In vielen Unternehmen arbeiten Syndikusrechtsanwälte. Worauf sie achten müssen, zeigt ein Beschluss des LAG-Baden-Württemberg, der in einem Kündigungsschutzprozess erging.
Ein Rechtsanwalt* übt seinen Beruf entweder selbständig, also in eigener Kanzlei oder als Partner einer Sozietät, oder nichtselbständig, also als Angestellter, aus. Das Anstellungsverhältnis kann zu einer Anwaltssozietät oder einem anderen Arbeitgeber bestehen (§ 46 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BRAO). Besteht es nicht zu einer Anwaltssozietät, sondern einem anderen Arbeitgeber, führt der Anwalt nach erfolgreichem Zulassungsverfahren die Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)“ (§ 46a Abs. 4 Nr. 3 BRAO). Er darf dann nur seinem Arbeitgeber oder mit ihm verbundenen Unternehmen Rechtsrat erteilen (§ 46 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 BRAO), ausnahmsweise und in engem Rahmen auch Kunden seines Arbeitgebers (§ 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 und 3, Abs. 6 BRAO).
Der Syndikusrechtsanwalt darf in vielen Fällen nicht vor Gericht auftreten
Ein großer Unterschied zwischen einem Rechtsanwalt und einem Syndikusrechtsanwalt ist die Postulationsfähigkeit, also die Fähigkeit, vor Gericht aufzutreten. Der Syndikusrechtsanwalt darf seinen Arbeitgeber vor allen Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichten vertreten, vor den Zivil- und Arbeitsgerichten aber nur, soweit kein Anwaltszwang herrscht, also eine Partei den Prozess auch ohne Anwalt führen kann. Das hat zur Folge, dass der Syndikusrechtsanwalt nur vor dem Amts- und Arbeitsgericht auftreten kann, nicht aber vor dem Landgericht, Oberlandesgericht, Landesarbeitsgericht und dem Bundesarbeitsgericht (§ 46c Abs. 2 Satz 1 BRAO i. V. m. § 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG).
Der Gesetzgeber wollte damit Waffengleichheit vor Gericht gewährleisten. Er wollte verhindern, dass Einzelperson oder kleine und mittlere Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung einen Rechtsanwalt bezahlen müssen und große Unternehmen ihr Kostenrisiko dadurch verringern können, dass sie sich von ihrem Syndikusrechtsanwalt vertreten lassen (Bundestags-Drucksache 18/5201, S. 37). Daher ist dem Syndikusrechtsanwalt ein Auftreten vor den Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichten gestattet, weil sich dort auch Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts ohne Anwaltskosten, nämlich durch ihre Beschäftigten mit Befähigung zum Richteramt, vertreten lassen können und sich somit dort das Ungleichgewicht ohnehin nicht verhindern lässt.
Der Syndikusrechtsanwalt muss klarstellen, in welcher Funktion er handelt
Viele Syndikusrechtsanwälte sind neben ihrer Tätigkeit im Unternehmen auch als „normale“ Rechtsanwälte zugelassen, wobei die meisten ihre eigene Kanzlei unter ihrer Wohnanschrift betreiben. In der Funktion als Rechtsanwalt können sie ihren Arbeitgeber auch vor dem Land-, Oberlandes- und Landesarbeitsgericht vertreten. Sie müssen dann aber deutlich machen, dass sie als Rechtsanwälte und nicht als Syndikusrechtsanwälte auftreten. Da sie zwei besondere elektronische Anwaltspostfächer (beA) haben, nämlich eines für ihre Tätigkeit als Rechtsanwalt und eines für ihre Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt, kann man meist am verwandten Postfach erkennen, in welcher Eigenschaft sie handeln.
Über einen Fall, in dem sich das nicht eindeutig feststellen ließ, entschied das LAG Baden-Württemberg (Beschluss v. 11. April 2024 – 4 Sa 12/24). Der Anwalt hatte Berufung für die Beklagte, seine Arbeitgeberin, auf dem Briefbogen der Arbeitgeberin eingelegt, im Briefkopf seine dienstliche Telefonnummer und dienstliche E-Mail-Adresse angegeben, zwar im Rubrum des Schriftsatzes als Prozessbevollmächtigten sich mit seiner Wohnanschrift angegeben, aber am Ende des Schriftsatzes nach seinem Vor- und Nachnamen drei Titel angegeben, nämlich „Rechtsanwalt“, „Fachanwalt für Arbeitsrecht“ und „Syndikusrechtsanwalt“. Versandt hatte er den Schriftsatz aus seinem für die Rechtsanwaltstätigkeit eingerichteten besonderen Anwaltspostfach. Allerdings hatte er dieses Postfach auch schon für den Versand seiner erstinstanzlichen Schriftsätze genutzt, obwohl er in erster Instanz eindeutig als Syndikusrechtsanwalt tätig geworden war.
Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, für die der Syndikusrechtsanwalt handelt
Das LAG Baden-Württemberg meinte, es lasse sich nicht eindeutig ermitteln, ob der Anwalt die Berufung in seiner Funktion als Syndikusrechtsanwalt oder in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt eingelegt habe. Zwar spreche das Rubrum dafür, dass er als Rechtsanwalt tätig geworden sei. Relativiert werde das aber dadurch, dass er keinen Briefbogen seiner Kanzlei, sondern den Briefbogen seiner Arbeitgeberin verwandt und für eine Kontaktaufnahme seine dienstliche Telefonnummer und dienstliche E-Mail-Adresse angegeben habe. Das sei sehr ungewöhnlich für einen Rechtsanwalt, weil ein Rechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) üblicherweise nicht den Briefbogen seiner Mandantin verwende.
Die Angaben am Ende des Schriftsatzes, so das LAG Baden-Württemberg, sorgten für keine Klarheit, weil dort drei Titel stünden. Auch die Verwendung des für die Rechtsanwaltstätigkeit eingerichteten besonderen Anwaltspostfachs sei kein eindeutiges Indiz, weil der Syndikusrechtsanwalt dieses Postfach schon in erster Instanz verwandt und somit zweckentfremdet habe, weil er damals eindeutig nicht als Rechtsanwalt, sondern als Syndikusrechtsanwalt tätig geworden sei. Da die Unklarheit, in welcher Funktion der Anwalt tätig geworden sei, zu Lasten der Beklagten gehe, sei die Berufung der Beklagten unzulässig. Folge hiervon war, dass das der Arbeitnehmerin günstige erstinstanzliche Urteil im Ergebnis bestätigt wurde.
LAG Baden-Württemberg ließ die Revisionsbeschwerde zu
Das LAG Baden-Württemberg ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die Revisionsbeschwerde (§ 77 ArbGG) zum Bundesarbeitsgericht zu. Wird sie eingelegt, spricht viel dafür, dass das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung bestätigt. Denn der Syndikusrechtsanwalt hat es in der Hand, für klare Verhältnisse zu sorgen. Hier war die Verwendung des Briefbogens der Arbeitgeberin ein sehr starkes Indiz dafür, dass der Anwalt nicht als Rechtsanwalt, sondern als Syndikusrechtsanwalt tätig wurde. Denn hätte er als Rechtsanwalt handeln wollen, hätte es keinen vernünftigen Grund gegeben, anstelle des eigenen Kanzleibriefbogens das Briefpapier der Arbeitgeberin zu verwenden.
Ein Syndikusrechtsanwalt muss seine Rolle deutlich machen
Ein Syndikusrechtsanwalt muss immer deutlich machen, in welcher Rolle er vor Gericht aktiv wird: als Syndikusrechtsanwalt (dann mit den obigen Einschränkungen bei der Postulationsfähigkeit, aber ohne, dass ihm sein Arbeitgeber ein Honorar nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz schuldet) oder als Rechtsanwalt (dann ohne Einschränkungen bei der Postulationsfähigkeit, aber mit der Pflicht seines Arbeitgebers, die Tätigkeit nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu entlohnen).
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.