Zeitarbeitnehmer dürfen bei Betriebswahlen wählen, aber nicht gewählt werden. Erfahren Sie hier mehr zu dieser und weiteren Besonderheiten.
Die Betriebsratswahlen 2018 stehen an. Wählen können alle Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Grundsätzlich können sich diese Wähler auch zur Wahl stellen, wenn sie sechs Monate dem Betrieb angehören oder als Beschäftigte in Heimarbeit hauptsächlich für den Betrieb gearbeitet haben.
Bei Zeitarbeitnehmern gelten Besonderheiten, welche wir im Folgenden für Sie zusammengefasst haben.
Zeitarbeitnehmer dürfen wählen
Der gesetzliche Grundsatz des aktiven Wahlrechts von Zeitarbeitnehmern besteht seit der Einführung des § 7 S. 2 BetrVG am 28. Juli 2001. Zeitarbeitnehmer sind bei den Betriebsratswahlen wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Entleihbetrieb eingesetzt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers, steht ihnen das Wahlrecht ab dem ersten Tag ihres Einsatzes zu (BT-Drucksache 14/5741, S. 36).
Daraus folgt, dass Zeitarbeitnehmer auch dann wahlberechtigt sind, wenn sie vor der Betriebsratswahl noch keine drei Monate im Entleihbetrieb tätig waren, die Gesamtprognose am Wahltag aber ergibt, dass sie über die Betriebsratswahlen hinaus insgesamt mindestens drei Monate eingesetzt sind (LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 17. Juni 2015 – 4 TaBV 14/14; LAG Hamm, Beschl. v. 18. September 2015 – 13 TaBV 20/15).
Zeitarbeitnehmer werden nicht gewählt
Aus § 14 Abs. 2 S. 1 AÜG ergibt sich, dass Zeitarbeitnehmer bei Betriebsratswahlen nicht wählbar sind. Den Ausschluss vom passiven Wahlrecht hat das BAG generell für Zeitarbeitnehmer (gewerbsmäßig und nicht gewerbsmäßig überlassene) anerkannt und als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen (BAG Beschl. v. 17. Februar 2010 – 7 ABR 51/08).
Zeitarbeitnehmer zählen: Der dynamische Arbeitnehmerbegriff
Das BAG hat seine Rechtsprechung bei der Berechnung von Schwellenwerten nach dem Betriebsverfassungsgesetz in den letzten Jahren zu Gunsten von Zeitarbeitnehmern in mehreren Bereichen abgeändert.
Entscheidend kann dies darauf zurückgeführt werden, dass sich das Gericht bei der Beurteilung des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs von der sog. „Zwei-Komponenten-Lehre″ distanziert hat. Es sich für die normzweckorientierte Auslegung und somit für einen erweiterten, flexiblen – dynamischen Arbeitnehmerbegriff – entschieden (BAG Urt. v. 18. Oktober 2011 – 1 AZR 335/10; Beschl. v. 05. Dezember 2012 – 7 ABR 48/11).
Nach Auffassung des Gerichts reicht zur Feststellung des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs, der sich an § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG anlehnt, die „Zwei-Komponenten-Lehre″ für den Normalfall-Arbeitnehmer aus. Arbeitnehmer ist danach, wer zum einen in Vertragsbindung zum Arbeitgeber (Arbeitsvertrag) steht und zum anderen in dessen Betrieb eingegliedert ist (unselbstständige, fremdbestimmte Arbeit).
Geht es jedoch um Zeitarbeitnehmer, so führt diese Lehre zu keiner sachgerechten Lösung. Auf einer Seite fehlt der Arbeitsvertrag zwischen Entleihbetrieb und Zeitarbeitnehmer und auf der anderen Seite ist der Zeitarbeitnehmer nicht im Verleihbetrieb eingegliedert. Aus diesem Grund lehnt das BAG die Anwendung der „Zwei-Komponenten-Lehre″ beim Einsatz von Zeitarbeitnehmern ab und spricht sich für die normzweckorientierte Auslegung aus (BAG a.a.o.). Diese Auslegungsmethode orientiert sich an dem Zweck, den das jeweilige Gesetz verfolgt.
Zeitarbeitnehmer zählen bei der Feststellung der Anzahl der Betriebsratsmitglieder nach § 9 S. 1 BetrVG zu den Arbeitnehmern
Bei der Bestimmung der Betriebsratsgröße nach § 9 S. 1 BetrVG im Entleihbetrieb sind regelmäßig beschäftigte Zeitarbeitnehmer zu berücksichtigen, so der 7. Senat des BAG (BAG Beschl. v. 13. März 2013 – 7 ABR 69/11).
In seiner Entscheidung musste sich der Senat mit der Frage auseinandersetzen, ob die Größe des Betriebsrats 13 oder 15 Mitglieder beträgt, wofür die Schwellenwerte in § 9 S. 1 BetrVG von 701 bis 1.000 Arbeitnehmern oder 1.001 bis 1.500 Arbeitnehmern relevant sind. In dem Entleihbetrieb waren 879 Stammmitarbeiter beschäftigt und 292 Zeitarbeitnehmer.
Die frühere Rechtsprechung zu § 9 Abs. 1 BetrVG, wonach Zeitarbeitnehmer für die Größe des betriebsratsmaßgeblichen Schwellenwertes nicht zu berücksichtigen waren (BAG Beschl. v. 18. Januar 1989 – 7 ABR 21/88; v. 16. April 2003 – 7 ABR 53/02; v. 10. März 2004 – 7 ABR 49/03), wurde vom Gericht mit Verweis auf die Verwendung der normzweckorientierten Auslegung des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs aufgegeben. Entscheidend für das Gericht sei, dass die in § 9 BetrVG erfassten regelmäßigen Arbeitnehmer nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch regelmäßig beschäftigte Zeitarbeitnehmer umfassen.
Zeitarbeitnehmer zählen bei der Feststellung der Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder nach § 38 BetrVG zu den Arbeitnehmern
Geht es nach der Betriebsratswahl um die Entscheidung, wie viele Betriebsratsmitglieder entgeltlich von der Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen sind, so sind nach der Rechtsprechung des 7. Senats des BAG (Beschl. v. 18. Januar 2017 – 7 ABR 60/15) nicht nur die betriebseigenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen, sondern auch die Zeitarbeitnehmer, die zum regelmäßigen Personalbestand gehören.
Der Senat hat sich in seiner Entscheidung mit der Frage befasst, ob der Schwellenwert von 200 bis 500 Arbeitnehmern in § 38 Abs. 1 S. 1 BetrVG und somit die Freistellung von nur einem Betriebsratsmitglied durch die im Betrieb tätigen Zeitarbeitnehmer auf den Schwellenwert 501 bis 900 Arbeitnehmer überschritten wird und es zur Freistellung von zwei Betriebsratsmitgliedern kommt.
Unter Anwendung der normzweckorientierten Auslegung hat sich der Senat erstmalig und unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (BAG Beschl. v. 22. Oktober 2003 – 7 ABR 3/03) für eine Berücksichtigung von Zeitarbeitnehmern bei Anwendung des § 38 Abs. 1 S. 1 BetrVG ausgesprochen. Zeitarbeitnehmer sind bei der Feststellung der Belegschaftsstärke im Rahmen des § 38 Abs. 1 BetrVG im Entleihbetrieb mitzurechnen, wenn sie dem regelmäßigen Personalbestand des Betriebs angehören.
Rechtsklarheit durch § 14 Abs. 2 S. 4 AÜG
Die Entscheidungen des BAG zur Berücksichtigung von Zeitarbeitnehmern bei Schwellenwerten sind zu begrüßen. Gleichwohl haben sie seit April 2017 an praktischer Bedeutung verloren.
Mit dem 01. April 2017 ist § 14 Abs. 2 S. 4 AÜG in Kraft getreten, wonach bei Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes, die eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern voraussetzen, Zeitarbeitnehmer im Entleihbetrieb zu berücksichtigen sind. Kommt es im Rahmen der Betriebsratswahlen also auf die Anzahl der Arbeitnehmer im Unternehmen an (Anzahl der Betriebsratsmitglieder nach § 9 S. 1 BetrVG, Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder § 38 Abs. 1 S. 1 BetrVG), dann sind auch Zeitarbeitnehmer bei der Ermittlung der jeweiligen Werte zu berücksichtigen.
Keine Kurzschlussreaktionen, sondern Einsatz von Zeitarbeitnehmern prüfen
Betriebe, die Zeitarbeitnehmer beschäftigen, sollten sich angesichts der kurz bevorstehenden Betriebsratswahlen nicht in „vorübergehende″ Kündigungen oder Auflösungen von Zeitarbeitsverhältnissen flüchten.
Bei dem Einsatz der Zeitarbeitnehmer kommt es gerade nicht darauf an, ob sie zum Zeitpunkt der Wahl im Betrieb beschäftigt sind, sondern ob sie „in der Regel″ beschäftigt sind. Maßstab ist ein Einsatz in der Vergangenheit und eine Prognose des Einsatzes für die Zukunft. Zumindest diese Prognose sollte aber bereits einige Zeit vor der Betriebsratswahl angestellt werden.
Unsere Beitragsreihe stellt arbeitsrechtliche Aspekte rund um die Betriebsratswahlen dar. Hier geben wir wichtige Informationen für Arbeitgeber oder zeigen, welche Rolle Zeitarbeitnehmer spielen.