Die Verjährung eines Anspruchs lässt sich allein durch einen Verjährungsverzicht weder ver-hindern noch verzögern.
Es war wie immer. Wie jedes Jahr. Trotz Glitzerdeko und Lebkuchenflut bereits im September stand Weihnachten wieder völlig unerwartet vor der Tür. Aus Anwaltssicht hieß das unter anderem: Zum Jahresende drohten Ansprüche zu verjähren.
Dies galt es selbstverständlich zu verhindern und so wurden fleißig Klagen erhoben, Mahnbescheide beantragt, Streitbeilegungsstellen angerufen und Verjährungsverzichtserklärungen angefordert. Wie jedes Jahr.
Und jetzt? Der Jahreswechsel ist geschafft, das hektische Jahresendgeschäft von der oft nicht weniger hektischen Betriebsamkeit zu Jahresbeginn abgelöst. Aber wenigstens an der Verjährungsfront droht aktuell keine Gefahr – schließlich hat man sich im Dezember um alles gekümmert!
Der kleine aber feine Unterschied zwischen Hemmung und Verzicht
In einem Punkt ist jedoch Vorsicht geboten: Nicht alle Maßnahmen haben die gleiche Auswirkung auf die Verjährung. Klageerhebung oder Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids führen beispielsweise zur Hemmung der Verjährung. Ein Verjährungsverzicht tut dies nicht.
Ein Verjährungsverzicht beinhaltet üblicherweise die Erklärung des Schuldners, sich bis zu einem bestimmten Tag nicht auf die Verjährung zu berufen. Macht der Gläubiger seinen Anspruch bis zu diesem Tag gerichtlich geltend, kann sich der Schuldner nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im gesamten Prozess nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Der Verjährungsverzicht hemmt allerdings nicht die Verjährung.
Was bedeuten die unterschiedlichen Rechtsfolgen für die Praxis?
Ein Beispiel: Die Ansprüche zweier Gläubiger drohen am 31. Dezember zu verjähren. Einen Monat vor Ablauf der Verjährungsfrist entscheidet sich Gläubiger A, seinen Anspruch bei einer staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle geltend zu machen. Gläubiger B wählt einen anderen Weg: Er bittet seinen Schuldner um die Erklärung, bis zum 30. Juni des Folgejahres auf die Einrede der Verjährung zu verzichten; der Schuldner kommt dieser Bitte nach.
Der Antrag von Gläubiger A hemmt die Verjährung. Das Verfahren vor der Streitbeilegungsstelle wird durchgeführt, führt jedoch zu keiner Einigung. Sechs Monate nach Verfahrensbeendigung endet daher die Verjährungshemmung und die verbleibende Verjährungsfrist von einem Monat läuft weiter. Während dieser Zeit kann Gläubiger A weitere Maßnahmen zur Verjährungshemmung treffen.
Anders sieht es bei Gläubiger B aus: Der vom Schuldner erklärte Verjährungsverzicht lässt die Verjährungsfrist unberührt, eine Hemmung tritt nicht ein. Damit verjährt der Anspruch von Gläubiger B am 31. Dezember.
Wegen des Verjährungsverzichts kann Gläubiger B zwar noch bis zum 30. Juni des Folgejahres einen Rechtsstreit anhängig machen, in dem der Schuldner die Einrede der Verjährung nicht erheben darf. Eine Hemmung der Verjährung ist nach Ablauf des 31. Dezembers aber nicht mehr möglich. Denn eine bereits abgelaufene Verjährungsfrist kann nicht gehemmt werden. Versäumt Gläubiger B die Klageerhebung bis zum 30. Juni, ist sein Anspruch verjährt und der Schuldner kann die Einrede der Verjährung wieder erheben.
Fazit: Vorsicht beim Verjährungsverzicht
Einen Verjährungsverzicht seitens des Schuldners einzuholen, ist häufig die einfachste Möglichkeit, den Verlust eines Anspruchs kurzfristig abzuwenden. Die Verjährung des Anspruchs lässt sich dadurch aber weder verhindern noch verzögern.