8. Dezember 2016
Acqui-Hire digitale Kompetenz
Corporate / M&A

Akquisition trifft Hiring – wie Unternehmen digitale Kompetenz aufbauen können

Die Digitalisierung bringt die Herausforderung mit sich, schnell technologisches Know-how aufzubauen. Acqui-Hire kann hier Abhilfe schaffen.

Der zunehmende Einfluss der Digitalisierung auf die Wirtschaft und die Märkte führt dazu, dass der Zukauf ganzer Teams von Mitarbeitern als mögliches Werkzeug für die schnelle und effektive Talentbeschaffung angesehen wird. Acquisition and Hire/Hiring in einem Vorgang, also Acqui-Hire.

Der neue Transaktionstrend beschreibt die gezielte Übernahme von Arbeitnehmern, um diese im eigenen Unternehmen anzustellen. Diese Vorgehensweise an sich ist nicht neu. Doch die zunehmende Bedeutung der Digitalisierung und des technischen Know-Hows für den Wandel der Unternehmen hin zu Technologiekonzernen rückt den einzelnen Mitarbeiter als wesentlichen Faktor einer Transaktion immer mehr in den Vordergrund. Denn oftmals wird die Digitalisierung durch Start-ups vorangetrieben, deren Kapital nicht in Maschinen und Anlagen, sondern gerade in den Köpfen der Mitarbeiter liegt.

Die Vorteile eines Acqui-Hire für beide Seiten

Der Trend Acqui-Hire ist mittlerweile nicht nur bei kleineren Start-up Teams anzutreffen. Auch größere Teams von Mitarbeitern wurden in der Vergangenheit „acquihired″.

Die Vorteile für die Unternehmen liegen auf der Hand. Acqui-Hire bietet eine effektive Möglichkeit, schnell ganze funktionierende, hochqualifizierte und motivierte Teams zu erwerben. Aus Sicht der Start-up Unternehmen kann ein Acqui-Hire den Zugang zu ganz neuen Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen. Mit der finanziellen und organisatorischen Schlagkraft eines etablierten Unternehmens können neue Märkte erschlossen werden. Auch Synergieeffekte über die Verknüpfung von bereits vorhandenen Kompetenzen des Unternehmens mit den komplementären Kompetenzen des neuen Start-up-Teams gehören zu den Vorteilen eines Acqui-Hire.

Acqui-Hire als „Clash of Cultures″

Die wesentliche Herausforderung einer Acqui-Hire-Transaktion für beide Seiten liegt in einem „clash of cultures„, der gerade bei einem Acqui-Hire besonders stark zu Tage tritt.

Der Käufer, ein Konzern mit etablierten Strukturen, einem gewissen Sicherheitsdenken und M&A-Erfahrung auf der einen Seite. Das Zielunternehmen bzw. die Verkäufer, ein Technologie-(Start-up) Unternehmen mit einer weniger prozessgesteuerten Aufstellung und mit Unternehmenstransaktionen bislang meist nicht befasst auf der anderen Seite: Vor diesem Hintergrund müssen sich beide Seiten darauf einstellen, schon im Rahmen der Durchführung der Transaktion außerhalb der gewohnten Arbeitsweise und der bekannten Strukturen zu agieren.

Die Due Diligence bei einem Acqui-Hire als erste Bewährungsprobe

Die erste Bewährungsprobe auf dem Weg zu einer gemeinsamen Zukunft für beide Seiten bildet aus rechtlicher Sicht der Due Diligence Prozess.

Aus Sicht des Käufers wird es darauf ankommen, schon in einer frühen Phase der Due Diligence Kontakt zumindest zu den Schlüsselmitarbeitern herzustellen. Dem steht jedoch das Interesse des Verkäufers entgegen. Er möchte sensible Informationen schützen und die Belegschaft nicht unnötig früh im Verlauf der Transaktion verunsichern oder gar das mögliche Abwerben von Schlüsselmitarbeitern durch den Käufer zu riskieren.

Darüber hinaus bestehen kartellrechtliche Beschränkungen im Hinblick auf den zulässigen Informationsaustausch im Rahmen einer Due Diligence. In diesem Spannungsfeld zwischen kartellrechtlichen Restriktionen, einer nicht zu frühen Verunsicherung der Mitarbeiter und dem Interesse des Käufers an einer umfassenden Informationsgewinnung aus erster Hand können sogenannte „Key-Expert-Treffen″ Abhilfe schaffen.

Schlüsselmitarbeiter mit in Planung der Acqui-Hire-Transaktion einbeziehen

In der Regel werden auch im Zielunternehmen bestimmte Schlüsselmitarbeiter frühzeitig in die Planung und Durchführung der Acqui-Hire-Transaktion einbezogen. Treffen mit diesen Schlüsselmitarbeitern und Gespräche zu bestimmten Schlüsselthemen wie HR und Finance können zum einen das Informationsbedürfnis des Käufers deutlich mehr befriedigen, als der bloße Zugriff des Käufers auf die Informationen in einem Datenraum. Zum anderen kann eine erste Vertrauensbasis für die künftige Zusammenarbeit geschaffen werden. Der Zugang zu den Schlüsselmitarbeitern sollte dabei stufenweise erfolgen und von dem Maß der Transaktionssicherheit aus Sicht des Verkäufers abhängig gemacht werden.

Zu bedenken ist, dass eine genaue Planung dieser Treffen im Vorfeld erforderlich ist. Sowohl der Teilnehmerkreis als auch die Agenda sollten im Vorfeld genauestens abgestimmt und kartellrechtlich aber auch datenschutzrechtlich überprüft werden. Es ist zudem aus Sicht des Verkäufers unabdingbar, diese Key-Expert-Treffen sorgfältig zu protokollieren und die Protokolle in den Datenraum einzustellen, um den Nachweis der Kenntnis des Käufers im Rahmen eines General Disclosure Konzepts später einfacher führen zu können. Aus Sicht des Verkäufers wiederum wird es bereits in einer frühen Phase der Acqui-Hire-Transaktion erforderlich sein, ein Abwerbeverbot bezüglich der Schlüsselmitarbeiter zu vereinbaren. Dieses verhindert, dass der Käufer nach durchgeführter Due Diligence mit Key-Expert-Treffen von der Transaktion Abstand nimmt, zugleich aber die dann bekannten Schlüsselmitarbeiter abwirbt.

Mitarbeiterinformationsveranstaltung planen – denn „Communication is key“

Schon die Durchführung der Due Diligence zeigt, dass die Fusion zweier Unternehmen bei einer Acqui-Hire-Transaktion mehr als bloße Finanzmathematik oder die Abwägung juristischer Risiken ist.

Auch soziokulturelle Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Passen die Unternehmenskulturen zusammen? Wie kann die Wendigkeit, Flexibilität und Schnelligkeit eines Start-ups genutzt und bei einer Integration nicht ausgebremst werden? Wie kann den neuen Mitarbeitern die Angst vor dem großen Unbekannten genommen und auf der anderen Seite die Skepsis der Bestandsmitarbeiter des Käufers überwunden werden?

Die frühzeitige offene Kommunikation zwischen Verkäufer, Käufer und den Mitarbeitern trägt entschieden dazu bei, die Übernahme zu einem Erfolg werden zu lassen. Um eine Verunsicherung der Belegschaft in einem frühen Stadium der Transaktion zu vermeiden, kann es im Interesse aller Beteiligten sein, schon frühzeitig die Pläne des Käufers im Hinblick auf die Zukunft der Mitarbeiter zu kommunizieren und ein schlüssiges Integrationskonzept zu präsentieren.

Damit rückt das Thema Post Merger Integration noch früher als bei klassischen M&A-Transaktionen in den Vordergrund. Die frühzeitige Kommunikation kann dabei über Mitarbeiterinformationsschreiben, aber auch im Rahmen einer Mitarbeiterinformationsveranstaltung erfolgen, bei der auch Einzelgespräche mit den Mitarbeitern geführt werden können. Zwar erfordert die Vorbereitung und Durchführung einer solchen Mitarbeiterinformationsveranstaltung und der Einzelgespräche einen großen Vorbereitungsaufwand und bindet Kapazitäten beim Käufer. Diese Investition kann sich jedoch lohnen, da damit ein positives Klima der Wertschätzung geschaffen wird, welches die Integration der neuen Mitarbeiter enorm fördert.

M&A-Anwälte bei einer Acqui-Hire-Transaktion – mehr als bloße Rechtsberater

Der Transaktionsanwalt ist bei einer Acqui-Hire-Transaktion weit mehr gefordert, als nur in seiner Rolle als juristischer Berater. Auch die Prozesssteuerung gehört, insbesondere, aber nicht nur bei der Beratung eines Start-up Unternehmens zu den wichtigen Aufgaben und Herausforderung einer Acqui-Hire-Transaktion.

Vorausschauendes Planen im Hinblick auf die nächsten Prozessschritte ist gefragt. Diese Aufgabe ist für eine schnelle und effiziente Durchführung des Transaktionsprozesses nicht zu unterschätzen. Nicht zuletzt wird sich der Transaktionsanwalt auch in der Rolle als Vermittler oder Übersetzer wiederfinden. Unabhängig davon, ob der Mandant ein Konzern oder ein Start-up Unternehmen ist, wird die Fähigkeit des Transaktionsanwalts, mit Augenmaß das Verständnis für die Gegenseite zu wecken, entscheidend zum Erfolg der Acqui-Hire-Transaktion beitragen.

Fazit: Gute Planung und rechtliches Geschick notwendig

Die Ergebnisse der Due Diligence, eine kluge Strukturierung und der wirtschaftliche „Fit″, entscheiden nach wie vor über den Erfolg (auch) einer Acqui-Hire-Transaktion. Es wird jedoch gerade bei einer Acqui-Hire Transaktion ganz offensichtlich, dass sich der Zukauf von Talent, Erfahrung und Expertise nicht nur auf dem Papier planen und schon gar nicht erzwingen lässt.

Darüber hinaus müssen alle Beteiligten viel Geduld und Verständnis investieren, um eine Acqui-Hire-Transaktion zu einem Erfolg zu machen.

Sehen Sie auch das Video aus der Edge Reihe zum Thema „Acqui-Hires – vom Verschmelzen zweier Welten„.

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Tags: Acqui-Hire digitale Kompetenz