OLG Koblenz: Ein Fahrzeughersteller agiert nicht im Pflichtenkreis eines Vertragshändlers. Eine Zurechnung von etwaigen Täuschungshandlungen ist daher nicht möglich.
Mit Urteil vom 28. September 2017 (AZ. 1 U 302/17) hat das OLG Koblenz entschieden, dass eine KFZ-Vertragshändlerin nicht für etwaige Täuschungshandlungen des Fahrzeugherstellers einstehen müsse. Inwieweit der Fahrzeughersteller in dem zu entscheidenden Fall überhaupt eine Täuschungshandlung vorgenommen hat, musste das OLG Koblenz nicht entscheiden und prüfte dies auch nicht.
KFZ-Kauf bei Vertragshändlerin
Die Klägerin erwarb ein KFZ von der Beklagten, einer KFZ-Vertragshändlerin. In dem Fahrzeug war ein Diesel-Motor verbaut, der von der sogenannten „Abgas-Affäre″ betroffen ist. Die Klägerin hat die Anfechtung des Kaufvertrags gegenüber der Beklagten erklärt und begehrt die Rückzahlung des Kaufpreises.
Vorwurf: Zurechnung einer etwaigen Täuschungshandlung
Die Klägerin stützte den Rückzahlungsanspruch auf eine Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB.
Hierbei behauptete die Klägerin jedoch keineswegs, dass die Beklagte selbst oder Mitarbeiter der Beklagten über Eigenschaften des Fahrzeugs getäuscht oder Kenntnis von einer etwaigen Täuschung durch den Fahrzeughersteller gehabt hätten. Stattdessen argumentierte die Klägerin, die Beklagte müsse sich eine etwaige Täuschungshandlung des Fahrzeugherstellers zurechnen lassen.
Grundsätze zur Zurechnung von etwaigen Täuschungshandlungen gemäß § 123 BGB
Gemäß § 123 BGB kommt eine Zurechnung in Betracht, falls ein etwaig Täuschender dem Verantwortungsbereich oder Lager der Vertragshändlerin angehört und daher kein sogenannter „Dritter″ ist.
Eine etwaige Täuschungshandlung durch einen „Dritten″ im Sinne von § 123 BGB müsste sich eine Vertragshändlerin wie die Beklagte nur zurechnen lassen, soweit sie von der etwaigen Täuschung Kenntnis hatte.
Kriterien der Zurechnung laut dem OLG Koblenz
Gemäß dem vorliegenden Urteil des OLG Koblenz gehöre der Fahrzeughersteller nicht dem Verantwortungsbereich der Beklagten an. Daher sei der Fahrzeughersteller als „Dritter″ zu werten, dessen etwaige Täuschungshandlung sich die Beklagte als Vertragshändlerin nicht zurechnen lassen müsse. Ein Recht der Klägerin zur Anfechtung schloss das Gericht aus.
Das OLG Koblenz führt zur Begründung zunächst aus, dass die Beklagte lediglich für etwaige Täuschungshandlungen anderer Personen einstehen müsste, wenn deren Verhalten dem der Beklagten gleichzusetzen wäre. Maßgeblich hierfür sei, ob der etwaig Täuschende mit Wissen und Wollen der Beklagten als deren Repräsentant oder Vertrauensperson aufgetreten ist, also ihrem Verantwortungsbereich oder Lager angehört.
Im Rahmen dieser Einordnung als Repräsentant oder Vertrauensperson stellt das OLG Koblenz ausdrücklich auf die Vergleichbarkeit zur Erfüllungsgehilfenstellung gemäß § 278 BGB ab. Daher sei entscheidend, ob der etwaig Täuschende wie ein Erfüllungsgehilfe nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen der Beklagten in ihrem Pflichtenkreis tätig geworden ist.
Konkret argumentierte das OLG Koblenz im vorliegenden Fall, dass die Beklagte als Vertragshändlerin das streitgegenständliche Fahrzeug im eigenen Namen an die Klägerin verkaufte und dabei auch das damit verbundene wirtschaftliche Risiko trug. Der Fahrzeughersteller sei dagegen weder unmittelbar am Vertragsschluss noch an der Übergabe des Fahrzeugs beteiligt gewesen und agierte somit gerade nicht im Pflichtenkreis der Beklagten. Die Zurechnung einer etwaigen Täuschungshandlung sei daher ausgeschlossen.
Etwaige Gewährleistungsansprüche waren nicht entscheidungserheblich
Die Klägerin stützte ihre Ansprüche ausschließlich auf die Anfechtung des Kaufvertrags. Etwaige Gewährleistungsansprüche machte sie nicht geltend. Somit musste das Gericht die Berufung bereits aufgrund der fehlenden Zurechnung der etwaigen Täuschungshandlung zurückweisen.
Fazit: Fahrzeughersteller agiert nicht im Pflichtenkreis der Vertragshändlerin
Das OLG Koblenz knüpft somit an die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung an, wonach ein Hersteller einer Kaufsache regelmäßig nicht Erfüllungsgehilfe des Vertragshändlers oder eines sonstigen Wiederverkäufers ist. Es überträgt diesen Grundsatz auf die Zurechnung von etwaigen Täuschungshandlungen gemäß § 123 BGB.
Diese Verknüpfung erscheint interessengerecht und konsequent, auch wenn sie in der Praxis häufig eine hohe Hürde für den Anfechtenden darstellen dürfte.