Dieser Beitrag beleuchtet, welche Beteiligungsrechte Arbeitgeber bei der Einführung von KI im Blick haben müssen.
Als neue Basistechnologie sorgt der zunehmende Einsatz von KI auch in der Arbeitswelt für grundlegende Veränderungen. Die Anwendungsbereiche von KI im Arbeitssektor sind mannigfaltig. Sie reichen vom Recruiting über Prozessoptimierung bis hin zur Personalführung. Ein wesentlicher Anwendungsfall ist zudem die Bereitstellung von KI-Instrumenten als Hilfsmittel für Arbeitnehmer* bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung.
Dem Betriebsrat stehen bei der Implementierung von KI-Anwendungen im Unternehmen je nach Einsatzgebiet, Umfang und Ausgestaltung der Anwendung verschiedene Beteiligungsrechte zu. Zu beachten sind dabei nicht nur die allgemeinen Beteiligungsrechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Der Gesetzgeber hat zudem im Rahmen des Betriebsrätemodernisierungsgesetz im Jahr 2021 spezielle KI-bezogene Regelungen geschaffen, um Betriebsräte für die Herausforderungen beim Umgang mit KI zu wappnen. Für eine reibungslose Einführung von KI im Unternehmen ist ein wohlbedachter Umgang mit diesen Rechten von zentraler Bedeutung – nicht zuletzt, um gemeinsam mit dem Betriebsrat Vertrauen und Akzeptanz für die neuen Systeme in der Belegschaft zu schaffen. Im Folgenden werden nach einer Betrachtung des KI-Begriffs die relevanten Beteiligungsrechte des Betriebsrats schlaglichtartig vorgestellt und deren Bedeutung bei der Einführung von KI eingeordnet:
Betriebsverfassungsrechtlicher KI-Begriff
Während der Begriff „Künstliche Intelligenz“ in das BetrVG aufgenommen, aber nicht definiert wurde, hat der europäische Gesetzgeber in die KI-Verordnung eine Definition aufgenommen. Nach Art. 3 Nr. 1 KI-VO handelt es sich bei KI um ein maschinenbasiertes System, das autonom arbeitet und sich nach dem Einsatz anpassen kann und Ergebnisse wie Vorhersagen oder Entscheidungen erzeugt. Es sollen gerade keine einfacheren herkömmlichen Softwaresysteme erfasst werden, die ausschließlich auf von natürlichen Personen festgelegten Regeln zur automatischen Ausführung von Vorgängen beruhen. Vielmehr wird betont, dass ein Hauptmerkmal von KI-Systemen die Fähigkeit sei, Schlussfolgerungen zu ziehen (Erwgr. 12 KI-VO).
Neben dem Begriffsverständnis auf europäischer Ebene spricht auch der Regelungszweck dafür, herkömmliche Softwareanwendungen vom KI-Begriff auszuschließen. Die KI-Regeln des BetrVG sollen Betriebsräte in die Lage versetzen, „komplexe informationstechnische Zusammenhänge zu verstehen, zu bewerten und mitzugestalten“ (BT-Drs. 19/28899, S. 14). Eine solche Komplexität besteht jedoch nur bei nicht-deterministischen KI-Systemen, die nicht vollständig vorhersehbare Arbeitsergebnisse (Outputs) erzeugen. Nicht unter den KI-Begriff fallen damit bloße deterministische Systeme, die die bei einer konkreten Eingabe einen immer identischen Output liefern. Für diese Regeln gelten vielmehr nur die allgemeinen Regeln des BetrVG.
Der Regelungszweck sowie die KI-Verordnung beschränken den KI-Begriff des BetrVG sogar noch weiter auf generative KI-Systeme. Dieser Unterfall nicht-deterministischer KI zeichnet sich dadurch aus, dass das System nicht nur unvorhersehbare, sondern selbstständig generierte (also originäre) Outputs erzeugen kann. Beispiele für solche KI-Systeme sind die bereits heute in der Arbeitswelt vielfältig genutzten Chatbots ChatGTP (OpenAI) oder Gemini (Google AI). Es ist nämlich gerade diese generative Fähigkeit, die die besondere Komplexität und das enorme Innovations- und Veränderungspotenzial moderner KI-Systeme begründet.
Informationsrechte des Betriebsrats bei Einführung von KI
Zunächst ist bei der Einführung von KI nicht nur der allgemeine Informationsanspruch des Betriebsrats aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu berücksichtigten. Danach muss der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend unterrichten. Ein zusätzliches Unterrichtungs- und Beratungsrecht speziell für die Einführung von KI hat der Gesetzgeber in § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verankert. Die Regelung sieht ausdrücklich vor, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Planung des Einsatzes von KI rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen unterrichten muss. Das korrespondierende Beratungsrecht folgt aus § 90 Abs. 2 BetrVG. Danach hat der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat die vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmer, insbesondere auf die Art ihrer Arbeit sowie die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Arbeitnehmer so rechtzeitig zu beraten, dass Vorschläge und Bedenken des Betriebsrats bei der Planung berücksichtigt werden können. Insoweit ist Arbeitgebern zu raten, diese Pflichten als Chance zu ergreifen, um den Betriebsrat bei der Einführung von KI frühzeitig „mit ins Boot zu holen“, indem offene Fragen geklärt, etwaige Bedenken ausgeräumt und die Vorzüge der Anwendungen verdeutlicht werden.
Hinzuziehung eines Sachverständigen
Eine Sonderregelung existiert auch hinsichtlich der Hinzuziehung eines Sachverständigen. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat nur dann zur Beiziehung eines Sachverständigen berechtigt, wenn dieser zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.
Geht es um die Einführung oder Anwendung von KI, wird das Vorliegen dieser Voraussetzung durch § 80 Abs. 3 Satz 2 BetrVG generell unterstellt. Die Regelung sieht vor, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich gilt, soweit der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von KI beurteilen muss. Diese Begünstigung beschränkt sich allerdings auf die Erforderlichkeitsprüfung.
Weiterhin notwendig ist ein Beschluss des Betriebsrats sowie eine Vereinbarung zwischen den Betriebsparteien über die Person des Sachverständigen, den Umfang seiner Hinzuziehung sowie die Kosten. Der Gesetzgeber geht dabei von einem Tagessatz eines Sachverständigen in Höhe von EUR 833,00 (inkl. Mehrwertsteuer) aus. Arbeitgebern ist zu empfehlen, diese niedrig angesetzte Schätzung unter Verweis auf die Gesetzesbegründung als Ausgangspunkt für die Kostenabrede heranzuziehen.
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 BetrVG
Eine zentrale Rolle bei der Einführung von KI spielen die „echten“ Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 BetrVG. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass der Arbeitgeber eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme grundsätzlich erst durchführen darf, wenn eine Einigung mit dem Betriebsrat erzielt wurde oder eine Einigungsstelle die Einigung per Spruch ersetzt hat (§ 87 Abs. 2 BetrVG). In den Blick genommen werden müssen insbesondere die Mitbestimmungstatbestände aus § 87 Abs. 1 Nrn. 1, 6 und 7 BetrVG.
Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hinsichtlich des Ordnungsverhaltens der Arbeitnehmer ist jedenfalls dann abzulehnen, wenn die KI lediglich als Hilfsmittel der Arbeitnehmer eingesetzt werden soll. Eine Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist nämlich dann ausgeschlossen, wenn eine Regelung oder Weisung lediglich die individuelle Erbringung der Arbeitsleistung und nicht das kollektive Zusammenwirken der Beschäftigten betrifft (BAG, Urteil v. 15. November 2022 – 1 ABR 5/22).
Besonders relevant bei der Einführung von KI ist hingegen das Mitbestimmungsrecht im Zusammenhang mit technischen Überwachungseinrichtungen. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen mitzubestimmen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Bei software- oder webbasierten KI-Anwendungen handelt es sich grundsätzlich um technische Einrichtungen in diesem Sinne. Nuanciert betrachtet werden muss hingegen die Frage, ob die jeweilige KI-Anwendung auch zur Überwachung der Mitarbeiter bestimmt ist. Dies ist nach der Rechtsprechung – entgegen dem Wortlaut – bereits dann der Fall, wenn die technische Einrichtung objektiv zur Überwachung des Verhaltens der Arbeitnehmer geeignet ist. Eine Überwachungsabsicht ist also nicht erforderlich. Bei der Beurteilung kommt es damit entscheidend darauf an, ob der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, auf die Nutzungsdaten seiner Beschäftigten zuzugreifen. Ist dies nicht der Fall, ist eine Überwachung durch den Arbeitgeber und damit ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ausgeschlossen. Inwieweit Dritte (hier: Anbieter der KI-Anwendung) Zugriff auf die Nutzungsdaten und damit eine Überwachungsmöglichkeit haben, ist zwar datenschutzrechtlich relevant, aber unter mitbestimmungsrechtlichen Gesichtspunkten gleichgültig. Entsprechend besteht kein Mitbestimmungsrecht, wenn die KI-Anwendung nicht vom Arbeitgeber bereitgestellt wird, sondern Arbeitnehmer einen privaten Account nutzen, auf den der Arbeitgeber keinen Zugriff hat. Bei vom Arbeitgeber selbst entwickelten KI-Systemen besteht hingegen grundsätzlich eine Zugriffsmöglichkeit, mit der Folge, dass dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht.
Denkbar ist mit Blick auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz letztlich ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Im Fokus stehen hier zum einen mögliche psychische Belastungen für Arbeitnehmer bei der Verwendung von KI. Zum anderen kann der Einsatz einer Software als Arbeitsmittel eine umfassende Gefährdungsbeurteilung nach § 3 BetrSichV erforderlich machen, die wiederum ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auslöst. Ob die jeweilige Belastungs- bzw. Gefährdungsschwelle überschritten ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Bei einem gewöhnlichen Einsatz von ChatGPT als Hilfsmittel ist jedoch davon auszugehen, dass weder eine mitbestimmungspflichtige Belastung vorliegt noch die Schwelle für eine Gefährdungsbeurteilung – konkrete Gefährdung i.S.d. § 5 Abs. 1 ArbSchG – überschritten ist.
Sonstige Mitbestimmungsrechte
Darüber hinaus ist das Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats aus § 94 BetrVG zu beachten, wenn die KI im Zusammenhang mit Personalfragebogen oder Beurteilungsgrundsätzen eingesetzt wird. Unter Personalfragebogen ist eine formularmäßige Zusammenfassung von Fragen über die persönlichen Verhältnisse – insbesondere Eignung, Kenntnisse und Fähigkeiten – zu verstehen (BAG, Urteil v. 21. September 1993 – 1 ABR 28/93). Zustimmungspflichtig ist damit beispielsweise der Einsatz eines Chatbots in der ersten Runde eines Bewerbungsverfahrens, der vorgegebene und / oder selbstständig generierte Fragen an die Bewerber richtet. Zudem steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 95 BetrVG bei der Aufstellung von Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen zu. Dass auch der Einsatz von KI bei der Aufstellung solcher Auswahlrichtlinien mitbestimmungspflichtig ist, hat der Gesetzgeber ausdrücklich in § 95 Abs. 2 a BetrVG klargestellt. Nicht zu vergessen sind schließlich die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Berufsbildung und Qualifizierung der Arbeitnehmer nach §§ 96 ff. BetrVG, die auch Schulungen der Arbeitnehmer im Umgang mit KI umfassen.
Einführung von KI ist regelmäßig keine Betriebsänderung
Letztlich stellt die Einführung von KI im Unternehmen in der Regel keine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG dar. Insbesondere fehlt es der Einführung von KI-Systemen im derzeit üblichen Umfang an einer erheblichen Bedeutung für den gesamten Betriebsablauf, die Voraussetzung für eine Betriebsänderung nach § 111 Satz 3 Nrn. 4 und 5 BetrVG ist. Dies gilt vor allem dann, wenn die KI den Arbeitnehmern lediglich als Hilfsmittel zur Erfüllung ihrer ansonsten unveränderten Arbeitspflichten zur Verfügung gestellt wird.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.