26. Januar 2011
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Die neue Berufung: Das Orakel mündliche Verhandlung

Im zivilprozessualen Berufungsrecht könnten einmal mehr Neuerungen und damit neue Fragen anstehen. Zum Beispiel diese: Wann ist zukünftig in der aussichtslosen Berufung wieder eine mündliche Verhandlung erforderlich?

§ 522 ZPO gestattete bisher, dass ein Berufungsgericht eine Berufung durch einstimmigen Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückweisen kann. Der neue Referentenentwurf des BMJ macht in der beabsichtigten Neufassung des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine solche Zurückweisung nunmehr ausdrücklich davon abhängig, dass eine mündliche Verhandlung „nicht erforderlich″ sei:

 „Das Berufungsgericht hat die Berufung durch einstimmigen Beschluss unverzüglich zurückzuweisen, wenn es davon überzeugt ist, dass 

1. die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat,

2. die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,

3. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und

4. eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist.″ 

Der Referentenentwurf weist darauf hin, dass ein solcher Zurückweisungsbeschluss bei Vorliegen aller der in der Neufassung des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Voraussetzungen dann zwingend sei. Das war bisher bei manchen Senaten nicht ganz klar. Dem Gesetzgeber scheint allerdings die klare Verfahrensbeschleunigung bei Aussichtslosigkeit der Berufung dann doch etwas zu eindeutig zu sein, wenn er nunmehr ergänzend vorsieht, dass ein Zurückweisungsbeschluss nur dann ergehen könne, wenn eine mündliche Verhandlung „nicht erforderlich″ ist. Das stand bisher nicht im Gesetzestext. Bislang war ein Überspringen der Hürde einer Beschlussentscheidung und die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung eher ein Hinweis, dass eine Berufung Aussicht auf Erfolg hat.

Wann nunmehr eine mündliche Verhandlung erforderlich sein könnte, auch wenn die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die sonstigen Voraussetzungen nicht vorliegen, drängt sich allerdings dem interpretierenden Anwalt nicht unbedingt auf und wird im Referentenentwurf auch nicht näher begründet. Auf dieses Merkmal sollte der Gesetzgeber daher lieber verzichten, ansonsten lässt sich heute schon absehen, dass allein über die Frage einer Erforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung eine neue Flut von Nichtzulassungsbeschwerden generiert wird.

Dass ein solcher Beschluss zukünftig mit der Nichtzulassungsbeschwerde angreifbar sein soll, hatten wir bereits berichtet. Zurückweisungsbeschlüsse mit einer Beschwer über 20.000.- Euro würden damit in gleicher Weise anfechtbar wie Berufungsurteile.

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