21. Dezember 2021
Warenkaufrichtlinie Online-Handel
Commercial

Neue Regelungen für den Online-Handel: Die Änderungen der Warenkaufrichtlinie

Die Warenkaufrichtlinie tritt am 1. Januar 2022 in Kraft. Wir zeigen auf, welche Änderungen sie für Online-Shops und Unternehmen im digitalen Sektor mit sich bringt.

Die Regelungen zum Kaufrecht waren im BGB bisher grundsätzlich auf analoge Waren ausgelegt, was Unternehmen im digitalen Sektor regelmäßig vor Auslegungsschwierigkeiten stellte. Mit der Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie (RL 2019/771) hat der Bundestag im Juni 2021 das „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ (RL 2019/770) beschlossen. Damit soll der rasanten Entwicklung der Technologie und des elektronischen Handels Rechnung getragen und das Kaufrecht innerhalb der Europäischen Union harmonisiert werden.

Auch wenn die Umsetzung der Richtlinien hauptsächlich den Verbraucher* schützen soll, profitiert auch der elektronische Handel davon. Grenzüberschreitende Warenkäufe werden durch das Gesetz erleichtert und das Wachstumspotential des Online-Handels wird ausgenutzt. Durch die Vereinheitlichung der Rechtsordnungen im europäischen Raum bieten sich für Händler neue Absatzmöglichkeiten. 

Die Neuregelungen treten am 1. Januar 2022 in Kraft und beanspruchen Geltung für alle ab diesem Tag geschlossenen Kaufverträge.

Verbrauchervertrag über digitale Produkte – Verbraucher kann auch mit personenbezogenen Daten zahlen

Durch die Umsetzung der Richtlinie wird eine neue Vertragsart mit eigenem Gewährleistungsrecht ins BGB eingeführt: der sog. „Verbrauchervertrag über digitale Produkte“, der in den §§ 327 ff. BGB-neu geregelt wird. Es handelt sich dabei um ein spezielles Kaufrecht für digitale Produkte, worunter digitale Inhalte (etwa Software, E-Books, Video-, Audio- und Musikdateien) und digitale Dienstleistungen fallen (etwa Datenbanken, Social-Media- und Messengerdienste). 

Dabei ist nicht nur die entgeltliche Nutzung digitaler Produkte umfasst. Stellt der Verbraucher dem Unternehmen als „Bezahlung“ seine personenbezogenen Daten bereit, begründet auch dies einen entsprechenden Vertragsschluss.

Der neue Verbrauchervertrag über Waren mit digitalen Elementen

Vom Vertrag über digitale Produkte abzugrenzen sind Verträge über Waren mit digitalen Elementen (§§ 475b ff. BGB-neu). Darunter fallen Verbraucherverträge über Sachen, die in einer solchen Weise digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass sie ihre Funktionen ohne diese digitalen Elemente nicht erfüllen können (§ 475b BGB-neu). Darunter fallen etwa Smartphones, Smartwatches, WLAN-Router oder körperliche Datenträger wie CDs, DVDs oder USB-Sticks, die ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dienen. 

Wenn im Gegensatz dazu jedoch eine Sache ihre Funktion auch ohne digitale Elemente erfüllen kann (wie etwa bei einem „Smart“-Kühlschrank) oder der Verbraucher einen Vertrag über die Bereitstellung digitaler Elemente abschließt, der nicht Teil des Kaufvertrags ist, gelten die Gewährleistungsrechte je nach betroffenem Produktteil, also etwa für den Kühlschrank die Regelungen des Kaufrechts und für die Software die Regelungen zu digitalen Produkten (§§ 327 ff. BGB-neu). 

Bei einem Verbrauchervertrag über Waren mit digitalen Elementen ist im Zweifel von einer Verpflichtung auch zur Bereitstellung digitaler Inhalte oder Dienstleistungen seitens des Unternehmers auszugehen.

Pflicht der Unternehmen zur Aktualisierung

Es besteht durch den neu eingeführten § 475b BGB-neu für den Unternehmer in Verträgen über digitale Produkte (§§ 327 ff. BGB-neu) und für Sachen, die eine dauerhafte Bereitstellung digitaler Elemente enthalten (§ 475b BGB-neu), die gesetzliche Verpflichtung, dem Verbraucher Aktualisierungen („Updates“) der digitalen Elemente für mindestens zwei Jahre bereitzustellen. Fehlende Aktualisierungen können einen Sachmangel darstellen, was zu Gewährleistungsansprüchen wie dem Recht auf Nacherfüllung oder – bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen – einem Rücktrittsrecht des Käufers führen kann. Es handelt sich dabei um eine Ausnahme des Grundsatzes, dass es für die Bewertung der Mangelhaftigkeit auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs ankommt.

Diese Regelung soll die Funktionsfähigkeit und IT-Sicherheit gewährleisten und bezieht sich lediglich auf sog. „Sicherheitsupdates“. Eine Verpflichtung zur Verbesserung der Software durch die Updates besteht damit nicht; es soll vielmehr der Sicherheitsstandard gewahrt werden. 

Die Dauer der Aktualisierungspflicht ist unbestimmt und richtet sich nach der objektiven Verbrauchererwartung und den Umständen des Einzelfalls; es wird etwa das Betriebssystem eines Computers länger mit Aktualisierungen zu versorgen sein als eine Anwendersoftware. Dabei ist zu beachten, dass sich der Unternehmer eines Dritten, wie etwa des Herstellers oder Lieferanten, bedienen kann, um die Aktualisierungen durchzuführen, was durch eine entsprechende Vereinbarung geregelt werden sollte.

Ferner lässt sich die gesetzliche Aktualisierungspflicht im Kaufvertrag verkürzen oder ausschließen, sofern gemäß § 476 Abs. 2 BGB-neu der Verbraucher von der Abweichung der Kaufsache von den objektiven Anforderungen unterrichtet wurde und dies im Kaufvertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.

Es ist zu empfehlen, mit den Herstellern vertraglich zu vereinbaren, dass diese Aktualisierungen zur Verfügung stellen und die Kunden entsprechend informieren.

Änderungen der Beweislastumkehr bei Mangelhaftigkeit

Bisher war es so, dass eine gesetzliche Vermutung für die Mangelhaftigkeit einer Sache bei Gefahrübergang bestand, wenn sich der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach dem Gefahrübergang zeigte. Dieser Zeitraum wurde nun gemäß § 477 BGB-neu auf ein Jahr erhöht. Dies ist eine deutliche Erleichterung für den Verbraucher, der seine Mängelrechte geltend machen will – und eine zusätzliche Bürde für Online-Shops.

Entbehrlichkeit der Fristsetzung bei Rücktritt, Minderung und Schadensersatz

Während der Verbraucher dem Unternehmer bisher beim Auftreten eines Mangels explizit eine Frist zur Nacherfüllung setzen musste, genügt es nach dem neu eingeführten § 475d BGB-neu nunmehr, wenn der Unternehmer von dem Verbraucher über den Mangel in Kenntnis gesetzt wird. Ab diesem Zeitpunkt läuft eine fiktive angemessene Frist, sodass ein ausdrückliches Nacherfüllungsverlangen nicht mehr erforderlich ist. Sobald diese „Frist“ abläuft – deren Dauer sich nach den Umständen des Einzelfalles richtet –, kann der Verbraucher zurücktreten, den Kaufpreis mindern oder Schadensersatz verlangen.

Es ist dem Unternehmer daher zu raten, Mangelmitteilungen ernst zu nehmen und zügig zu bearbeiten.

Verschärfung der Garantieregelungen

Die Gesetzesneuerung enthält auch eine Verschärfung der Garantieregelungen. So müssen Garantieerklärungen der Unternehmen nunmehr gemäß § 479 BGB-neu dem Verbraucher auch ohne Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Ferner muss in der Erklärung deutlich werden, dass die neben der Garantie bestehenden Gewährleistungsrechte unberührt bleiben und deren Inanspruchnahme unentgeltlich ist.

Wenn die Garantieerklärung nicht alle Anforderungen erfüllt, kann der Verbraucher trotzdem seine Rechte aus der Garantie in Anspruch nehmen, dem Unternehmer droht eine kostenpflichtige Abmahnung. Es ist dabei nach § 126b BGB ausreichend, wenn die Garantieerklärung per E-Mail versandt wird.

Regressansprüche des Unternehmers

Der Unternehmer kann bei seinem Hersteller bzw. Lieferanten weiterhin Regress nehmen, der auf die Ersatzpflicht des Verkäufers wegen Verletzung der Aktualisierungspflicht nach § 475b Abs. 4 BGB-neu erweitert wurde. Ferner wurde die absolute Verjährung der Regressansprüche nach fünf Jahren abgeschafft.

Begriff des Sachmangels nach § 434 BGB ändert sich durch die Umsetzung der Warenkaufrichtlinie

Bisher war eine Sache frei von Mängeln, wenn sie der individuell zwischen den Parteien vereinbarten Beschaffenheit entsprach oder sich für die vom Vertrag vorausgesetzte Verwendung bzw. für die gewöhnliche Verwendung eignete. Objektive Anforderungen spielten damit bisher nur eine Rolle, wenn keine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen wurde. Dieser Vorrang von subjektiven Vereinbarungen gilt nun nicht mehr. In Zukunft ist eine Sache nur noch frei von Sachmängeln, wenn sie kumulativ den objektiven und subjektiven Anforderungen sowie den Montageanforderungen entspricht. Daraus folgt, dass eine Sache mangelhaft i.S.d. § 434 BGB-neu sein kann, selbst wenn sie der Beschaffenheitsvereinbarung entspricht.

Für eine mangelfreie Sache ist nunmehr erforderlich, dass die Kaufsache den objektiven und subjektiven Anforderungen sowie den Montageanforderungen entspricht, also dass sie sowohl der individuellen Beschaffenheitsvereinbarung entspricht als auch objektiv für die Verwendung geeignet ist. 

Für den Online-Handel bedeutet dies, dass in der Produktbeschreibung ausdrücklich und in hervorgehobener Weise darauf hingewiesen werden muss, wenn die Ware eine schlechtere Qualität als üblich aufweist, wie es etwa bei Ausstellungsstücken, „B-Ware“ oder gebrauchten Gegenständen der Fall sein kann. Es ist nicht ausreichend, die Qualitätsabweichung in den AGB oder in einem Formularvertrag festzuhalten oder in einem vorangekreuzten Kästchen darauf hinzuweisen, das der Kunde deaktivieren muss. Vielmehr ist es erforderlich, dass der Kunde mit einem Klick ausdrücklich bestätigt, dass er von dem Mangel Kenntnis genommen hat.

Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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