.d. § 159 SGB VI überschreitet und die keine Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte sind, mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.
Hiermit ist keine Aufhebung des Kündigungsschutzes nach dem KSchG für Risikoträger verbunden. Eine Kündigung dieser Personengruppe muss nach wie vor den Anforderungen des KSchG genügen. Der Arbeitgeber hat allerdings im Falle einer sozial ungerechtfertigten und damit unwirksamen Kündigung die Möglichkeit, einen gerichtlichen Auflösungsantrag zu stellen, der keiner Begründung bedarf. In allen anderen Fällen verlangt § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Als Folge eines solchen Auflösungsantrags erlangt der Arbeitnehmer einen Abfindungsanspruch in gesetzlich festgelegter Höhe (14 Abs. 2 S. 1 KSchG), während beim normalen Kündigungsschutz ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung besteht. Der Bestandsschutz wird also durch einen Abfindungsschutz ersetzt.
Ausgehend von der aktuell geltenden Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung kommt die Regelung für solche Risikoträger zur Anwendung, deren fixes Monatsgehalt EUR 7.550 (West) bzw. EUR 7450 (Ost) um das Dreifache überschreitet, also bei Risikoträgern, die ein Bruttomonatseinkommen von mehr als EUR 22.650 (West) bzw. EUR 22.350 (Ost) beziehen. Ab dem 1. Januar 2025 soll die Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung auf einheitlich fix EUR 8.050 steigen. Zur Anwendung käme § 25 a Abs. 5a KWG dann nur für Risikoträger mit einem Bruttomonatseinkommen von mehr als EUR 24.150. Dieser Vorschlag aus dem Bundesarbeitsministerium befindet sich aber noch in der Ressortabstimmung.
Nach § 25 a Abs. 5b KWG gelten zwingend als Risikoträger Mitarbeiter der unmittelbar der Geschäftsleitung nachgelagerten Führungsebene, Mitarbeiter mit Managementverantwortung für die Kontrollfunktionen oder die wesentlichen Geschäftsbereiche des Instituts, Mitarbeiter, die im oder für das vorhergehende Geschäftsjahr Anspruch auf eine Vergütung in Höhe von mindestens EUR 500.000 hatten, sofern diese Vergütung mindestens der durchschnittlichen Vergütung der Geschäftsleiter, der Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans sowie der Mitarbeiter der unmittelbar der Geschäftsleitung nachgelagerten Führungsebene des Instituts entspricht und sie die berufliche Tätigkeit in einem wesentlichen Geschäftsbereich ausüben und sich diese Tätigkeit erheblich auf das Risikoprofil des betreffenden Geschäftsbereichs auswirkt.
Überdies muss es sich um Angestellte bedeutender Institute handeln. Dies ist in § 1 Abs. 3c KWG legaldefiniert. Danach ist ein Institut bedeutend, wenn seine Bilanzsumme im Durchschnitt zu den jeweiligen Stichtagen der letzten vier abgeschlossenen Geschäftsjahre EUR 15 Milliarden überschritten hat.
Darüber hinaus haben Institute i.S.v. § 25 a Abs. 5a KWG auf Grundlage einer Risikoanalyse eigenverantwortlich alle weiteren Risikoträger zu ermitteln.
Legt man diese Anforderungen zugrunde, wird auch dem, der mit dem Bankensektor nicht vertraut ist, deutlich, dass der praktische Anwendungsbereich von § 25 a Abs. 5a KWG bislang gering war.
Zweites Zukunftsfinanzierungsgesetz
Das Bundesministerium der Finanzen hat den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zweites Zukunftsfinanzierungsgesetz) vorgelegt.
Erstreckung des § 25 a Abs. 5a KWG auf nicht-systemrelevante Banken
Dieser sieht u.a. vor, dass die in § 25 a Abs. 5a KWG getroffene Regelung insofern erweitert wird, als sie nicht mehr nur für bedeutende Institute gelten soll. Denn ein wesentlicher Kritikpunkt an der bisherigen Regelung ist, dass diese zu einer Privilegierung großer Banken gegenüber kleinen und mittleren führt. Nur großen Banken wird bislang eine „vereinfachte“ Trennung von ihren Risikoträgern ermöglicht.
Um die Rahmenbedingungen für Spitzenverdiener im Finanzsektor zu flexibilisieren, sollen nunmehr die schon bestehenden Regelungen für Risikoträger in systemrelevanten Banken auf nicht-systemrelevante Banken, also auf alle Risikoträger i. S. d. § 2 Abs. 8 der Institutsvergütungsverordnung (InstVergV) ausgeweitet werden. Risikoträger sind danach Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil eines Instituts auswirkt.
Erstreckung auf Risikoträger in Versicherungen, Wertpapierinstituten und Kapitalanlagegesellschaften
Zudem sieht der Referentenentwurf eine Ausweitung des gelockerten Kündigungsschutzes auf weitere Unternehmen im Finanz(dienstleistungs-)Sektor vor. Erfasst werden sollen also auch Versicherungen, Wertpapierinstitute und Kapitalanlagegesellschaften, die gemäß den für sie jeweils anwendbaren aufsichtsrechtlichen Vorgaben Risikoträger zu ermitteln haben.
Dies soll durch die Aufnahme § 25 a Abs. 5a KWG entsprechender Regelungen in § 37 Abs. 4 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), § 24 Abs. 5 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und § 46 Abs. 4 Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) geschehen.
Auf diese Weise werde, so der Entwurf, das schutzwürdige Interesse des Arbeitgebers einer an einer Beendigung der Beschäftigung einerseits und der Schutz des Beschäftigten andererseits zu einem angemessenen Ausgleich gebracht.
Risikoträger stehen in einem besonderen Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber. Gerade bei aufsichtlichen Risikoträgern im sensiblen Finanzsektor sei – so die Entwurfsbegründung – dieses Vertrauen von besonderer Bedeutung, da sich ein Vertrauensverhältnis auf den Bestand des Instituts und letztlich auch die Finanzstabilität auswirken könne.
Die Regelung sei den betroffenen Arbeitnehmern auch zumutbar. Durch die Beschränkung der Anwendung der Regelung auf Beschäftigte, deren jährliche (Fix-)Vergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung im Sinne des 159 BGB VI übersteigt, sei gewährleistet, dass nur Risikoträger erfasst werden, die eine besonders herausgehobene Position bekleiden und die sich typischerweise nicht nur auf dem nationalen, sondern internationalen Arbeitsmarkt bewegen und damit typischerweise besonders gute Möglichkeiten hätten, eine adäquate Anschlussbeschäftigung zu finden. Gleichzeitige entspreche es auch im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer nicht den Gepflogenheiten dieses Marktes, eine Weiterbeschäftigung beim selben Arbeitgeber anzustreben oder langwierige Rechtsstreitigkeiten hierüber in Kauf zu nehmen.
Sinnvolle Erweiterung der Sonderregelungen zum Kündigungsschutz
Insgesamt macht ein Gleichlauf der Kündigungsschutzregelungen des Finanzsektors auch insofern Sinn, als die betroffenen Regelungsadressaten auch ansonsten vom Grundsatz her ähnlichen Sonderregelungen im Bereich der Vergütung ihrer Risikoträger und Mitarbeiter unterliegen.
Ein Wermutstropfen bleibt indes: Die Eigenschaft eines Mitarbeiters als Risikoträger bestimmt sich grundsätzlich nach den jeweils maßgeblichen aufsichtsrechtlichen Anforderungen. Dies dürfte im Ergebnis dazu führen, dass die Arbeitsgerichte die Risikoträgereinstufung eines Mitarbeiters nur auf ihre Plausibilität und nicht auf ihre inhaltliche Richtigkeit prüfen können.