10. November 2022
Informationspflicht Garantie Händler
Commercial

BGH folgt EuGH bei Informationspflicht über Garantien

Online-Händler müssen nur dann über eine Herstellergarantie eines Produkts informieren, wenn sie ein zentrales Merkmal ihres Angebots darstellt.

Wenig überraschend folgt der BGH mit seinem Urteil vom 10. November (Az. I ZR 241/19) der Entscheidung des EuGH vom 5. Mai 2022 im vorangegangenen Vorabentscheidungsverfahren: Ein Online-Händler muss den Verbraucher* über eine gewerbliche Herstellergarantie für ein von ihm angebotenes, aber nicht selbst hergestelltes Produkt nur informieren, wenn er diese zu einem wesentlichen Bestandteil seines Angebots macht.

Praxisgerechte Entscheidung, die zwischen Händler- und Verbraucherinteressen vermittelt 

Die Bestätigung des BGH bedeutet für Online-Händler eine Erleichterung: Nach Auffassung des EuGH, der der BGH sich nun angeschlossen hat, soll nur bei einem berechtigten Interesse des Verbrauchers eine entsprechende Informationspflicht bestehen. Ein solches Interesse soll dann gegeben sein, wenn Verbraucher durch den Umstand, dass ein Produkt mit einer Herstellergarantie versehen ist, in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden können. Das soll wiederum dann der Fall sein, wenn der Online-Händler sie sich dazu entschließt, in seinem Angebot mit der Herstellergarantie zu werben.

Online-Händler haben es somit (zunächst noch) selbst in der Hand, ob sie sich zur Bereitstellung von Informationen über die Herstellergarantie verpflichten wollen und müssen nicht für sämtliche von ihnen angebotenen Produkte umfassende Recherchen über bestehende Herstellergarantien anstellen.

Die vermittelnde Lösung des BGH sorgt damit für einen schonenden Ausgleich der Interessen von Händlern und Verbrauchern. Während eine umfassende Verpflichtung zur Information über Bestehen und Umfang von Garantien einen hohen Aufwand im Verhältnis des Händlers gegenüber den Herstellern oder seinen Lieferanten begründen würde, wären Verbraucher, die eine informierte Kaufentscheidung treffen sollen, benachteiligt, wenn sie über erhebliche Informationen zur Herstellergarantie in Unkenntnis gelassen würden.

Neue EU-Richtlinie mit umfassenden Informationspflichten für (Online-)Händler geplant

Allerdings dürfte die Entscheidung des BGH bei Online-Händlern in vielen Fällen vermutlich nur kurzzeitig für Beruhigung sorgen. Nach dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen der EU-Kommission vom 30. März 2022 sollen Händler künftig Verbraucher bei allen Warenarten über eine vom Hersteller bereitgestellte Haltbarkeitsgarantie informieren, sofern diese Garantie für die gesamte Ware gilt und eine Laufzeit von mehr als zwei Jahren überschreitet. Dies betrifft allerdings nur solche Informationen, die der Hersteller dem Unternehmer bereitgestellt hat oder die der Hersteller beabsichtigt, dem Verbraucher auf andere Weise (z.B. auf der Produktverpackung oder durch Anbringung von Etiketten oder Anhängern) vor Vertragsschluss zugänglich zu machen. Bei energiebetriebenen Waren wiederum sollen Händler Verbraucher auch darüber informieren, dass der Hersteller keine entsprechenden Informationen über eine Haltbarkeitsgarantie zur Verfügung gestellt hat.

Verbraucher sollen informierte Kaufentscheidung zugunsten nachhaltiger Produkte treffen

Hintergrund der geplanten Regelung ist, dass Verbraucher eine informierte Kaufentscheidung möglichst zugunsten der jeweils nachhaltigeren Produkte treffen sollen. Insofern gilt eine vom Hersteller gegebene Garantie als besonders guter Indikator für die Haltbarkeit des betreffenden Produkts. Bei energiebetriebenen Geräten soll durch die Verpflichtung des Herstellers zur Information über fehlende Herstellergarantien mittelbar Druck auf die Hersteller ausgeübt werden, damit diese zur Vermeidung von Nachteilen im Wettbewerb ihre Produkte haltbarer machen und dahingehende Garantien übernehmen.

Entscheidung des BGH dürfte in vielen Fällen an Bedeutung verlieren

Sollte die Richtlinie mit dem geplanten Inhalt umgesetzt werden, kommt es im Ergebnis auf die – nicht immer leicht zu beantwortende – Frage, ob Online-Händler eine Herstellergarantie zu einem wesentlichen Merkmal ihres Angebots machen, nur noch dann an, wenn die Garantie für einen Zeitraum von weniger als zwei Jahre gilt oder sich nicht auf das gesamte Produkt bezieht. 

In anderen Fällen sollten Händler mit den Herstellern der von ihnen vertriebenen Produkte klären, ob und in welchem Umfang sie Haltbarkeitsgarantien geben wollen. Das dürfte bei außereuropäischen Herstellern, denen die der EU-Kommission zugrundeliegende konzeptionelle Unterscheidung zwischen (gesetzlicher) Gewährleistung und (vertraglicher) Garantie nicht zwingend geläufig sein muss, nicht immer leichtfallen. Insbesondere für Händler energiebetriebener Produkte ist die Klärung dieser Frage jedoch unvermeidbar, da sie und nicht die Hersteller Adressaten der geplanten Informationspflichten sind und damit Gefahr laufen, durch Wettbewerber oder Verbraucherschutzverbände abgemahnt zu werden. Die vom BGH vorgenommene Unterscheidung danach, ob der Verkäufer die Haltbarkeitsgarantie zu einem wesentlichen Bestandteil seines Angebots macht oder nicht, dürfte damit in vielen Fällen an Bedeutung verlieren.

Verschärfte Anforderungen an Verbrauchergarantien 

Sollten Hersteller sich dazu entschließen, ihre Produkte mit einer Haltbarkeitsgarantie zu versehen, müssen diese den zum 1. Januar 2022 noch einmal verschärften Anforderungen des § 479 BGB genügen. Die Vorschrift stellt nunmehr klar, dass im Falle einer vom Hersteller übernommenen Haltbarkeitsgarantie der Verbraucher gegen den Hersteller während des Zeitraums der Garantie mindestens den gesetzlichen Anspruch auf Nacherfüllung hat. Zudem muss der Garantiegeber auf die gesetzlichen Mängelrechte des Verbrauchers hinweisen sowie darauf, dass die Inanspruchnahme dieser Rechte unentgeltlich ist und durch die Garantie nicht eingeschränkt wird.

Erschwerend kommt hinzu, dass eine Garantieerklärung dem Verbraucher spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung der Ware auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden muss. Das dürfte insbesondere den ebenfalls betroffenen stationären Handel in manchen Fällen vor praktische Probleme stellen.

Händler und Hersteller sollten bereits geltende und zukünftige Anforderungen beachten

Sowohl Händler als auch Hersteller sollten daher zeitnah prüfen, ob ihr derzeitiges Setup den bereits geltenden und – im Falle der Online-Händler – nunmehr vom BGH konkretisierten Anforderungen an Garantieerklärungen und -informationen genügt und die zukünftigen Verschärfungen in diesem Bereich weiter beobachten bzw. sich auf diese einstellen.

 *Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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