Streiten Parteien, ob ein Anspruch vor einem Schieds- oder einem staatlichen Gericht durchzusetzen ist, kann jede Partei dies vorab gerichtlich klären lassen.
Parteien streiten sich nicht nur über das Bestehen von Ansprüchen, sondern immer wieder auch über die Frage, auf welchem Wege streitige Ansprüche durchzusetzen sind. Der Staat stellt für die verbindliche Entscheidung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten die Zivilgerichte zur Verfügung. Aufgrund vertraglicher Vereinbarungen können die Parteien Streitigkeiten aber auch von Schiedsgerichten verbindlich klären lassen.
Beispielsfall zu § 1032 Abs. 2 ZPO
K als Käufer und V als Verkäufer haben einen Rahmenvertrag über die Lieferung von Werkzeugen geschlossen, der K zum regelmäßigen Abruf bestimmter Mengen berechtigt. Dieser Rahmenvertrag enthält eine Schiedsklausel. K behauptet, die letzte Werkzeuglieferung des V sei mangelhaft. Er macht daher einen Schadenersatzanspruch gegenüber V geltend und droht, diesen Anspruch nötigenfalls durch Klageerhebung vor einem staatlichen Gericht durchzusetzen – die Schiedsklausel des Rahmenvertrags hätten die Parteien schließlich mittlerweile aufgehoben und für seinen Schadenersatzanspruch gelte diese Schiedsklausel ohnehin nicht. V teilt K daraufhin mit, dass die Werkzeuge mangelfrei seien und er in einem Gerichtsverfahren die Schiedseinrede erheben werde – von einer Aufhebung der Schiedsklausel könne keine Rede sein und der angebliche Schadenersatzanspruch sei selbstverständlich von der Schiedsklausel umfasst.
Für K stellt sich nun die Frage, welchen Weg er zur Durchsetzung seines Anspruchs einschlagen soll. Soll er Klage zum staatlichen Gericht erheben und riskieren, dass V die Schiedseinrede erhebt um die Schadenersatzklage nach § 1032 Abs. 1 ZPO als unzulässig abweisen zu lassen? Oder soll K sich dem Willen des V beugen und ein Schiedsverfahren einleiten?
Alternative zur sofortigen Klageerhebung: Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO
In solchen Fällen eröffnet § 1032 Abs. 2 ZPO eine weitere Möglichkeit:
Bei Gericht kann bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden.
K könnte also beim zuständigen Oberlandesgericht beantragen, die Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens über den von ihm behaupteten Schadenersatzanspruch festzustellen.
Das Oberlandesgericht prüft dann,
ob eine wirksame Schiedsvereinbarung vorliegt, diese durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012, III ZB 66/11, SchiedsVZ 2012, 281, 282).
Der Antrag setzt nicht voraus, dass ein Schiedsverfahren bereits eingeleitet wurde. Er kann aber auch nach Einleitung eines Schiedsverfahrens noch gestellt werden, solange das Schiedsgericht noch nicht vollständig konstituiert ist.
Wirkungen einer rechtskräftigen Feststellung
Stellt das Oberlandesgericht die Unzulässigkeit eines Schiedsverfahrens über den zwischen K und V streitigen Anspruch (rechtskräftig) fest, kann K vor dem zuständigen staatlichen Gericht Schadenersatzklage erheben, ohne deren Abweisung als unzulässig befürchten zu müssen: V kann in diesem Verfahren die Schiedseinrede nicht mehr erfolgreich geltend machen.
Zudem hätte eine Schiedsklage des V gerichtet auf Feststellung, dass K der geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht zusteht, keine Aussicht auf Erfolg. Würde das Schiedsgericht einen Schiedsspruch erlassen, so wäre dieser jedenfalls aufhebbar gemäß § 1059 Abs. 1, 2 Nr. 1 ZPO, nach anderer Ansicht sogar nichtig.
Wann ein Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO empfehlenswert ist
Ist sich K – gegebenenfalls nach der Einholung von Rechtsrat – sicher, dass die Schiedsklausel des Rahmenvertrags entweder wirksam aufgehoben wurde oder seinen Schadenersatzanspruch nicht umfasst, ist ein Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO eher nicht zu empfehlen. K sollte in diesem Fall direkt Klage vor dem zuständigen staatlichen Gericht erheben. V könnte zwar die Schiedseinrede erheben, würde damit aber nicht durchdringen. Ein Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO wäre in diesem Fall letztlich nur Zeit- und Geldverschwendung.
Attraktiv kann das Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO jedoch sein, wenn die Wirksamkeit oder Anwendbarkeit einer Schiedsvereinbarung unklar bleibt. Die gerichtliche Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Schiedsverfahrens nimmt dem Kläger dann das Risiko, zunächst das „falsche″ Verfahren einzuleiten und hierfür die gesamten Kosten zu tragen. Im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO setzen die Gerichte für den Streitwert meist lediglich 1/3 des Streitwerts der „Hauptsache″ oder sogar weniger an. Zudem sind die Gerichtsgebühren geringer. Das Kostenrisiko eines solchen Antrags ist damit überschaubarer als etwa bei der Einleitung eines Schiedsverfahrens in der Hauptsache.
Zu beachten ist, dass der Antrag gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO nach herrschender Meinung die Anspruchsverjährung nicht hemmt. Steht die Verjährung eines Anspruchs unmittelbar bevor, ist ein Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Schiedsverfahrens daher nur anzuraten, wenn die Verjährung durch andere Maßnahmen gehemmt werden kann.