29. März 2019
Unterrichtung Betriebsrat Arbeitsunfall
Arbeitsrecht

Unterrichtungsrecht des Betriebsrats bei Arbeitsunfällen von Fremdpersonal

Unfälle des eigenen Personals sind nicht gern gesehen. Was gilt aber bei Unfällen von Fremdpersonal? Das BAG hat im März 2019 hierüber entschieden.

Kommt es zu einem schweren Unfall muss dies bei der Unfallversicherung angezeigt (§ 193 Abs. 1 SGB VII) und dem Betriebsrat (§ 89 Abs. 6 BetrVG) und der Aufsichtsbehörde (§ 193 Abs. 7 SGB VII) eine Durchschrift der Anzeige ausgehändigt werden.

Nach der Entscheidung des BAG (Beschluss vom 12. März 2019 – 1 ABR 48/17) muss der Arbeitgeber den Betriebsrat auch über Arbeitsunfälle unterrichten, die Beschäftigte eines anderen Arbeitgebers in seinem Betrieb erleiden. Damit geht die Rechtsprechung des BAG ein weiteres Mal über den „Betrieb und seine Angehörigen“ hinaus und nimmt eine über die Arbeitnehmerüberlassung hinausgehende Erweiterung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats an.

Arbeitgeberin meldete Unfall von Fremdkräften weder dem Betriebsrat noch der Berufsgenossenschaft

In dem Fall des BAG erbringt eine Arbeitgeberin Zustelldienste. Neben eigenen Beschäftigten* werden auch Mitarbeiter von Fremdfirmen auf dem Betriebsgelände tätig. Anfang des Jahres 2016 erlitten zwei Mitarbeiter einer Fremdfirma auf dem Betriebsgelände der Arbeitgeberin während des Be- und Entladens der Transporter Arbeitsunfälle.

Eine Meldung dieser Unfälle seitens der Arbeitgeberin erfolgte weder gegenüber dem Betriebsrat noch der Berufsgenossenschaft. Der Betriebsrat wollte die Arbeitgeberin verpflichten, ihm eine Kopie der Anzeige an die Berufsgenossenschaft zu übersenden und ihn über Arbeitsunfälle der Mitarbeiter der beschäftigten Drittfirma zu unterrichten.

LAG Baden-Württemberg: Betriebsrat trifft keine Verantwortung für Fremdpersonal

Das AG Stuttgart lehnte im Dezember 2016 die Anträge des Betriebsrats ab (Az. 7 BV 206/16), weil keine Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Erstattung einer Anzeige für Unfälle von Arbeitnehmern ihrer Servicepartner, die sich auf ihrem Betriebsgelände ereignet haben, bestehe.

Gegen den Beschluss des AG Stuttgart legte der Betriebsrat Beschwerde ein. Mitte 2017 wies das LAG Baden-Württemberg die Beschwerde zurück (Beschluss vom 19. Juli 2017 – 21 TaBV 15/16).

Der Betriebsrat stützte seine Ansprüche auf seine Zuständigkeit für Angelegenheiten des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung. Hierbei gehe es um die Schaffung eines ausreichenden Schutzniveaus am Arbeitsplatz, was alle Personen, die auf dem Betriebsgelände der Arbeitgeberin tätig werden, betreffe. Eine Differenzierung zwischen den Beschäftigten sei mit dem Ziel der Regelung nicht vereinbar.

Die Arbeitgeberin argumentierte mit der Zuständigkeit des Betriebsrates. Es bestehe gerade keine Kompetenz des Betriebsrates für Fremdpersonal.

Das LAG betonte, dass der Betriebsrat grundsätzlich nur die Verantwortung für die eigenen Arbeitnehmer des Betriebes, welche ihn auch gewählt haben, trage. Im Rahmen der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes aus dem Jahre 2001 sei zwar der Informationsanspruch auf Arbeitnehmer erstreckt worden, die in keinem Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber stehen – als Folge werden auch Leiharbeitnehmer erfasst. Voraussetzung ist allerdings, dass der Betriebsrat diese Information für die Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben benötigt. Damit gehe jedoch nicht automatisch einher, dass sich die Überwachungspflicht des Betriebsrats auch auf Mitarbeiter von Drittfirmen erstreckt. Vielmehr müsse der Betriebsrat durch die entsprechende Auskunft in der Lage versetzt werden, zu prüfen ob sich im Hinblick auf eine Eingliederung dieser Personen etwaige Mitbestimmungsrechte ergeben. Eine Verpflichtung der Arbeitgeberin aus anderen betriebsverfassungsrechtlichen Normen lehnte das LAG ab.

BAG: Zuständigkeit des Betriebsrats auch für Fremdpersonal

Drei Jahre später ist klar: Das BAG geht einen eigenen Weg und dehnt die Unterrichtungspflicht aus. Dem Begehren des Betriebsrats zur Vorlage der Unfallanzeigen gab das BAG dagegen nicht statt.

Soweit sich dies aus der Pressemitteilung ablesen lässt, stützt sich das BAG auf die Verpflichtung des Betriebsrats zum Einsatz für Arbeitsschutz und Unfallverhütung.

Zugegebenermaßen stellt § 89 Abs. 1 BetrVG auf den „Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb“ ab und nicht auf „Arbeitnehmer“ oder – wie z.B. § 80 Abs. 2 BetrVG – auf „die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen„.

Auch die in § 8 ArbSchG geregelte Pflicht der Arbeitgeber zur Zusammenarbeit, wenn Beschäftigte mehrere Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz tätig sind, dehnt den Verantwortungsbereich aus. So muss sich nach § 8 Abs. 2 ArbSchG der Arbeitgeber – je nach Tätigkeit – vergewissern, dass die Beschäftigten anderer Arbeitgeber, die in seinem Betrieb tätig werden, über Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit während ihrer Tätigkeit in seinem Betrieb angemessene Anweisungen erhalten haben.

Bei Angelegenheiten, die im Kontext von Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb auftreten, ist nach Ansicht des BAG der Betriebsrat zu beteiligen. Aus diesen Unfällen könne der Betriebsrat für seine Zuständigkeit relevante Erkenntnisse gewinnen. Diese helfen ihm dabei, für einen erhöhten Schutz für die Arbeitnehmer am Arbeitsplatz sowie eine bessere Unfallverhütung zu sorgen. Letztlich solle davon der gesamte Betrieb profitieren.

Ob das BAG auch in seinen Entscheidungsgründe bei dieser Linie bleibt, müssen wir abwarten. Fest steht bereits schon jetzt, dass Arbeitgeber alle Unfälle im Betrieb und auch die von Fremdpersonal im Auge behalten müssen.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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