31. Mai 2021
Homeoffice Mitbestimmung Betriebsrat
Arbeitsrecht

Versetzungen rund um das Homeoffice: Mitbestimmung beachten!

Eine Entscheidung des LAG Hessen gibt Anlass, sich mit der betriebsverfassungsrechtlichen Versetzung rund um das Homeoffice zu beschäftigen.

Das Arbeiten im Homeoffice wirft neue Fragen in Bezug auf die Beteiligungsrechte von Betriebsräten auf. Das LAG Hessen (Beschluss v. 14. Januar 2020 – 4 TaBV 5/19) stuft die organisatorische Zuordnung eines Arbeitnehmers an eine andere Betriebsstätte auch dann als mitbestimmungspflichtige Versetzung ein, wenn sich weder die Aufgaben noch der Vorgesetzte ändern und er weiter im Homeoffice tätig bleibt.

Vor einer Versetzung kann der Betriebsrat zu unterrichten und dessen Zustimmung einzuholen sein

Ganz allgemein sind bei einer Versetzung drei arbeitsrechtliche Ebenen zu beachten, nämlich:

  • Die individualrechtliche Ebene, bei der es darum geht, ob der Arbeitgeber qua Arbeitsvertrag im Rahmen seines Direktionsrechts oder eines Versetzungsvorbehalts befugt ist, dem Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit zu zuweisen.
  • Die tatsächliche Zuweisung eines neuen Arbeitsbereichs als Vollzug der individualrechtlichen Versetzung und damit ein Realakt des Arbeitgebers.
  • Die betriebsverfassungsrechtliche Ebene mit dem Vetorecht des zuständigen Betriebsrats bzw. bei einer örtlichen Versetzung des abgebenden und des aufnehmenden Betriebsrats.

Auf der dritten Ebene geht es um die Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten nach § 99 Abs. 1 BetrVG, wonach Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den bzw. die zuständigen Betriebsräte vor jeder Versetzung zu unterrichten und ihre Zustimmung einzuholen hat. 

Eine ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats ausgesprochene Versetzung ist auch individualrechtlich unwirksam und berechtigt den Arbeitnehmer, die Arbeit zu den geänderten Bedingungen zu verweigern. Die verschiedenen Ebenen sind demnach miteinander verbunden und deshalb insgesamt für die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer Versetzung relevant.

Mitbestimmung des Betriebsrates beim Wechsel „ins″ und „aus″ dem Homeoffice

Nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriff in § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG liegt eine mitbestimmungspflichtige Versetzung vor, wenn einem Arbeitnehmer in tatsächlicher Hinsicht ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen wird und diese Zuweisung einen Monat überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der äußeren Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. 

Hiervon ausgehend benötigt der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats, wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz von einer Betriebsstätte „in″ das Homeoffice verlagern soll. Der damit verbundene Wechsel des Arbeitsorts stellt nach allgemeiner Anschauung eine Versetzung dar, denn der Arbeitsort gehört ohne weiteres zum Arbeitsbereich. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer nicht seine gesamte wöchentliche Arbeitszeit im Homeoffice verbringen soll, sondern etwa nur tagesweise (sog. alternierende Telearbeit). 

Sofern die Zuweisung des Homeoffice Arbeitsplatzes nicht dauerhaft erfolgt, kommt es für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats darauf an, ob im Einzelfall eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände gegeben ist. Dies ist nicht nur räumlich, sondern auch funktional zu beurteilen, denn die Einbindung eines Arbeitnehmers in den Betriebsablauf und seine Aufgabeerfüllung kann technisch und/oder organisatorisch eine völlig andere sein als bei einer Erbringung der Arbeitsleistung vor Ort. 

Gleiches gilt für den umgekehrten Vorgang, wenn der Arbeitnehmer nicht länger im Homeoffice, sondern künftig dauerhaft oder zumindest vorrübergehend wieder in der betrieblichen Arbeitsstätte tätig werden soll. Arbeitet der Arbeitnehmer allerdings nur hin und wieder, also gelegentlich von zu Hause, behält aber seinen betrieblichen Arbeitsplatz, liegt keine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn vor (z.B., wenn es der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern freistellt, an ein bis zwei Tagen pro Woche von zu Hause zu arbeiten, sofern betriebliche Gründe nicht entgegenstehen).

Mitbestimmung auch bei Versetzung „im″ Homeoffice

In dem Fall, den das LAG Hessen zu entscheiden hatte, ging es nicht um eine räumliche Versetzung „ins″ oder „aus″ dem Homeoffice, sondern um die Frage, ob die bloße Zuordnung eines im Homeoffice tätigen Arbeitnehmers zu einer anderen betrieblichen Arbeitsstätte eine mitbestimmungspflichtige Versetzung darstellt. 

Die beklagte Arbeitgeberin war ein IT-Dienstleister. Sie verfügte bis März 2017 über vier Betriebsstätten. Drei der Betriebsstätten wurden geschlossen und in der vierten Betriebsstätte zusammengeführt. Die verbleibende Betriebsstätte wurde nach „G″ verlagert. 34 in den drei geschlossenen Betriebsstätten beschäftigte Arbeitnehmer wechselten anlässlich der Schließung ihrer jeweiligen Betriebsstätte in Homeoffices. Die Arbeitgeberin unterrichtete den Betriebsrat über die „Versetzung″ der 34 Arbeitnehmer „nach G … unter Zuweisung eines dauerhaften Homeoffice″. Sie beantragte nach dem Widerspruch des Betriebsrats beim Arbeitsgericht, die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung nach §§ 99 Abs. 4, 100 BetrVG zu ersetzen. Zudem beantragte sie hilfsweise die Feststellung, dass die Zuordnungen der betroffenen Mitarbeiter an die verlagerte Betriebsstätte nicht zustimmungsbedürftige Versetzungen im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG sind. 

Nachdem der Hauptantrag aus formellen Gründen abgewiesen wurde, verwies das LAG Hessen für den Feststellungantrag auf den Wortlaut des § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs setzt voraus, dass 

sich die Tätigkeit eines Arbeitnehmers für einen mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachter als eine andere

darstellt. Fehlt es an einer räumlichen Veränderung des Arbeitsplatzes, kann sich die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs auch aus einer Änderung der Position des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit ergeben. 

Obwohl sich der Inhalt der Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer, ihr tatsächlicher Arbeitsort im Homeoffice und auch der fachliche Vorgesetzte durch die Zuordnung zu einer anderen Betriebsstätte nicht geändert haben, bejahte das Hessische LAG eine betriebsverfassungsrechtliche Versetzung. Die Zuordnung zu einer anderen Betriebsstätte stellt auch dann eine Änderung der Position in der betrieblichen Organisation dar, wenn der Arbeitsort unverändert im Homeoffice bleibt. Auch dann wird der Arbeitnehmer fachlich einem anderen Teil der Betriebsorganisation zugeordnet. Durch die Neuzuordnung ändert sich für die betroffenen Arbeitnehmer nach Auffassung des LAG Hessen die Stellung innerhalb der Betriebsorganisation. 

Gegen den Beschluss des Hessischen LAG wurde beim BAG unter dem Az. 1 ABR 13/20 Rechtsbeschwerde eingelegt, über die am 22. September 2021 entschieden werden soll.

Tipp für die Praxis: Im Zweifel eine Versetzung annehmen

Arbeitgeber sind gut beraten, nicht nur beim Wechsel „in″ oder „aus″ dem Homeoffice, sondern auch bei der bloßen Zuordnung eines Homeoffice Arbeitsplatzes zu einer anderen als der bisherigen Betriebsstätte vorsorglich das Zustimmungsverfahren nach § 99 BetrVG einzuleiten. Letzteres – bis das BAG im September 2021 für Klarheit sorgt – auch dann, wenn sich durch die Zuordnung nichts an der Art der Tätigkeit, dem Ort (Homeoffice) und dem Vorgesetzten des Arbeitnehmers verändert und ein „vertrauter Beobachter″ deshalb eher dazu tendieren würde, eine Veränderung des Arbeitsbereichs und damit eine betriebsverfassungsrechtliche Versetzung abzulehnen. 

Das Erfordernis den Betriebsrat zu beteiligen besteht außerdem nicht nur bei einer veränderten Zuordnung eines Arbeitnehmers im Homeoffice im Einzelfall. Es besteht auch bei der Umsetzung von Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG, wo zunehmend die Möglichkeit von Homeoffice mit den Betriebsräten vereinbart wird und eine Zuordnung zu einer (anderen) Betriebsstätte erfolgen muss.

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