4. Dezember 2022
Kerzen
Arbeitsrecht

Weihnachtsgeld und Stichtagsregelungen – (keine) Bescherung für ausscheidende Mitarbeiter?

Stichtagsklauseln bei Weihnachtsgeld (und anderen Sonderzahlungen) können unangemessen und damit unwirksam sein. Entscheidend ist der Zweck der Regelung.

In vielen Unternehmen ist es üblich, Arbeitnehmern* am Ende des Jahres zusätzlich zum laufenden Entgelt ein „Extra“ in Form eines Weihnachtsgelds zu zahlen. Dies betrifft nach jüngsten Studien mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland. Doch was ist mit Arbeitnehmern, die unterjährig aus dem Unternehmen ausscheiden oder zu einem bestimmten Stichtag nicht in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen?

Anspruchsausschluss durch Stichtagsregelung?

Häufig sehen Arbeitsverträge vor, dass die Zahlung von Weihnachtsgeld oder anderen Sonderzahlungen von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängt.

Sonderzahlung mit Mischcharakter

Zwar können Sonderzahlungen nach der Rechtsprechung grundsätzlich davon abhängig gemacht werden, dass sich der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Stichtag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits in seiner Entscheidung vom 18. Januar 2012 (Az. 10 AZR 667/10) klargestellt, dass Sonderzahlungen, die sowohl an bisher erbrachte Leistungen anknüpfen als auch als Anreiz für eine künftige Betriebstreue dienen (Sonderzahlung mit Mischcharakter), nicht an einen Stichtag außerhalb des Bezugszeitraumes geknüpft werden dürfen. Dies widerspreche dem wesentlichen Grundgedanken, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für seine erbrachte Gegenleistung zusteht. Verfolgt der Arbeitgeber dagegen andere Zwecke als die Vergütung der erbrachten Arbeitsleistung, müsse sich dies deutlich aus der zu Grunde liegenden Vereinbarung ergeben. Diese Grundsätze hat das BAG in seinem Urteil vom 13. Mai 2015 (Az. 10 AZR 266/14) nochmals bestätigt.

Besonderheit bei tarifvertraglichen Regelungen

Anders sieht die Rechtslage dagegen aus, wenn der Stichtag in einem Tarifvertrag geregelt ist. So hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 27. Juni 2018 (Az. 10 AZR 290/17) festgestellt, dass in Tarifverträgen der Anspruch auf eine Sonderzahlung auch dann von einem Stichtag außerhalb des Bezugszeitraums abhängig gemacht werden kann, wenn mit der Zahlung zumindest auch die erbrachte Arbeitsleistung vergütet werden soll. Ausschlaggebend für diesen Unterschied ist der weite Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien.

Höhe der Sonderzahlung

Ob eine Sonderzahlung auch eine Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung darstellt oder der Arbeitgeber ausschließlich andere Zwecke (z.B. die weitere Bindung an das Unternehmen) verfolgt, ist durch umfassende Auslegung zu ermitteln. Von einer Einordnung als Sonderzahlung mit Mischcharakter ist bspw. regelmäßig auszugehen, wenn diese mehr als 25 % des Jahresgrundgehalts beträgt. Denn nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts kann nicht angenommen werden, dass Leistungen in dieser Höhe allein das zukünftige langjährige „Verharren im Arbeitsverhältnis“ sicherstellen sollen. Daher sind sie zumindest auch als Arbeitsvergütung für die vom Arbeitnehmer im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung anzusehen. Dass der Arbeitgeber mit der Sonderzahlung auch die künftige Betriebstreue honorieren wollte, ist insofern unerheblich. Darüber hinaus kann auch die Verknüpfung der Zahlung mit dem Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele für den Vergütungscharakter einer Sonderzahlung sprechen.

Verschärfung der Rechtsprechung

Hieran anknüpfend hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung zu Sonderzahlungen noch einmal verschärft. In einem am 13. November 2013 (Az. 10 AZR 848/12) entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern eine Weihnachtsgratifikation zugesagt. Hierzu übersandte der Arbeitgeber jährlich im Herbst – so auch am 30. September 2010 – ein Schreiben an seine Arbeitnehmer, das entsprechende Richtlinien aufführte und in dem es u.a. hieß:

Als Dank für Ihren bisherigen Einsatz in diesem Jahr und zugleich als Motivation für eine weiterhin loyale und wirkungsvolle Zusammenarbeit zahlen wir Ihnen eine Weihnachtsgratifikation aus (…). (…) Die Gratifikation wird nach folgenden Richtlinien ermittelt:

1. Die Zahlung erfolgt an Werksangehörige, die sich am 31.12.2010 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden.

2. Die Gratifikation beträgt 100 % des November-Brutto-Gehaltes, wenn das Arbeitsverhältnis seit 01.01.2010 besteht und keine unbezahlten Arbeitsbefreiungen zu verzeichnen sind. Bei Arbeitszeitveränderungen im Laufe des Jahres errechnet sich die Gratifikation anteilig.

3. Werksangehörige, die nach dem 01.01.2010 eingetreten sind oder unbezahlten Arbeitsbefreiungen aufweisen, erhalten für jeden Kalendermonat des bestehenden Arbeitsverhältnisses ein Zwölftel des Bruttomonatsgehalts.

(…)

Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis durch eine Eigenkündigung am 30. September 2010 beendet wurde, wurde von der Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2010 komplett ausgeschlossen. Nachdem die ersten beiden Instanzen seine Klage auf Zahlung von 9/12 der Weihnachtsgratifikation noch abgewiesen hatten, hat das Bundesarbeitsgericht der Klage stattgegeben.

Zweck der Sonderzahlung

Denn – so die Richter – es handle sich nicht um eine reine Gratifikation, deren Zweck allein in der Zuwendung von Geld aus Anlass des Weihnachtsfestes läge. Zwar könne die in den Richtlinien verwendete Bezeichnung „Weihnachtsgratifikation“ in diese Richtung weisen. Allerdings gewähren die Richtlinien dem Arbeitnehmer die Sonderzahlung jedenfalls auch als Gegenleistung für erbrachte Arbeit. So werde die Zahlung ausdrücklich auch als „Dank für Ihren bisherigen Einsatz“ geleistet.

Außerdem zeigen die Anspruchsvoraussetzungen in Ziff. 2 und 3, dass die Zahlung nicht an das bloße Bestehen des Arbeitsverhältnisses im Bezugsjahr anknüpft, sondern davon abhängt, dass entweder Arbeitsleistung erbracht wurde oder keine unbezahlten Arbeitsbefreiungen vorlagen. Damit stellte die Zahlung jedenfalls auch eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeit dar.

Unzulässige Kündigungserschwerung

Ein Stichtag innerhalb des Bezugsjahres erschwere dem Arbeitnehmer die Ausübung des Kündigungsrechts, obwohl er seine Arbeitsleistung jedenfalls teilweise erbracht hat. Da das Arbeitsverhältnis nach der Klausel am 31. Dezember „ungekündigt“ bestehen muss, verlangen die Richtlinien Betriebstreue über das Bezugsjahr hinaus, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde.

Dadurch erleidet der Arbeitnehmer nach Auffassung der Richter einen ungerechtfertigten Nachteil. Denn der Wert der Arbeitsleistung hänge nicht von der reinen Verweildauer des Arbeitnehmers im Unternehmen ab, sondern von Qualität und Arbeitserfolg. Dafür, dass die Arbeitsleistung gerade in einem bestimmten Zeitraum vor dem Stichtag besonderen Wert hatte, lagen keine Anhaltspunkte vor.

Fazit

Die vorgenannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts haben für die Praxis erhebliche Bedeutung. Stichtagsklauseln bei Weihnachtsgeld (und anderen Sonderzahlungen) sind aber nicht in jedem Fall unangemessen und damit unwirksam. Eine rechtssichere Gestaltung ist durchaus möglich, wobei es nicht auf die Bezeichnung als solche ankommt. Entscheidend ist, welcher Zweck mit der Zahlung von Weihnachtsgeld verfolgt wird. Werden andere Ziele als die Vergütung der Arbeitsleistung angestrebt, ist der Arbeitgeber gut beraten, diese hinreichend deutlich zum Ausdruck zu bringen.

Die Zahlung darf nicht die Belohnung von Arbeitsleistungen oder -erfolgen bezwecken und insbesondere auch der Höhe nach keinen wesentlichen Bestandteil an der Gesamtvergütung ausmachen. Wird mit der Zahlung ausschließlich die vergangene oder zukünftige Betriebstreue honoriert, ist eine Stichtagsregelung, die an den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag anknüpft, wirksam.

Es ist auch weiterhin möglich, dass eine Sonderzahlung an bis zu bestimmten Zeitpunkten eintretende Unternehmenserfolge anknüpft. Dies hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich klargestellt.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Kündigung Mischcharakter Sonderzahlung Stichtagsregelung Weihnachtsgeld