Ausschuss des EU-Parlaments fordert, Unbundling von Wasserstoffnetzen entsprechend den Vorgaben für Gasnetze auszugestalten.
Im Dezember 2021 hatte die EU-Kommission Vorschläge zum Unbundling von Wasserstoffnetzen vorgelegt. Damit war sie allerdings über das Ziel hinausgeschossen, hätten sie doch dem Wasserstoffhochlauf in Deutschland ein jähes Ende bereitet. Der Industrie-, Forschungs- und Energieausschuss (ITRE) des EU-Parlaments hat sich nun zu diesen Vorschlägen der EU-Kommission positioniert und eine Reihe von Änderungen gefordert.
Vorschlag der EU-Kommission: Grds. eigentumsrechtliche Entflechtung
Die von der EU-Kommission vorgeschlagene vertikale Entflechtung von Wasserstoffnetzen hätte eine grundsätzliche Verpflichtung zur eigentumsrechtlichen Entflechtung beinhaltet. Bei einer solchen hätte das Wasserstoffnetz an einen Dritten verkauft werden müssen, der – anders als der eigene Konzern – nicht auch im Bereich Energieerzeugung oder -vertrieb tätig ist oder kontrollierende Beteiligungen an derartigen Unternehmen hält.
Alternativ zur eigentumsrechtlichen Entflechtung hätte nach dem ISO-Modell vorgegangen werden können. Hierbei wäre das Eigentum am Wasserstoffnetz beim vertikal integrierten Konzern verblieben. Der Betrieb des Wasserstoffnetzes hätte aber auf einen rechtlich selbständigen und weitestgehend unabhängigen Dritten übertragen werden müssen.
Als weitere Alternative zur eigentumsrechtlichen Entflechtung wäre den Vorschlägen der EU-Kommission zufolge (nur) bis zum 31. Dezember 2030 ein Rückgriff auf das sog. ITO-Modell möglich gewesen. Der Netzbetreiber und zugleich Eigentümer des Wasserstoffnetzes hätte hierbei bis zum 31. Dezember 2030 im vertikal integrierten Konzern verbleiben können, vorausgesetzt, es handelt sich um ein vom Konzern vollständig funktional getrenntes, selbständiges Unternehmen, das unabhängig unternehmerische Entscheidungen über die Organisation und den Netzbetrieb trifft.
Vorschlag der EU-Kommission beinhaltete auch horizontale Entflechtung
Nach dem Willen der EU-Kommission hätte auch eine horizontale Entflechtung der Wasserstoffnetze erfolgen sollen. Für den Betrieb des Gas- und des Wasserstoffnetzes einer Unternehmensgruppe hätten dementsprechend getrennte Gesellschaften geschaffen werden müssen.
ITRE fordert vertikale Entflechtung entsprechend den Vorgaben für Gasnetze
Die Änderungen des ITRE des EU-Parlaments sehen demgegenüber vor, dass die vertikale Entflechtung entsprechend den aktuell gültigen Vorgaben im Bereich Gas erfolgen soll. Damit geht einher, dass deutlich zwischen Fernleitungs- und Verteilnetzebene unterschieden wird. Konkret bedeutet dies:
- Wasserstoffverteilernetze sollen nur rechtlich, organisatorisch, informatorisch und rechnungsmäßig entflochten werden, wie es bereits für Gasverteilernetze vorgesehen ist. Eine eigentumsrechtliche Entflechtung muss nicht erfolgen.
- Wasserstofffernleitungsnetze hingegen sollen grds. eigentumsrechtlich entflochten werden, wobei alternativ auch die auf Gasfernleitungsnetzebene bekannten Modelle ISO und ITO zur Verfügung stehen sollen. Die Befristung des ITO-Modells soll entfallen.
ITRE will keine horizontale Entflechtung
Nach dem Willen des ITRE des EU-Parlaments soll die von der EU-Kommission ebenfalls vorgeschlagene horizontale Entflechtung von Wasserstoffnetzen komplett gestrichen werden.
Diese Änderungen der Vorgaben für vertikale und horizontale Entflechtung würden den Rahmen für einen schnellen und kostengünstigen Aufbau eines Wasserstoffnetzes, sowohl auf Fernleitungs- als auch auf Verteilnetzebene, aus dem vorhandenen Gasnetz schaffen.
Genaue Positionierung des EU-Rates noch ausstehend
Im Anschluss an eine formale Bestätigung des Verhandlungsmandats durch das EU-Parlament würden Verhandlungen zwischen dem EU-Parlament, dem EU-Rat und der EU-Kommission aufgenommen.
Eine genaue Positionierung des EU-Rates zu den Vorschlägen der EU-Kommission steht noch aus. Lt. den bisherigen Beratungsergebnissen der Vorbereitungsgremien des EU-Rates soll die im Grundsatz eigentumsrechtliche Entflechtung von Wasserstoffnetzbetreibern beibehalten werden. Allerdings soll die Befristung des alternativ möglichen ITO-Modells entfallen. Eine Differenzierung zwischen Fernleitungs- und Verteilnetzebene sowie eine Streichung der horizontalen Entflechtung von Wasserstoffnetzen ist bislang nicht vorgesehen.
Gegenüber den Vorschlägen der EU-Kommission wären diese möglichen Änderungen zwar sowohl auf Fernleitungs- als auch auf Verteilnetzebene ein Schritt in die richtige Richtung, für einen schnellen und kostengünstigen Aufbau eines Wasserstoffnetzes, aus dem vorhandenen Gasnetz aber dennoch hinderlich. Auch auf Verteilnetzebene müsste der Netzbetreiber nämlich nach dem ISO- oder ITO-Modell entflochten werden, um das Verteilnetz nicht an einen Dritten veräußern zu müssen. Das ISO-Modell hat jedoch bereits auf Transportnetzebene in Deutschland keine Akzeptanz gefunden. Der mit den Modellen ISO und ITO verbundene Aufwand sowie Änderungen im Geschäftsbetrieb stellen zudem keinen Anreiz für Investitionen in den Aufbau eines Wasserstoffnetzes auf Verteilnetzebene dar. Gleiches würde für eine Beibehaltung der horizontalen Entflechtung von Wasserstoff- und Gasnetzen gelten. Eine Aufteilung der Netze in zwei Gesellschaften würde zusätzliche bürokratische Hürden schaffen und einen effizienten Netzbetrieb verhindern. Dementsprechend wäre es aus Sicht der Netzbetreiber wünschenswert, wenn am Ende der Verhandlungen den Änderungsvorschlägen des ITRE des EU-Parlaments gefolgt werden würde.