22. Oktober 2019
Mängelrüge Vertrag
Commercial

BGH zur vertraglichen Gestaltung der Mängelrüge

Eine Standardklausel in Verträgen, wonach der Käufer Mängel einer Kaufsache gegenüber der "Betriebsleitung" des Lieferanten rügen muss, ist laut dem BGH unwirksam.

Gemäß § 377 HGB obliegt es dem B2B-Käufer, die gekaufte Ware unverzüglich nach Ablieferung auf Mängel zu untersuchen und entdeckte Mängel unverzüglich gegenüber dem Lieferanten zu rügen. Falls der Käufer diese Untersuchungs- und Rügeobliegenheit verletzt, führt dies zu einer fiktiven Genehmigung der Ware.

Große Bedeutung der Untersuchungs- und Untersuchungsobliegenheit in der Praxis

Auch zunächst verdeckte Mängel muss der B2B-Käufer unverzüglich nach Entdeckung rügen. Ein Verstoß führt zu einer fiktiven Genehmigung der Ware in Ansehung des betreffenden Mangels.

Mängelansprüche des Käufers sind im Falle der fiktiven Genehmigung ausgeschlossen. Diese schwerwiegende und in der Praxis oft unterschätzte Rechtsfolge zeigt, wie wichtig die ordnungsgemäße Untersuchung der Ware und die wirksame Mängelrüge sind.

Vertragliche Gestaltung in Standardbedingungen

Käufer versuchen in der Regel die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit abzumildern oder auszuschließen. Ein Ausschluss ist in Individualvereinbarungen grundsätzlich zulässig. In Standardbedingungen darf die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit laut der Rechtsprechung nur abgemildert, jedoch nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Lieferanten dagegen nutzen ihre Lieferbedingungen oder andere Standarddokumente häufig, um zusätzliche formale Vorgaben für die Geltendmachung der Mängelrüge aufzustellen. Denn nach dem Gesetzesrecht ist die Mängelrüge formfrei möglich. Gemäß der juristischen Kommentarliteratur soll es z.B. zulässig sein, durch Standardbedingungen ein Schriftformbedürfnis für die Mängelrüge einzuführen.

Einen Fall der Verschärfung der gesetzlichen Vorschriften lag nun zunächst dem OLG Frankfurt (Az. 5 U 53/15) und später dem BGH (Beschluss v. 8. Januar 2019 – VIII ZR 18/18) vor.

OLG Frankfurt: Rügefrist von höchstens zwei bis drei Tagen.

Die betreffende Standardklausel legte fest, dass der Käufer die Mängelrüge nur gegenüber der „Betriebsleitung″ des Lieferanten erheben kann.

Das OLG Frankfurt (Urteil vom 29. Dezember 2017 – 5 U 53/15) hielt die Standardklausel noch für wirksam. Da der Käufer den Mangel aus Sicht des OLG Frankfurts nicht rechtzeitig gegenüber der Betriebsleitung des Lieferanten rügte, ging das OLG Frankfurt von einem Verstoß gegen die Rügeobliegenheit und somit von einer fiktiven Genehmigung der Ware aus. Das OLG Frankfurt wies die Mängelansprüche aus diesem Grund zurück.

In diesem Zusammenhang traf das OLG Frankfurt auch eine Aussage zu der Dauer der Rügefrist. Das OLG Frankfurt führte aus, der Käufer hätte die Mangelrüge selbst bei einem zunächst verdeckten Mangel spätestens innerhalb von zwei bis drei Tagen nach Entdeckung des Mangels an den Lieferanten übermitteln müssen.

BGH: Formale Vorgaben an die Mängelrüge können unwirksam sein

Der BGH musste die Wirksamkeit dieser Standardklausel letztlich nicht entscheiden, wies jedoch deutlich darauf hin, dass die Standardklausel eine unangemessene Benachteiligung des Käufers darstellen dürfte. Laut dem BGH darf dem Käufer nicht das Risiko der betriebsinternen Weiterleitung einer Mängelrüge innerhalb der Organisation des Lieferanten auferlegt werden. Gemäß dem BGH war daher keine Mängelrüge gegenüber der Betriebsleitung des Lieferanten erforderlich.

In dem vorliegenden Fall tendierte der BGH somit gegen eine weitere Verschärfung der ohnehin bereits strengen gesetzlichen Regelung zur Untersuchungs- und Rügeobliegenheit des Käufers im B2B‑Bereich. Lieferanten sollten ihre Standardklauseln unter Berücksichtigung des oben genannten BGH-Beschlusses auf ihre Wirksamkeit überprüfen.

Käufer sollten organisatorisch die Einhaltung der kurzen Rügefrist sicherstellen

Die strenge Einschätzung des OLG Frankfurt zur Rügefrist steht dagegen im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung. Das OLG Koblenz ging in einem Urteil vom 24. Juni 2004 (Az. 2 U 39/04) sogar von einer Rügefrist von lediglich ein bis zwei Tagen aus. Auch die Rechtsprechung zur kurzen Rügefrist zeigt, dass die gesetzlichen Vorschriften und vertraglichen Regelungen im Zusammenhang mit der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit von den Parteien von B2B-Kauf- und Werklieferungsverträgen genau beachtet werden müssen. Käufer sollten ein internes System aufbauen und unterhalten, das die kurzfristige und nachweisbare Übermittlung von Mängelrügen sicherstellt.

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