…und zwar ins Ausland. Das gilt künftig jedenfalls für deutsche Exporteure, wenn sie keine wirksame Gerichtsstandvereinbarung in ihren Verträgen haben.
Wie der BGH nun in einem Urteil vom 23.06.2010 (Az. VIII ZR 135/08) entschieden hat, kann sich ein deutscher Verkäufer, der seinen in einem anderen Land der EU ansässigen Kunden verklagen will, nicht mehr darauf berufen, der Erfüllungsort und damit der Gerichtsstand liege am Sitz des Verkäufers und somit in Deutschland.
Wie war die Situation bisher? Nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO kann eine Person, die ihren (Wohn-)Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats der EU hat, vor dem Gericht desjenigen Ortes, an dem die Vertragsverpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, verklagt werden. Handelt es sich bei dem Vertrag um einen Verkauf beweglicher Sachen, gilt nach Art. 5 Nr. 1 lit. b erster Spiegelstrich EuGVVO als Erfüllungsort – sofern nichts anderes vereinbart ist – der Ort, an dem die Sachen geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen. Der nach dieser Vorschrift zu bestimmende Gerichtsstand gilt dabei für alle Klagen aus dem Vertragsverhältnis, nicht nur für die Lieferverpflichtung, insbesondere also auch für eine Kaufpreisklage. Dem Lieferort gem. Art. 5 Nr. 1 lit. b erster Spiegelstrich EuGVVO kommt also für die Bestimmung des Gerichtsstandes entscheidende Bedeutung zu.
Dieser wurde nach bisher herrschender Meinung durch Rückgriff auf das dem Vertrag zugrunde liegende materielle Recht ermittelt. War bei einem grenzüberschreitenden Kaufvertrag das UN-Kaufrechtsübereinkommen (CISG) anwendbar, bestand die Lieferpflicht des Verkäufers in der Übergabe der Ware an den ersten Beförderer (Art. 31 lit. a CISG). Der Lieferort befand sich damit beim Verkäufer. Zum selben Ergebnis gelangte man bei Anwendung unvereinheitlichem deutschen Recht (§ 269 Abs. 1 BGB). Ein deutscher Exporteur konnte also, wenn keine anderweitige Gerichtsstands- oder Erfüllungsortvereinbarung bestand, seinen in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ansässigen Kunden vor dem eigenen Heimatgericht verklagen.
Damit ist es nun vorbei. Auf einen Vorlagebeschluss des BGH vom 09.07.2008 hatte der EuGH mit Urteil vom 25.02.2010 (NJW 2010, 1059) entschieden, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b erster Spiegelstrich dahin auszulegen ist, dass bei Versendungskäufen der Lieferort autonom, d.h. ohne Rückgriff auf das dem Vertrag zugrunde liegende materielle Recht bestimmt werden müsse und dass dies derjenige Ort sei, an dem der Käufer am endgültigen Bestimmungsort der Ware die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Ware erlange. Dies ist in der Regel der Sitz des Käufers.
Diese Grundsätze hat der BGH (VIII ZR 135/08) nunmehr – soweit ersichtlich erstmals – auf einen konkreten Fall angewendet und festgestellt, dass für die Klage eines in Italien ansässigen Verkäufers gegen einen Käufer mit Sitz in Deutschland das deutsche Gericht am Sitz des Käufers international zuständig ist (eine ausführliche Urteilsanmerkung finden Sie hier).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf Versendungskäufe deutscher Exporteure werden diese sich darauf einzustellen haben, Kaufpreis- oder sonstige Klagen am Sitz ihrer ausländischen Kunden erheben zu müssen – unter Inkaufnahme einer meist langen Prozessdauer und höherer Kosten. Abhilfe leisten kann man mit Gerichtsstandvereinbarungen. Allerdings übersehen juristisch nicht gut beratene deutsche Unternehmen oft, dass eine lediglich in den eigenen AGB enthaltene Gerichtsstandsklausel oft die notwendige Schriftform des Art. 23 Abs. 1 EuGVVO nicht erfüllt und daher unwirksam ist. Bleibt die ebenfalls in AGB häufig anzutreffende Erfüllungsortklausel. Art. 5 Nr. 1 lit. b erster Spiegelstrich EuGVVO eröffnet den Parteien ja die Möglichkeit, einen anderen Erfüllungsort als den Sitz des Käufers zu vereinbaren. Wie der BGH in der zitierten Entscheidung festgestellt hat, reichen dazu aber übliche Lieferklauseln oft nicht aus, da sie meist nicht den Erfüllungsort, sondern nur die Kosten des Transports regeln. Deutsche Exporteure sind daher künftig gut beraten, wenn sie ihre AGB und die Art und Weise ihrer Einbeziehung in die Lieferverträge daraufhin überprüfen, ob damit ein Gerichtsstand am eigenen Sitz begründet werden kann.