Marktteilnehmer können nunmehr als Teil des DLT Pilot Regimes erste Erfahrungen im Handel mit tokenisierten Finanzinstrumenten sammeln.
Das DLT Pilot Regime bietet ab dem 23. März 2023 die Möglichkeit einer zeitlich befristeten Testumgebung für Wertpapierfirmen, Marktbetreiber und Zentralverwahrer, die in den Handel mit tokenisierten Finanzinstrumenten an regulierten Märkten auf Basis der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) einsteigen wollen. Unter DLT wird ein digitales System zur Aufzeichnung von Informationen verstanden, bei dem diese an mehreren Stellen gleichzeitig aufgezeichnet werden.
Den rechtlichen Rahmen hierfür bietet die Verordnung (EU) 2022/858 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2022 über eine Pilotregelung für auf Distributed-Ledger-Technologie basierende Marktinfrastrukturen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 600/2014 und (EU) Nr. 909/2014 sowie der Richtlinie 2014/65/EU (DLT Pilot Regime Verordnung).
Um ein einheitlicheres Verständnis der nationalen Aufsichtsbehörden zu gewährleisten, aber auch um mögliche Unklarheiten bereits jetzt auszuräumen, veröffentlichte die ESMA (European Securities and Markets Authority) im Februar 2023 Fragen und Antworten zum DLT Pilot Regime (ESMA Q&As). Anfang März 2023 hat die ESMA darüber hinaus Leitlinien zu Standardformularen, Formaten und Vorlagen für die Beantragung einer Zulassung im Rahmen des DLT Pilot Regime veröffentlicht (ESMA-Leitlinien).
DLT Pilot Regime – ein Projekt mit Zukunft
Die Europäische Union (EU) möchte das DLT Pilot Regime als Testlauf nutzen, um sich auf die Herausforderungen des digitalen Zeitalters vorzubereiten. Das DLT Pilot Regime wird eine Art „Regulatory Sandbox“ darstellen, wie sie bereits aus anderen Rechtsordnungen bekannt ist.
Zwei Aspekte werden hierbei sehr deutlich: Die EU hat das Potenzial der neuen Technologien erkannt und denkt zukunftsorientiert. Die Notwendigkeit dieser „Testphase“ zeigt aber zugleich, dass die derzeit bestehenden Regelungen nicht immer mit neuen Technologien kompatibel sind.
Dessen ist sich auch die EU bewusst, weshalb sie nun bestrebt ist, mit der Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCA) einen eigenen Rechtsrahmen für Kryptowerte auf Unionsebene zu schaffen. Die Entwicklung eines Sekundärmarktes für Kryptowerte könnte zugleich für mehr Effizienz und Transparenz sorgen. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die EU, aber auch viele Aufsichtsbehörden, die Vielzahl und die genauen Auswirkungen der potenziellen Risiken, die die Besonderheiten einer Technologie wie DLT mit sich bringen, noch nicht vollständig abschätzen können. Insofern soll die Testphase auch dazu dienen, Informationen zu sammeln, um später einen praxistauglichen Rechtsrahmen zu schaffen.
Marktteilnehmer können vorübergehend von verschiedenen aufsichtsrechtlichen Anforderungen ausgenommen werden
Mit dem DLT Pilot Regime soll verhindert werden, dass die DLT nutzenden Marktteilnehmer beim Handel mit Kryptowerten und bei der Abwicklung von Kryptotransaktionen durch die ansonsten geltenden, teilweise inkompatiblen Vorschriften behindert werden. Damit sollen innovative Lösungen und ein geeigneter Rechtsrahmen für den Einsatz von DLT ermöglicht werden.
Daraus folgt zugleich, dass sich der EU-Gesetzgeber auf unmittelbar geltende EU-Vorschriften wie die MiCA-Verordnung beschränkt. Die nationale Umsetzung von EU-Richtlinien, wie z.B. der MiFID, steht nicht im Fokus.
Nicht der „Wilde Westen“ des Finanzmarktes
Allerdings werden die Marktakteure, die am DLT Pilot Regime teilnehmen, keinen Freibrief von den Aufsichtsbehörden erhalten. Vielmehr ist vorgesehen und zu erwarten, dass die Marktteilnehmer nur von einzelnen Anforderungen befreit werden können, im Übrigen aber Anlegerschutz, Marktintegrität, Finanzstabilität und Transparenz gewahrt bleiben müssen. Die durch das DLT Pilot Regime privilegierten Marktteilnehmer müssen daher für ausreichende Sicherheitsvorkehrungen sorgen.
Voraussetzungen für die Teilnahme am DLT Pilot Regime
Der Zugang zum DLT Pilot Regime ist nicht auf etablierte Unternehmen beschränkt, sondern steht auch neuen Marktteilnehmern offen. Insofern bietet sich hier eine Chance für alle Interessierten.
Zwingende Voraussetzung zur Teilnahme am DLT Pilot Regime ist zunächst, dass DLT-Finanzinstrumente gehandelt werden. DLT-Finanzinstrumente sind gem. Art. 2 Nr. 11 der DLT Pilot Regime Verordnung Finanzinstrumente, die mittels Distributed-Ledger-Technologie emittiert, verbucht, übertragen und gespeichert werden.
Darüber hinaus gilt die DLT Pilot Regime Verordnung nur für bestimmte DLT-Finanzinstrumente. Diese sind in Art. 3 der DLT Pilot Regime Verordnung abschließend aufgezählt. Es handelt sich dabei um Aktien, Schuldverschreibungen und Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen. Ebenfalls in Art. 3 der DLT Pilot Regime Verordnung aufgeführt sind die von der EU zum Zwecke des Anlegerschutzes, der Marktintegrität und der Finanzstabilität eingeführten und von den Teilnehmern zu beachtenden Beschränkungen und Schwellenwerte. So darf bspw. der Gesamtwert aller DLT-Finanzinstrumente, die zum Handel in einer DLT-Marktinfrastruktur zugelassen sind oder in einer DLT-Marktinfrastruktur verbucht werden, zum Zeitpunkt der Zulassung eines neuen DLT-Finanzinstruments zum Handel oder bei der erstmaligen Verbuchung nicht mehr als EUR 6 Mrd. betragen.
Interessierte Marktteilnehmer sollten bei der Nutzung der Möglichkeiten des DLT Pilot Regime jedoch auch die zusätzlichen Pflichten beachten, die ihnen als Teilnehmern auferlegt werden. Zu diesen Pflichten zählen bspw. die Pflicht zur Erstellung klarer und detaillierter Geschäftspläne, umfangreiche Dokumentationspflichten und die Pflicht zur Sicherstellung der Eignung der verwendeten IT- und Cyber-Strukturen.
Relevant dürfte auch die in der DLT Pilot Regime Verordnung normierte Pflicht der Teilnehmer zur Zusammenarbeit mit der ESMA und den zuständigen Aufsichtsbehörden sein. Hierdurch sollen die ESMA und die nationalen Aufsichtsbehörden in die Lage versetzt werden, mögliche Gefahren und Risiken frühzeitig zu erkennen sowie Erfahrungswerte zu sammeln. Die ESMA wird hierbei als Koordinator zwischen Markteilnehmern und Aufsichtsbehörden fungieren. Die Wirksamkeit des DLT Pilot Regime wird daher wesentlich von der aktiven und konstruktiven Mitwirkung aller Beteiligten abhängen.
Auswirkungen und Ausblick
Die EU scheint das Potenzial neuer Technologien für die Finanz- und Kapitalmärkte erkannt zu haben und will sich für die Zukunft rüsten. Der mutige Schritt, jetzt eine solche Pilotregelung zu schaffen, könnte sich in der Zukunft auszahlen. Die Testphase wird wertvolle Informationen für die Schaffung eines praxistauglichen Regulierungsrahmens liefern. Es bleibt zu hoffen, dass die Aufsichtsbehörden die Testphase nutzen werden, um eine Aufsichtspraxis aufzubauen und mögliche Risiken im – überschaubaren – Rahmen des DLT Pilot Regime frühzeitig zu erkennen.
Neben den staatlichen Stellen werden aber auch die Marktteilnehmer vom DLT Pilot Regime profitieren. Interessierte können bereits jetzt Erfahrungen sammeln und den späteren Regulierungsrahmen für DLT aktiv mitgestalten. Damit verbunden wäre nicht nur ein Wissensvorsprung gegenüber Wettbewerbern, sondern auch die Aussicht, inwiefern das geplante Geschäft mit den entsprechenden EU-Regelungen kompatibel sein wird.
Interessierte Marktteilnehmer sollten daher insbesondere die von der ESMA veröffentlichten Hilfestellungen beachten, da die ESMA ein wesentlicher Taktgeber für die Aufsichtspraxis sein wird. Die ESMA-Q&As geben Antworten auf spezifische Fragen zum DLT Pilot Regime. Die ESMA-Leitlinien wiederum enthalten wichtige Informationen zur Beantragung einer Zulassung unter dem DLT Pilot Regime sowie dazu, welche Unterlagen bei der Antragstellung einzureichen sind. Da die ESMA ihre Leitlinien regelmäßig aktualisieren muss, ist auch in Zukunft mit entsprechenden Hinweisen seitens der ESMA zu rechnen.