23. November 2016
Urlaubsabgeltung Erben
Arbeitsrecht

Urlaubsabgeltungsanspruch der Erben bei Tod des Arbeitsnehmers

Bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis kann der Urlaubsabgeltungsanspruch von den Erben geltend gemacht werden.

Gemäß § 7 Abs. 4 BurlG ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Das BAG entschied (Urteil vom 22.09.2015 – 9 AZR 170/14), dass der entstandene Urlaubsabgeltungsanspruch auch vererbbar sei.

EuGH: Urlaubsabgeltungsanspruch der Erben, wenn Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis stirbt

Das BAG entschied am 12. März 2013 (9 AZR 532/11) zunächst, dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers mit seinem Tod untergehe und sich nicht in einen Abgeltungsanspruch i.S.v. § 7 Abs. 4 BurlG umwandeln könne.

Der EuGH sah dies in seiner „Bollacke″-Entscheidung jedoch anders. Er hielt fest, dass ein Urlaubsabgeltungsanspruch der Erben auch dann entstehe, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers ende (EuGH, Urteil vom 12.06.2014 – C-118/13). Lebt der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch, geht sein Abgeltungsanspruch nach § 1922 Abs. 1 BGB unproblematisch auf die Erben über.

Das Unionsrecht stehe daher einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegen, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergehe, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers ende.

Landesgerichte: bestehende gesetzliche Urlaubsansprüche sind vererbbar

Das LAG Düsseldorf hatte mit Urteilen vom 29. Oktober 2015 (11 Sa 537/15) und vom 15. Dezember 2015 (3 Sa 21/15) entschieden, dass aufgrund der Rechtsprechung des EuGH beim Tod eines Arbeitnehmers noch bestehende gesetzliche Urlaubsansprüche an die Erben abzugelten seien. Dem schloss sich das LAG Köln am 14. Juli 2016 (8 Sa 324/16) an.

BAG: Vorlagefragen zum EuGH

Dem BAG liegt ein Fall vor, in welchem eine Ehefrau vom Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemanns die Abgeltung des Erholungsurlaubs verlangte, der diesem vor seinem Tod zustand. Die Frau ist Alleinerbin. Sie ist der Auffassung, dass ihr dieser Anspruch aufgrund der EuGH Rechtsprechung aus dem Jahr 2014 zustehe.

Der 9. Senat des BAG kam hier zu keiner Entscheidung. Vielmehr legte er am 18. Oktober 2016 (9 AZR 196/16 (A)) dem EuGH folgende Fragen vor:

  • Räumt das europäische Recht (im Einzelnen Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 und Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC)) dem Erben eines während des Arbeitsverhältnisses verstorbenen Arbeitnehmers einen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich für den dem Arbeitnehmer vor seinem Tod zustehenden Mindestjahresurlaub ein, was nach geltendem deutschen Recht (§ 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB) ausgeschlossen ist?
  • Falls diese Frage bejaht wird: Gilt dies auch, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen zwei Privatpersonen besteht?

Zur Begründung geht das BAG auf die „Bollacke″-Entscheidung des EuGH ein. Zwar sei Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegenstehe, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne finanziellen Ausgleich untergehe, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Er habe jedoch nicht die Frage entschieden, ob der Anspruch auf finanziellen Ausgleich auch dann Teil der Erbmasse werde, wenn das nationale Erbrecht dies ausschließe.

Darüber hinaus sei nicht geklärt, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 GRC auch in den Fällen eine erbrechtliche Wirkung zukomme, in denen das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen bestand.

Ferner bestehe auch noch Klärungsbedarf bezüglich des Untergangs des vom Unionsrecht garantierten Mindestjahresurlaubs. In der Rechtsprechung des EuGH sei anerkannt, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub untergehen könne, wenn der Urlaub für den Arbeitnehmer keine positive Wirkung als Erholungszeit mehr habe. Letzteres sei nach dem Tod des Arbeitnehmers aber der Fall, weil in der Person des verstorbenen Arbeitnehmers der Erholungszweck nicht mehr verwirklicht werden könne.

Der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat am selben Tag den EuGH um Vorabentscheidung in einem ähnlich gelagerten Rechtsstreit ersucht, in dem die Erbin eines während des Arbeitsverhältnisses verstorbenen Arbeitnehmers von einer öffentlichen Arbeitgeberin die Abgeltung des ihrem Ehemann vor seinem Tod zustehenden Urlaubs verlangt hat (BAG vom 18. Oktober 2016 – 9 AZR 45/16 (A)).

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