Wie können Arbeitgeber das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitarbeiter unterstützen? Dürfen Arbeitgeber bevorzugt ukrainische Flüchtlinge einstellen?
Angesichts von Katastrophen und Kriegen in der Welt beweist Deutschland große Solidarität bei der Aufnahme und Unterstützung von ukrainischen Flüchtlingen. Da viele Arbeitgeber das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitarbeiter* schätzen und fördern möchten, soll im Folgenden aufgezeigt werden, welche rechtlichen Rahmenbedingungen dabei zu beachten sind.
Arbeitgeber kann seinen Mitarbeitern Zeit zur ehrenamtlichen Arbeit mit oder für Geflüchtete ermöglichen
Gerade im Zusammenhang mit den Geschehnissen in der Ukraine engagieren sich viele Deutsche als Flüchtlingshelfer, bspw. durch Nachhilfe in der deutschen Sprache oder beim Spendensammeln. Da Engagierten jedoch häufig die Zeit zur ehrenamtlichen Arbeit mit oder für Geflüchtete fehlt, stellen sich Arbeitgeber die Frage, wie sie ihren Mitarbeitern hierfür Zeit ermöglichen können.
Kein genereller Anspruch auf Freistellung für ehrenamtliche Arbeit
Zwar gibt es einen grds. Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber auf bezahlte oder unbezahlte Freistellung von der Arbeit für das Ehrenamt. Dies unterliegt jedoch Einschränkungen.
So sieht § 616 BGB einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung trotz Arbeitsversäumnis vor, wenn ein Mitarbeiter für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne eigenes Verschulden an der Arbeitsleistung gehindert ist. Allerdings stellt die Ausübung eines freiwillig übernommenen Ehrenamtes regelmäßig kein persönliches Leistungshindernis i.S.d. § 616 BGB dar, weil das Interesse des Arbeitgebers auf Erfüllung der Arbeitspflicht Vorrang genießt.
Etwas anderes gilt nur, wenn die Freistellung zugunsten eines öffentlichen Ehrenamtes erfolgt, d.h. ehrenamtlich eine öffentliche Pflicht wahrgenommen wird. Beispiele hierfür sind Tätigkeiten zugunsten der Feuerwehr oder des Technischen Hilfswerks (THW) bzw. für das kommunalpolitische Ehrenamt, die allerdings spezialgesetzlich geregelt sind. Bei der freiwilligen Unterstützung Geflüchteter handelt es sich jedoch nicht um ein solches öffentliches Ehrenamt, sodass kein Anspruch auf bezahlte Freistellung gem. § 616 BGB besteht.
Freistellung durch Individualvereinbarung
Abweichend von diesen Grundsätzen können Arbeitgeber und Arbeitnehmer jederzeit durch Individualvereinbarung über ihr Vertragsverhältnis verfügen. Daher ist auch eine Einigung über eine (un-)bezahlte Freistellung, d.h. über den Verzicht des Arbeitnehmers auf seinen Beschäftigungsanspruch, grds. immer möglich.
Bei einer unbezahlten Freistellung sind jedoch die Auswirkungen auf die Sozialversicherung zu beachten. Dauert die unbezahlte Freistellung länger als einen Monat, so endet die entgeltliche Beschäftigung, d.h., der Arbeitnehmer muss von der Sozialversicherung ab- und nach Ende der Freistellung neu angemeldet werden. Daher sollte die Freistellungsphase nicht länger als vier Wochen dauern. Neben den Auswirkungen auf die Sozialversicherung ist zu beachten, dass nach aktueller Rechtsprechung während der unbezahlten Freistellung kein Urlaubsanspruch entsteht (vgl. BAG, Urteil v. 19. März 2019 – 9 AZR 315/17).
Freistellung durch Spende von Überstunden und Urlaubstagen
Neben der vertraglichen Freistellungsvereinbarung besteht die Möglichkeit des Mitarbeiters, seine Überstunden und Urlaubstage für das Ehrenamt einzubringen bzw. weiterzugeben. Eine gesetzliche Regelung, die einen Verzicht und die anschließende Weitergabe von Urlaubstagen an Kollegen konkret ermöglicht, besteht allerdings nicht.
Voraussetzung für eine Freistellung ist zunächst eine entsprechende betriebliche Regelung, die den genauen Ablauf bestimmt. Dabei sollte insbesondere festgeschrieben werden, wie mit nicht vollständig abgerufenem, gespendeten Zeitguthaben verfahren wird. Zudem sollte klar definiert werden, wer unter welchen Voraussetzungen Empfänger der gespendeten Zeiten werden kann. Spendende Mitarbeiter sollten zudem dazu angehalten sein, die Art (Urlaub oder Mehrarbeit) und den Umfang der Stunden sowie einen Verzicht auf diesbezügliche Rechte schriftlich festzuhalten.
Sofern sich der Arbeitgeber zur Einführung eines solchen Spendensystems entschließt, sollte zudem darauf geachtet werden, dass spendende Mitarbeiter die geltenden Höchstarbeitszeiten gem. § 3 ArbZG einhalten und nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub gem. § 13 BUrlG verzichten.
Mitarbeiter sollten Besonderheiten beachten, wenn sie für THW / freiwillige Feuerwehr aktiv sind
Wie bereits erwähnt, kommt es im Übrigen bei der Freistellung von Mitarbeitern im Rahmen eines ehrenamtlichen Engagements darauf an, ob dieses im öffentlichen Interesse liegt oder nicht. Ein solches Interesse wird insbesondere bei Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr und des THW angenommen (allerdings auch beim kommunalpolitischen Mandat).
Der Freistellungs- und Vergütungsanspruch ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger richtet sich dabei nach den Bestimmungen in den Brand- und Katastrophenschutzgesetzen der Bundesländer. Für Nordrhein-Westfalen folgt dieser aus § 20 Abs. 2 S. 3 des Gesetzes über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG). Danach sind Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr für Einsätze, Übungen und Ausbildungsveranstaltungen während der Arbeitszeit unter Gewährung des Arbeitsentgelts von ihren Arbeitgebern freizustellen. Im Gegenzug haben private Arbeitgeber einen Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Gemeinde (§ 21 Abs. 1 BHKG).
Für Mitglieder des THW trifft das Gesetz über das Technische Hilfswerk (THWG) die wesentlichen Regelungen. Wie die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr sind auch Mitglieder des THW für die Dauer der Dienste unter Weitergewährung des Arbeitsentgelts, das sie ohne die Dienste erhalten hätten, von der Arbeitsleistung freigestellt (§ 3 Abs. 1 S. 3 THWG).
Private Arbeitgeber haben dabei gegenüber der zuständigen THW-Dienststelle Anspruch auf Erstattung des weitergewährten Arbeitsentgelts, sofern der Arbeitsausfall mehr als zwei Stunden am Tag oder sieben Stunden innerhalb von zwei Wochen beträgt (§ 3 Abs. 2 THWG).
Arbeitgeber kann sich unterstützend durch Geld- oder Sachspenden einbringen
Arbeitgeber können neben der Freistellung von Mitarbeitern durch Geld- oder Sachspenden für gemeinnützige Zwecke zur Förderung sozialen Engagements beitragen. In Betracht kommt bspw. das Bereitstellen von Fahrzeugen aus dem Dienstwagen-Pool.
Zwar sind auch diese Ausgaben grds. steuerlich zu berücksichtigen. Allerdings veröffentlicht die Finanzverwaltung als steuerliche Reaktion auf Katastrophenfälle regelmäßig sog. Katastrophenerlasse. Dabei handelt es sich um ein Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) oder länderbezogene Verwaltungsanweisungen, mit denen eine Vielzahl von steuerlichen Vereinfachungsmaßnahmen einhergehen. Ein solches BMF-Schreiben wurde auch für „Steuerliche Maßnahmen zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten“ veröffentlicht. Darin wird bspw. bei der unentgeltlichen Bereitstellung von Gegenständen und Personal für humanitäre Zwecke von der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe abgesehen.
Daneben haben die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sowie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) die Seite wirtschafthilft.info ins Leben gerufen, auf der alle Informationen gebündelt und u.a. Hinweise zu bedarfsgerechten Spenden veröffentlicht werden.
Arbeitslohnspenden durch Arbeitgeber möglich
Schließlich kann der Arbeitgeber auch sog. Arbeitslohnspenden veranlassen, die lohnsteuerfrei sind. Dabei verzichten Mitarbeiter durch eine formlose Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber auf die Auszahlung von Teilen des Arbeitslohns oder auf Teile eines angesammelten Wertguthabens, damit sie der Arbeitgeber zugunsten der Betroffenen spendet. Sofern der Arbeitgeber den Lohnanteil auf ein Spendenkonto einer spendenempfangsberechtigten Einrichtung i.S.d. § 10b Abs. 1 S. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) einzahlt und dies dokumentiert, bleiben diese Lohnanteile bei der Feststellung des steuerpflichtigen Arbeitslohns außer Ansatz. Die einschlägige Regelung in Bezug auf den Krieg in der Ukraine findet sich dazu im BMF-Schreiben vom 17. März 2022.
Obwohl eine Spende des Arbeitslohns lohnsteuerfrei ist, wird sie nicht auch zugleich befreit von den Sozialversicherungsbeiträgen. Eine solche Arbeitslohnspende führt somit nicht automatisch zu einer Minderung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts und ist daher beitragsrechtlich unbeachtlich. Eine Ausnahme gilt zwar lt. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) für Zuwendungen zugunsten von durch inländische Naturkatastrophen Geschädigten. Da die dort genannten Voraussetzungen allerdings im Fall der Hilfe für Menschen in der Ukraine nicht erfüllt sind und noch keine anderweitige Regelung seitens des Gesetz- oder Verordnungsgebers existiert, bleiben Arbeitslohnspenden zugunsten von Menschen in der Ukraine beitragsrechtlich unbeachtlich.
Arbeitgeber sollten offene Stellen nicht unbegründet bevorzugt mit ukrainischen Geflüchteten besetzen bzw. Stellen in Job-Portalen nicht nur für ukrainische Geflüchtete ausschreiben
Ukrainischen Flüchtlingen mit einem Aufenthaltstitel – diesen erhalten sie gem. § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ohne Einzelfallprüfung – ist der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt grds. uneingeschränkt möglich. Zwar benötigen sie nach § 4a Abs. 2 AufenthG die Erlaubnis der Ausländerbehörde, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Allerdings hat das Bundesinnenministerium den Bundesländern dringend empfohlen, die Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung bereits in den Aufenthaltstitel einzutragen.
Arbeitgeber, die Stellen bevorzugt mit ukrainischen Geflüchteten besetzen bzw. Stellen in Job-Portalen nur für ukrainische Geflüchtete ausschreiben, können allerdings gegen die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verstoßen und sich damit nach § 15 Abs. 1 S. 1 AGG schadensersatzpflichtig machen. Gem. § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft benachteiligt werden. Dasselbe gilt gem. § 11 AGG für die Stellenausschreibung. Werden ukrainische Flüchtlinge im Bewerbungsverfahren aufgrund ihrer Eigenschaft als ukrainischer Flüchtling bevorzugt behandelt, dann liegt eine (mittelbare) Benachteiligung der übrigen Bewerber aufgrund der Rasse bzw. ethnischen Herkunft nahe. Diesbezüglich kennt das AGG keinen Rechtfertigungsgrund und eine Rechtfertigung dürfte im Regelfall auch insgesamt ausscheiden.
Allerdings kann die (ukrainische) Staatsangehörigkeit die Vermutung einer Diskriminierung wegen der Rasse und/oder ethnischen Herkunft nicht allein, sondern nur mit anderen Indizien – insbesondere der gemeinsamen Religion, gemeinsamen Sprache, gemeinsamen kulturellen und traditionellen Herkunft sowie gemeinsamen Lebensumgebung – begründen (BAG, Urteil v. 23. November 2017 – 8 AZR 372/16, in: NZA-RR 2018, 287 Rn. 37). Arbeitgeber, die ukrainische Flüchtlinge allein aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit bevorzugt behandeln, müssen daher grds. keinen Verstoß gegen das AGG fürchten.
Dennoch sollten sie sich der Konsequenzen eines Verstoßes bewusst sein. Der nach § 15 Abs. 1 AGG zu ersetzende Schaden ist dabei nicht zu vernachlässigen, da die Schadensersatzpflicht grds. gegenüber allen Bewerbern besteht und der zu ersetzende Schaden bis zu drei Monatsgehälter betragen kann (§ 15 Abs. 2 S. 2 AGG). Dieses Risiko können Arbeitgeber minimieren, indem sie interne Regelungen aufstellen und Maßstäbe definieren, die zur Bearbeitung von Stellenausschreibungen und Bewerbungen herangezogen werden.
Unternehmen, die zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen, stärken die eigene Position am Markt
Soziales Engagement wird in der heutigen Zeit auch für den Arbeitgeber (sog. „Corporate Citizenship“) immer wichtiger. Denn die Gesellschaft erwartet regelmäßig, dass auch Unternehmen ihren sozialen Beitrag leisten und bei gesellschaftlichen Herausforderungen aktiv sind. Für die Unterstützung von sozialem Engagement dürfte aus Unternehmenssicht insbesondere auch die positive Öffentlichkeitswirkung sprechen. Damit Arbeitgeber bei den darauf bezogenen Maßnahmen auch die rechtlichen Schwierigkeiten berücksichtigen, müssen im Einzelfall juristische Fallstricke beachtet werden, bei deren Vermeidung wir sehr gerne beratend zur Seite stehen.
*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.