12. Juli 2013
Arbeitsrecht

Zeitarbeit: Erfurt klärt „vorübergehende“ Unklarheit

Kann der Betriebsrat des Einsatzbetriebs seine Zustimmung zur Überlassung von Zeitarbeitnehmern verweigern, wenn diese dort nicht nur vorübergehend beschäftigt werden sollen? Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ist in dieser Frage wenig konkret, was zu unterschiedlichen Auslegungen der Gerichte geführt hatte. Das Bundesarbeitsgericht stellte jetzt klar: Ja, der Betriebsrat hat ein Zustimmungsverweigerungsrecht.

 

Gespaltene Gerichte

Mit Wirkung zum 1. Dezember 2011 wurde das AÜG an zahlreichen Stellen angepasst. Unter anderem sollte eine Überlassung von Zeitarbeitnehmern nach der Gesetzesänderung nur noch „vorübergehend“ erfolgen (§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG n.F.). Der Gesetzgeber konkretisierte jedoch weder hinreichend, wann ein Einsatz noch „vorübergehend“ ist, noch ob überhaupt und bejahendenfalls welche Rechtsfolgen an einen Verstoß gegen die Vorschrift geknüpft werden.

Daher wurde zwischen den einzelnen Landesarbeitsgerichten darüber gestritten, ob der Betriebsrat des Einsatzbetriebs der Überlassung eines Zeitarbeitnehmers widersprechen kann, wenn und soweit ein nicht mehr nur vorübergehender Einsatz beabsichtigt ist (§ 99 Abs. 2 BetrVG Nr. 1 BetrVG). Der Streit spaltete ganze Gerichte – die einen Kammern entschieden für den Arbeitgeber, die anderen gegen diesen.

Klare Worte aus Erfurt

Diesem Durcheinander hat das BAG nunmehr ein Ende gesetzt: Am 10. Juli 2013 stellte der 7. Senat klar, dass der Betriebsrat des Einsatzbetriebs seine Zustimmung zur Überlassung von Zeitarbeitnehmern verweigern kann, wenn diese dort nicht nur vorübergehend beschäftigt werden sollen (Az. 7 ABR 91/11).

§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG enthalte nicht nur einen unverbindlichen Programmsatz, sondern untersage die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung. Die Vorschrift diene zum einen dem Schutz der Zeitarbeitnehmer. Zum andern solle sie auch die dauerhafte Aufspaltung des Einsatzbetriebs in eine Stammbelegschaft und eine überlassene Belegschaft verhindern.

Für die Praxis ist zunächst die bislang heftig diskutierte Frage dahingehend beantwortet, dass grundsätzlich ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bestehen kann. Dennoch sind damit noch längst nicht sämtliche (bislang streitigen) Aspekte in Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG geklärt.

Noch nicht alle Unklarheiten beseitigt

Das BAG konnte in dem entschiedenen Fall offen lassen, wann ein Einsatz noch „vorübergehend“ ist und wann nicht. Eine genaue Abgrenzung war nicht notwendig, da der Arbeitgeber beabsichtigte, die betreffende Zeitarbeitnehmerin ohne jegliche zeitliche Begrenzung statt einer Stammkraft einzusetzen. Jedenfalls das ist – so der 7. Senat – nicht mehr „vorübergehend“.

Ob bereits ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG vorliegt, wenn der Einsatz des Zeitarbeitnehmers auf einem Dauerarbeitsplatz erfolgt – wie dies zum Teil von den Landesarbeitsgerichten vertreten wird – oder wenn eine einsatzbezogen zu bestimmende zeitliche Grenze überschritten wird (bejahendenfalls: welche soll das sein?), bleibt nach wie vor offen. Es besteht daher weiterhin eine erhebliche Rechtsunsicherheit, ob ein Zustimmungsverweigerungsrecht besteht, wenn gerade keine Stammarbeitskraft dauerhaft substituiert werden soll.

Offen bleibt zudem die Frage, ob und welche Rechtsfolgen sich aus einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG für das Rechtsverhältnis des einzelnen Zeitarbeitnehmers zum Personaldienstleister ergeben. Zum Teil nehmen die Landesarbeitsgerichte in diesem Fall an, dass ein Arbeitsverhältnis zu dem Kunden des Personaldienstleisters fingiert wird. Dies dürfte in der Tat eine sehr weitgehende und kaum begründbare Rechtsfolge sein, jedoch muss man auch in diesem Zusammenhang abwarten, wie sich Erfurt dazu zukünftig verhalten wird.

Wir werden Sie weiter auf dem Laufenden halten.

Tags: Arbeitnehmerüberlassungsgesetz AÜG Betriebsrat Bundesarbeitsgericht Rechtsprechung vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung Zeitarbeit Zustimmungsverweigerung