Ein Vorvertrag zum Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist zulässig, wenn die Option des Arbeitgebers zeitlich beschränkt ist.
Durch einen Vorvertrag wird die Verpflichtung begründet, demnächst einen Hauptvertrag zu schließen. Dieser Hauptvertrag kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sein.
Wird ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot – egal ob in einem Vor- oder einem Hauptvertrag – ungenügend vereinbart, können sowohl die Unwirksamkeit der Abrede als auch ihre Unverbindlichkeit die Folge sein. Schon bei der Formulierung eines wirksamen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots stellen sich mithin die ersten Schwierigkeiten ein. Die Unverbindlichkeit führt zu einem Wahlrecht des Arbeitnehmers*, sich von dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zu lösen oder daran festzuhalten. Der Arbeitnehmer kann also entweder Konkurrenztätigkeiten durchführen oder auf Konkurrenztätigkeit verzichten und dafür eine Karenzentschädigung erhalten.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat in einer Entscheidung vom 10. Januar 2018 (Az.: 7 Sa 185/17) die in der Praxis immer wieder vorkommende Gestaltungsmöglichkeit eines Vorvertrages zu einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot für Arbeitgeber als zulässig erachtet. Bei dieser Gestaltungsmöglichkeit kann der Arbeitgeber die unternehmerische Entscheidung, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot notwendig ist, aufschieben. Das Landesarbeitsgericht hat die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts weitergeführt und zudem konkretisiert, welche Anforderungen an die Formulierung des Vorvertrages zu stellen sind.
Kombination von Arbeitsvertrag und Anlage – Hauptvertrag oder Vorvertrag?
Ein ehemaliger Vertriebsmitarbeiter einer Netzwerktechnikfirma begehrte nach Ende seines Arbeitsverhältnisses von dem Unternehmen die Zahlung einer Karenzentschädigung. Er war der Ansicht, zwischen ihm und dem Unternehmen sei ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart worden.
In seinem Arbeitsvertrag fand sich folgender § 20:
§ 20 nachvertragliches Wettbewerbsverbot/Vorvertrag
Der Mitarbeiter erklärt sich bereit, auf Verlangen des Unternehmens ein Wettbewerbsverbot für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zu einer Dauer von maximal zwei Jahren (aber auch kürzer) zu vereinbaren, das der Anlage 1 zu diesem Vertrag entspricht. Das Verlangen kann gestellt werden, solange der Arbeitsvertrag nicht von einer Vertragspartei gekündigt wurde.
In der Anlage 1 war dem Arbeitsvertrag ein ausformuliertes nachvertragliches Wettbewerbsverbot beigefügt. Die Parteien haben am selben Datum sowohl den Arbeitsvertrag als auch die Anlage 1 unterschrieben.
Der Kläger vertrat die Auffassung, mit der Unterschrift des Arbeitsvertrages sowie der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag sei ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot abgeschlossen worden. Es handele sich nicht um einen bloßen Vorvertrag, bei dem die endgültige Entscheidung über den Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes zu einem späteren Zeitpunkt dem Unternehmen überlassen bliebe.
Seine Auffassung begründete der Vertriebsmitarbeiter wie folgt: Bereits aus dem Wortlaut der unterschriebenen Anlage 1 ergebe sich der Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots. Auf Seiten des Unternehmens sei kein anerkennenswertes Interesse gegeben, sich die Entscheidung über den Abschluss eines Wettbewerbsverbots durch einen Vorvertrag vorzubehalten. Selbst wenn es sich bei der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag aber um einen Vorvertrag handeln sollte, so sei dieser nach Ansicht des Klägers unverbindlich. Er habe dann nach seiner Auffassung ein Wahlrecht, ob er das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gegen sich gelten lassen wolle oder nicht.
Die Beklagte argumentierte dagegen, es handele sich schon ausweislich der Formulierung von § 20 des Arbeitsvertrags um einen Vorvertrag. Die Ausformulierung in der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag habe stattgefunden, damit exakt bestimmt werden könne, welchen Inhalt ein Wettbewerbsverbot auf Verlangen der Beklagten habe. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags habe im Hinblick auf die vereinbarte Probezeit und die Neueröffnung der Niederlassung, in der der Kläger tätig wurde, gerade noch kein verbindliches nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart werden sollen. Der Vorvertrag sei für den Mitarbeiter darüber hinaus auch nicht unverbindlich. Da das Recht, den Abschluss des nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zu verlangen, ausdrücklich auf einen Zeitpunkt beschränkt wurde, zu dem das Arbeitsverhältnis noch nicht von den Parteien gekündigt worden ist, habe der Kläger nicht befürchten müssen, nach Ausspruch einer Kündigung von der Beklagten für eine Konkurrenztätigkeit gesperrt zu werden. Da die Beklagte den aufgrund des Vorvertrags bestehenden Anspruch auf Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nicht geltend gemacht habe, bestehe kein Anspruch des Klägers auf die eingeklagte Karenzentschädigung.
BAG: Vorverträge grundsätzlich auch bei Wettbewerbsverboten zulässig
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in einer Entscheidung vom 14. Juli 2010 – 10 AZR 291/10 mit einem Vorvertrag befasst, der es dem Arbeitgeber ohne jede zeitliche Begrenzung erlaubte, den Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots zu verlangen.
Im Gegensatz zum vorliegenden Fall sollte der Arbeitgeber auch noch nach Kündigungserklärung den Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots einfordern können. Einen solchen Vorvertrag hielt das Bundesarbeitsgericht für unverbindlich.
Das Bundesarbeitsgericht führte zum Vorvertrag zunächst grundsätzlich aus:
Vorverträge sind aufgrund der Vertragsfreiheit auch bei Wettbewerbsverboten im Grundsatz zulässig. Es kann dafür ein berechtigtes Interesse bestehen, wenn bei Abschluss des Arbeitsvertrags eine künftige Entwicklung des Mitarbeiters, die Weiterentwicklung der schutzwerten wettbewerblichen Interessen des Arbeitgebers oder dessen finanzielle Belastbarkeit nicht hinreichend absehbar sind.
Unbilligkeit eines zeitlich unbeschränkten Vorvertrages zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot
Im Anschluss an eine Entscheidung aus dem Jahr 1969 (BAG vom 18. April 1969 – 3 AZR 154/68) fordert das Bundesarbeitsgericht aber, dass für den Arbeitnehmer nicht bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses unklar sein dürfe, ob er eine Konkurrenztätigkeit aufnehmen darf oder nicht. Sollte der Arbeitgeber auch nach Ausspruch einer Kündigung noch den Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots einfordern können, könne der Arbeitnehmer nie sicher sein, welchen Anschlussarbeitsplatz er annehmen dürfe. Es bestünde die Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer eine Anschlussbeschäftigung bei einem Konkurrenzunternehmen annehme und der aktuelle Arbeitgeber erst dann den Abschluss des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots einfordere. Der Arbeitnehmer könnte die Verpflichtung gegenüber seinem Anschlussarbeitgeber dann nicht erfüllen und wäre diesem gegenüber im schlimmsten Fall zum Schadensersatz verpflichtet. Der Vertragsbruch dem Anschlussarbeitgeber gegenüber wäre nur mit einem Verstoß gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot möglich. Eine derartige „Zwickmühle″ würde das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers unbillig erschweren. Die Folge dieser Unbilligkeit des Vorvertrages ist dessen Unverbindlichkeit. Der Arbeitnehmer hat ein Wahlrecht, ob er an dessen Bestand festhalten möchte oder nicht.
Die bisherige Rechtsprechung behandelte somit den Fall, dass der Arbeitgeber bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots verlangen konnte. Ob eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers auch dann vorliegen kann, wenn die Option des Arbeitgebers bis zum Zeitpunkt einer Kündigungserklärung oder Abschluss eines Aufhebungsvertrags beschränkt wird, ließ das Bundesarbeitsgericht offen. Dazu äußerte sich nun das Landesarbeitsgericht Düsseldorf.
LAG Düsseldorf: Vorvertrag zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot wirksam
Das Landesarbeitsgericht ist der Ansicht, es handele sich im oben geschilderten Fall um einen Vorvertrag, nicht um ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Dieser Vorvertrag sei auch wirksam und für den Arbeitnehmer nicht nur unverbindlich.
§ 20 des Arbeitsvertrags sei bereits nach seinem Wortlaut eindeutig und klar. Hierzu das Landesarbeitsgericht:
Der Kläger hat sich nach § 20 verpflichtet, auf Verlangen der Beklagten ein Wettbewerbsverbot für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren, das inhaltlich der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag „entspricht″. Ausgehend von diesem Wortlaut hat der Kläger sich mithin dazu verpflichtet – eventuell, nämlich erst auf Verlangen der Beklagten – zu einem ungewissen Zeitpunkt in der Zukunft ein der Anlage 1 entsprechendes Wettbewerbsverbot mit der Beklagten abzuschließen.
Der Vorvertrag sei auch verbindlich, da der Kläger nicht wie in den bisher entschiedenen Fällen des Bundesarbeitsgerichts in seinem beruflichen Fortkommen unangemessen beschwert sei. Durch die zeitliche Begrenzung bis zu einer Kündigungserklärung oder dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags kann sich der Arbeitnehmer während des bestehenden Arbeitsverhältnisses uneingeschränkt auch bei Konkurrenzunternehmen bewerben. Kündigt er dann das Arbeitsverhältnis, weil er eine Stelle bei einem Konkurrenten antreten will, muss er keine Erschwernis durch den bisherigen Arbeitgeber in Form eines dann eingeforderten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots befürchten.
Berechtigtes Interesse am Abschluss eines Vorvertrages bei neuen Mitarbeitern
Bei der Beklagten habe auch ein berechtigtes Interesse an einem Vorvertrag bestanden. Der Kläger arbeitete in einer erst zeitlich mit seinem Tätigkeitsbeginn eröffneten Niederlassung. Wie sich die Niederlassung und die Zusammenarbeit mit dem Kläger entwickeln würden, sei nicht abzusehen gewesen. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, nicht sofort über den Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots zu entscheiden, sei insbesondere bei einem Vertriebsmitarbeiter naheliegend.
Da das Landesarbeitsgericht insbesondere auch auf die unklare Entwicklung der Zusammenarbeit mit dem Kläger abstellt, wird man davon ausgehen können, dass ein solches berechtigtes Interesse bei neuen Mitarbeitern regelmäßig gegeben ist.
Hinweise für die Praxis – Gestaltungsmöglichkeit des Arbeitgebers
Mit der Entscheidung vom 10. Januar 2018 hat das Landesarbeitsgericht eine in der Praxis immer wieder vorkommende Gestaltungsmöglichkeit bestätigt. Die Vorteile des Vorvertrags liegen auf der Hand:
Bei Abschluss des Arbeitsvertrags ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot im Gesamtpaket für den Arbeitgeber am einfachsten zu verhandeln und zu rechtfertigen. Im späteren Verlauf wird der Arbeitnehmer aus unterschiedlichen Gründen vielleicht nicht bereit sein, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu unterschreiben. Dieser aus verhandlungstechnischer Sicht günstige Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags hat allerdings den Nachteil, dass zu diesem Zeitpunkt für den Arbeitgeber oftmals noch nicht fest steht, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bei dem konkreten Arbeitnehmer sinnvoll ist. Diesen Nachteil kann man durch den Abschluss eines Vorvertrags umgehen. Dem Arbeitgeber bleibt so die Möglichkeit, zunächst die Probezeit und den tatsächlichen Einsatz des Mitarbeiters abzuwarten, bevor er die Verpflichtung der Zahlung einer Karenzentschädigung eingeht.
Falls Sie von der Möglichkeit eines Vorvertrags keinen Gebrauch gemacht haben gilt: Ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bereits verbindlich vereinbart worden und nicht mehr im Interesse des Arbeitgebers, so bleibt diesem im laufenden Arbeitsverhältnis die Möglichkeit des einseitigen Verzichts auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nach § 75a HGB oder eine diesbezügliche Einigung mit dem Arbeitnehmer.
* Zur besseren Lesbarkeit verzichten wir auf eine geschlechterspezifische Differenzierung. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter.