Der Bundesgerichtshof hat die Bündelung zusammenhängender Streitigkeiten zwischen mehreren Beteiligten in einem Verfahren erleichtert. Die Entscheidung (Beschluss vom 30. September 2010, Xa ARZ 191/10) hat erhebliche Auswirkungen und bringt Neuerungen gegenüber der bisherigen Praxis mit sich.
Der deutsche Zivilprozess ist auf Streitigkeiten zwischen zwei Parteien (oder zwei Gruppen) angelegt. Hat eine der Parteien eine Streitigkeit mit einem Dritten, der nicht zur gegnerischen Gruppe gehört, muss grundsätzlich ein gesonderter Prozess geführt werden. Dies gilt auch dann, wenn es eigentlich um dieselbe Sache geht.
Ausnahmen hiervon gibt es nur wenige. Ein Beispiel für eine solche Dreiecksbeziehung bildet der folgende Fall:
Patient (P) lässt sich von dem Zahnarzt (Z) behandeln. Die Behandlungskosten betragen EUR 10.000,-. Z verkauft seine Forderung gegen P an ein ärztliches Rechnungszentrum (R), das die Behandlung gegenüber P abrechnet. P rügt Behandlungsfehler und zahlt die Rechnung nicht.
R verklagt daraufhin P auf Zahlung von EUR 10.000,- aus abgetretenem Recht. P will sich nicht nur gegen diese Klage von R wehren, sondern möchte auch gerichtlich feststellen lassen, dass dem bisher an dem Verfahren gar nicht beteiligten Z keinerlei Ansprüche aus der misslungenen Behandlung zustehen.
Die Feststellungsklage von P gegen Z wird als „isolierte Drittwiderklage″ bezeichnet. „Widerklage„, weil der Beklagte P diese Klage in dem laufenden Prozess erhebt; „Drittwiderklage″, weil er dadurch eine außenstehende Partei (Z) in den Prozess zwischen ihm und R einbezieht; und „isolierte Drittwiderklage″, weil sich die Klage von P ausschließlich gegen einen Dritten richtet – es gibt auch Fälle, in denen der Beklagte den Kläger und einen Dritten zusammen verklagt („streitgenössische Drittwiderklage″).
Der obige Beispielsfall ist einer der Ausnahmefälle, in denen der BGH die isolierte Drittwiderklage zulässt: Der Kläger klagt aus abgetretenem Recht und der Beklagte begehrt die Feststellung, dass dem ursprünglichen Inhaber der Forderung (Zedent) keine Ansprüche zustehen. In der Praxis scheiterte die isolierte Drittwiderklage aber meist daran, dass das Prozessgericht für eine Klage gegen den Dritten nicht zuständig war. Bisher meinte der BGH, dass der Gerichtsstand der Widerklage (§ 33 ZPO) für die isolierte Drittwiderklage nicht einschlägig sei; § 33 ZPO bestimmt, dass das Prozessgericht auch für (echte) Widerklagen zuständig ist. Auch die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sollte unzulässig sein.
An dieser Stelle hat der BGH nun eine Kehrtwende vollzogen. Wenn eine isolierte Drittwiderklage zulässig ist, dann ist das Prozessgericht auch entsprechend § 33 ZPO zuständig (Beschluss vom 30. September 2010, Xa ARZ 191/10, Rn. 4). Diese Entscheidung stellt eine erhebliche Erleichterung für die Praxis dar. Es ist nun leichter, zusammenhängende Streitigkeiten zwischen mehreren Beteiligten in einem Verfahren zu bündeln. Wenn eine isolierte Drittwiderklage zulässig ist, kann die Bündelung nicht mehr an Zuständigkeitsfragen scheitern.
Unklar ist allerdings, ob der BGH auch die strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die (isolierte) Drittwiderklage abmildern wird. Das Oberlandesgericht Dresden will die Drittwiderklage immer dann zulassen, wenn die materiellen Rechtsbeziehungen zwischen Beklagtem und Drittem in rechtlichem Zusammenhang mit der Klage oder den Verteidigungsmitteln stehen (Beschluss vom 17. April 2002, 1 AR 17/02). Der BGH lässt ausdrücklich offen, ob er dem folgen wird (Beschluss vom 30. September 2010, Xa ARZ 191/10, Rn. 14).