6. Februar 2018
Tarifkonflikt Streik Rechtmäßigkeit
Arbeitsrecht

Tarifkonflikt in der Metall- und Elektrobranche spitzt sich zu

Streit um die Rechtmäßigkeit von 24-Stunden-Streiks wird vor Gericht ausgetragen.

Im Oktober letzten Jahres hat die IG Metall ihre Forderungen für die Tarifrunde 2018 beschlossen, die aktuell in vollem Gang ist. Neben einer Lohnerhöhung von 6 % fordert die Gewerkschaft ein Recht der Arbeitnehmer auf flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit. Dabei soll Mitarbeitern ein Recht auf Verkürzung ihrer Arbeitszeit für die Dauer von maximal zwei Jahren bis zu einem Minimalumfang von 28 Stunden zustehen, verbunden mit einem garantierten Rückkehrrecht zur Vollzeit. Bestimmte Mitarbeitergruppen, nämlich Schichtarbeiter, pflegende Angehörige und Eltern kleiner Kinder, sollen für die Dauer der Arbeitszeitreduzierung einen teilweisen Lohnausgleich durch den Arbeitgeber erhalten.

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, hat die IG Metall seit einigen Tagen bundesweit zu Warnstreiks aufgerufen. Die Arbeitgeber gehen ihrerseits gegen die Streiks juristisch vor. So sind bereits mehrere Arbeitsgerichte im Rahmen von Eilverfahren und Klageverfahren (Hauptsacheverfahren) mit der Thematik befasst. Im Mittelpunkt steht jeweils die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Arbeitskampfmaßnahmen. 

Tarifbezogenheit des Streikziels

Von entscheidender Bedeutung für die Rechtmäßigkeit der aktuellen Warnstreiks ist das verfolgte Streikziel. Denn Arbeitskämpfe dürfen nur zur Erzwingung solcher Forderungen geführt werden, die anschließend auch Gegenstand eines Tarifvertrages sein können. Verfolgt die Gewerkschaft (auch) die Durchsetzung einer tarifwidrigen Forderung, bedingt dies die Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks. Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich um eine zentrale Forderung handelt (BAG v. 26. Juli 2016 – 1 AZR 160/14, Rn. 50 ff.).

Zu Zweifeln führt hier die verlautbarte Streikforderung nach der Möglichkeit einer befristeten Arbeitszeitverkürzung mit Teillohnausgleich und verbrieftem Recht auf Rückkehr zur Vollzeit. In den Mittelpunkt rückt die Frage einer Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten untereinander, die nach Auffassung der Arbeitgeberverbände durch ein solches „Teilzeit-Parallelsystem″ geschaffen würde. Ein Arbeitnehmer, der von seinem Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG Gebrauch macht, muss die damit verbundene anteilige Gehaltsreduzierung ohne Anspruch auf Lohnausgleich und ohne gesicherte Möglichkeit einer zukünftigen Vollzeitbeschäftigung hinnehmen. Dasselbe gilt für Arbeitnehmer, die in der Metall- und Elektroindustrie beschäftigt sind, ihre Arbeitszeit aber auf weniger als 28 Wochenstunden reduzieren möchten oder aus bestimmten Gründen müssen.

Dagegen könnte sich der nach dem Konzept der IG Metall teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter auf einen teilweisen Ausgleich seiner Gehaltsreduzierung und einen Anspruch auf Rückkehr zur Vollzeitbeschäftigung verlassen. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz lässt zwar grundsätzlich Abweichungen zu Gunsten des Arbeitnehmers zu; gleichzeitig sind die Tarifparteien aber an die geltenden Diskriminierungsverbote gebunden (zuletzt LAG Hessen v. 22. November 2016 – 16 SaGa 1459/16, Rn. 57). Die Gewerkschaft hält mit dem Argument dagegen, die Ungleichbehandlung sei jedenfalls gerechtfertigt, um die Metallbranche für Arbeitnehmer attraktiver zu machen und so dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Alles eine Frage der Verhältnismäßigkeit?

Warnstreiks, die bereits während der Tarifverhandlungen und vor einem regulären Erzwingungsstreik aufgenommen werden, sind für Gewerkschaften attraktiv Mit vergleichsweise geringem Aufwand können sie öffentlichkeitswirksam erheblichen Druck auf die Arbeitgeberseite ausüben. Die IG Metall setzt hier erstmals auf eine 24-Stunden-Strategie – einem für Warnstreiks vergleichsweise langen Zeitkorridor. Aber auch Warnstreiks müssen verhältnismäßig sein, um ein zulässiges Arbeitskampfmittel darzustellen.

Dies setzt voraus, dass die Art der Durchführung und die Intensität der einzelnen Streikmaßnahmen nicht unverhältnismäßig sind. Werden durch den Warnstreik gegenläufige, verfassungsmäßig geschützte Rechtspositionen unangemessen beeinträchtigt, ist der Zulässigkeitsrahmen überschritten. Klare Vorgaben für die Grenzen der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder Rechtsprechung fehlen; das zuständige Gericht hat eine Abwägung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen.

Untersagung eines Streiks: Die hohen Hürden des einstweiligen Verfügungsverfahrens

 Die Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens (Eilverfahren) ist für Arbeitgeber meist der effektivste Weg, um gegen beabsichtigte Streikmaßnahmen vorzugehen. Denn die Entscheidung im Hauptsacheverfahren kommt regelmäßig zu spät und kann nur noch Folgeansprüche aus dem Streik (insbesondere Schadensersatzansprüche wegen Produktionsausfall) regeln. Das einstweilige Verfügungsverfahren bietet dann die einzige Möglichkeit, einen geplanten Streik zu verhindern.

Doch die Anforderungen an eine Unterlassungsverfügung im Eilverfahren vor den Arbeitsgerichten sind hoch. Die endgültige Untersagung eines geplanten Streiks im einstweiligen Verfügungsverfahren erfordert, dass die geplanten Arbeitskampfmaßnahmen nach einer summarischen rechtlichen Prüfung eindeutig oder offenkundig rechtswidrig sind. Zum anderen muss die Untersagung des Streiks notwendig erscheinen, um wesentliche rechtliche Nachteile abzuwenden.

Diese Voraussetzungen sah das Arbeitsgericht Krefeld (1 Ga 1/18) nicht als erfüllt an, um einen für den 1. Februar 2018 geplanten Warnstreik der IG Metall in einem Betrieb in Viersen zu untersagen. Die Rechtswidrigkeit der Forderung nach einem teilweisen Lohnausgleich bei Arbeitszeitreduzierung sei nicht eindeutig dargelegt. Jedenfalls sei nicht offensichtlich, dass ein 24 Stunden andauernder Streik zu einer unzumutbaren Belastung des betroffenen Arbeitgebers führe.

Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt auch das Arbeitsgericht Nürnberg (5 Ga 24/18). Es hält fest, dass eine Ungleichbehandlung durch den geforderten Lohnausgleich anzunehmen ist, die jedoch gerechtfertigt sein könnte. Eine sachliche Rechtfertigung fehle jedenfalls nicht „in offensichtlicher Art und Weise″.

Anfang dieser Woche sollen die Verhandlungen fortgesetzt werden. Dabei entscheidet sich wohl auch, ob eine Einigung erzielt, oder die Streikmaßnahmen ausgedehnt werden.

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