12. April 2016
Tarifvertrag mehrgliedrig einheitlich
Arbeitsrecht

Update: Keine Entscheidung des BAG zur rechtlichen Qualität der Tarifverträge

Das BAG sollte am 13. April 2016 entscheiden, ob DGB-Tarifwerke für die Zeitarbeit als mehrgliedrig oder als einheitlich zu qualifizieren sind.

Die Zeitarbeitsbranche blickt gebannt nach Erfurt – und zwar am morgigen 13. April 2016. Dort wird über die Revision (Az. 4 AZR 995/13; vormals: 5 AZR 995/13) gegen ein Urteil des LAG Nürnberg zu einem equal pay-Anspruch wegen der Tarifunfähigkeit der CGZP verhandelt (Urt. v. 11.10.2013 – 3 Sa 699/10; hierzu: Bissels, jurisPR-ArbR 25/2014 Anm. 1).

Diese Entscheidung dürfte weniger spannend mit Blick auf equal pay an sich sein – die Fragen zur „Abwicklung″ der CGZP sind weitgehend höchstrichterlich geklärt.

Doch ob die DGB-Tarifwerke für die Zeitarbeit tatsächlich als mehrgliedrig oder als einheitlich zu qualifizieren sind, ist bisher nicht entschieden. Daran schließt sich u.a. die Frage an, wie eine Verweisungsklausel AGB-rechtlich zu bewerten ist.

LAG Nürnberg: Einheitstarifvertrag – kein Anspruch auf equal pay

Die Parteien streiten u.a. um equal pay-Ansprüche aus den Jahren 2006 bis 2009. In dem mit dem klagenden Zeitarbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag ist eine Bezugnahmeklausel auf die vom BZA (als Rechtsvorgänger des BAP) mit den Mitgliedsgewerkschaften des DGB (IG Metall, IG BCE, NGG, GEW, ver.di, IG BAU, TRANSNET und GdP) abgeschlossenen Tarifverträge vom 22. Juli 2003 in der jeweils geltenden Fassung vorgesehen. Der Änderungstarifvertrag vom 30. Mai 2006 wurde nur noch von sieben DGB-Gewerkschaften unterschrieben, nicht aber von der TRANSNET.

Das ArbG Nürnberg hat die Klage abgewiesen. Die Berufung vor dem LAG Nürnberg blieb ohne Erfolg. Ein Anspruch auf equal pay bestehe nicht. Dieser sei durch die wirksame Verweisung auf das BZA/DGB-Tarifwerk ausgeschlossen. Dabei handele es sich um einen Einheitstarifvertrag, der in nicht zu beanstandender Weise in das Arbeitsverhältnis inkorporiert worden sei. Auf einen solchen seien die vom BAG am 13. März 2013 (Az. 5 AZR 954/11) zur AGB-rechtlichen Wirksamkeit entwickelten Grundsätze zum Erfordernis einer Kollisionsregelung nicht übertragbar.

Keine Zweifel an Tarifzuständigkeit

Interessant ist auch die Feststellung des Gerichts, dass an der Tarifzuständigkeit der betroffenen Gewerkschaften nunmehr keine Zweifel (mehr) bestünden. Zwar hatte das Gericht im Aussetzungsbeschluss vom 2. Dezember 2012 die Bedenken des Klägers noch geteilt. Der zugrundeliegende Tarifvertrag könne bereits deswegen unwirksam sein, weil nur einer der daran beteiligten Arbeitnehmervereinigungen die Tarifzuständigkeit/-fähigkeit fehle. Doch könne sich das Gericht dieser Meinung nicht mehr anschließen.

Ausschlussfristen

Zudem meint das LAG Nürnberg, dass die streitgegenständlichen equal pay-Ansprüche, wenn diese denn überhaupt entstanden seien, zumindest aufgrund der wirksam in Bezug genommenen tariflichen Ausschlussfrist (hier: § 16 MTV BZA/DGB) verfallen seien (ebenso: LAG Düsseldorf v. 24.10.2012 – 5 Sa 704/12, allerdings ohne Begründung; a.A. aber: LAG Düsseldorf v. 29.08.2012 – 12 Sa 576/12, zu § 10 MTV iGZ/DGB; LAG München v. 13.03.2013 – 10 Sa 960/12, zu § 16 MTV BZA/DGB).

DGB-Tarifwerke für die Zeitarbeit: mehrgliedrig oder einheitlich?

Nachdem bereits das LAG Baden-Württemberg (Urt. v. 04.06.2013 – 22 Sa 73/12) und das ArbG Freiburg (Urt. v. 14.01.2014 – Ca 555/12, 5 Ca 531/13) festgestellt haben, dass die Bezugnahme auf das BZA/DGB-Tarifwerk ohne Kollisionsregelung wirksam ist, bestätigt auch das LAG Nürnberg diese Ansicht. Letztlich sind die Argumente ebenfalls auf den Tarifvertrag iGZ/DGB übertragbar.

Zunächst standen die Zeichen damit (vorläufig) auf Entwarnung – da jedoch keine Stellungnahme des BAG vorliegt, besteht nach wie vor eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit, ob der equal pay-/equal treatment-Grundsatz tatsächlich wirksam abbedungen und damit etwaige Nachforderungen von Zeitarbeitnehmern und Rentenversicherungsträgern ausgeschlossen sind (für eine Mehrgliedrigkeit des BZA/DGB-Tarifwerkes: LAG Düsseldorf v. 24.10.2012 – 5 Sa 704/12).

Dies kann sich am 13. April 2016 nunmehr ändern, wenn sich der 4. Senat des BAG mit diesen Fragen befassen muss.

Wichtige Entscheidung mit Auswirkungen auf die Praxis zu erwarten

Die Entscheidung des LAG Nürnberg und die hiergegen beim BAG anhängige Revision bergen Sprengstoff für die Überlassungsbranche. Zahlreiche bislang nicht höchstrichterlich geklärte Rechtsfragen stehen in dem Verfahren auf der Agenda – beginnend mit der Qualifizierung des BZA/DGB-Tarifwerkes als mehrgliedrig oder als einheitlich, über eine AGB-rechtlich wirksame Bezugnahmeklausel auf dieses bis letztlich zur Anwendung der nachträglich arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Ausschlussfristen in den Tarifverträgen der Zeitarbeit auf equal pay-Ansprüche.

Der letztgenannte Aspekt ist hingegen nicht mehr erheblich, wenn eine wirksame Verweisung auf einen (einschlägigen) Tarifvertrag vorliegt. Dieser wurde vom LAG Nürnberg lediglich als zweite, nicht mehr tragende Begründung angeführt. Insoweit ist zweifelhaft, ob sich Erfurt überhaupt mit diesem Problem befassen muss.

Obwohl sich der Rechtsstreit vor dem LAG Nürnberg zunächst an dem BZA/DGB-Tarifwerk entzündet hat, stellen sich dieselben Fragen ebenfalls hinsichtlich des iGZ/DGB-Tarifvertrages, der insoweit strukturgleich ist. Dies bedeutet, dass eine Entscheidung des BAG in dem o.g. Zusammenhang für beide großen Verbände der Zeitarbeit und damit für die gesamte Branche Konsequenzen haben kann.

Über das Verfahren und die daraus für die Praxis abzuleitenden Folgen werden wir in einer der nächsten Ausgaben des „Infobriefs Zeitarbeit“ und hier im Blog ergänzend berichten. In unserem Infobrief informieren wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal. Sollten Sie Interesse haben, unseren Infobrief kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie mir bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com).

Update: Doch kein Showdown in Erfurt – keine Entscheidung des BAG!

Das BAG hätte zu zahlreichen, für die Branche bedeutsamen Fragen Stellung nehmen können. Dazu wird es aber nicht kommen. Das Verfahren ist beendet und der Termin inzwischen aufgehoben worden. Die betreffenden Fragen werden damit weiterhin höchstrichterlich ungeklärt bleiben.

Tags: Arbeitsrecht einheitlich mehrgliedrig Tarifvertrag