Das Inkrafttreten des Gesetzes über elektronische Wertpapiere (eWpG) läutet eine neue Ära für die Wertpapierpraxis ein. Wir stellen das neue Gesetz vor.
Dieser Beitrag ist der erste von insgesamt vier Teilen zur Vorstellung des eWpG. Die weiteren Teile finden Sie verlinkt unten am Beitragsende.
Das Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) ist am 10. Juni 2021 in Kraft getreten, nachdem es am 6. Mai 2021 vom Bundestag verabschiedet und am 9. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde. Emittenten ist es nun möglich, Wertpapiere auch auf elektronischem Wege, z.B. unter Nutzung der Blockchain- bzw. Distributed Ledger-Technologie, zu begeben. Das eWpG leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Attraktivität des hiesigen Finanzstandorts und ist ein erster Schritt auf dem Weg zur tokenisierten Aktie.
Wesentliche Änderungen des eWpG gegenüber dem Regierungsentwurf
Gegenüber dem Regierungsentwurf vom 16. Dezember 2020 kam es am Ende des Gesetzgebungsverfahrens noch zu letzten Änderungen, insbesondere zu folgenden Modifikationen beim eWpG:
- Emittenten können nunmehr veranlassen, dass der (öffentliche) Zugang zu niedergelegten Emissionsbedingungen in bestimmten Fällen beschränkt wird (§ 5 Abs. 1 Satz 2 eWpG).
- Für den Fall der Einzeleintragung können neben natürlichen und juristischen Personen jetzt auch rechtsfähige Personengesellschaften als Inhaber eines elektronischen Wertpapiers in ein elektronisches Wertpapierregister eingetragen werden (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 eWpG).
- In Anlehnung an den Referentenentwurf von dem Bundesjustiz- und dem Bundesfinanzministerium vom 11. August 2020 wurde der Anwendungsbereich des gutgläubigen Erwerbs elektronischer Wertpapiere in Einzeleintragung (wieder) erweitert (§ 26 Satz 2 eWpG i.V.m. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 eWpG):
Geschützt wird der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis nunmehr insoweit, als eine Verfügungsbeschränkung dem Erwerber gegenüber nur wirksam ist, wenn sie im elektronischen Wertpapierregister eingetragen oder dem Erwerber bekannt ist. Der Gutglaubensschutz erstreckt sich dabei auf das Nichtbestehen nicht eingetragener, relativer Verfügungsbeschränkungen, wie z.B. in den Fällen, wenn der Veräußerer als Erbe bei Anordnung der Testamentsvollstreckung seine Verfügungsbefugnis an den Testamentsvollstrecker verloren hat (vgl. § 1984 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder als Schuldner in der Insolvenz seine Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter übergegangen ist (vgl. § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO). Tatsächlich bestehende, aber nicht registrierte relative Verfügungsbeschränkungen können also vom Erwerber überwunden werden.
Nicht vom Gutglaubensschutz umfasst werden hingegen z.B. gesetzliche (Veräußerungs-)Verbote gemäß § 134 BGB oder anderweitige absolute Verfügungsbeschränkungen wie etwa bei einer Verfügung über das ganze Vermögen durch einen Ehegatten ohne Einwilligung des anderen Ehegatten (vgl. § 1365 BGB) sowie Beschränkungen der Geschäftsfähigkeit. Solche sonstigen Verfügungsbeschränkungen bzw. -hindernisse können gleichwohl auf Weisung zusätzlich in das Register eingetragen werden.
Bedeutung des eWpG für die Wertpapierpraxis
Das eWpG bietet einen verlässlichen Rechtsrahmen für die Begebung und den Handel von elektronischen Wertpapieren. Dieser bedarf allerdings noch näherer Ausfüllung durch zahlreiche, von dem Bundesjustiz- und dem Bundesfinanzministerium bzw. der BaFin zu erlassende Verordnungen (vgl. §§ 15 und 23 eWpG), um Rechtssicherheit zu schaffen.
Das neue Gesetz ist ein begrüßenswerter Schritt in die Richtung der Modernisierung des deutschen Wertpapierrechts. Denn das bisher absolut geltende Erfordernis der Verbriefung in einer physischen Urkunde wird den Anforderungen der digitalen Finanzwirtschaft nicht mehr gerecht. Auch bislang schon lief der Großteil des bisherigen Wertpapierhandels digital und ohne Übergabe physischer Urkunden ab. Allerdings mussten sich die Akteure dafür dem aufwendigen, wenngleich natürlich bewährten System der Zentralverwahrung und mehreren Intermediären bedienen. Elektronische Wertpapiere ermöglichen einen schnelleren und kosteneffizienteren Kapitalmarkt, da weniger Intermediäre in die Transaktionen eingeschaltet werden müssen und die Begebung, Aufbewahrung und Verwaltung der physischen Urkunden entfallen. Bislang mussten Wertpapiertransaktionen bei Brokern und Börsen elektronisch verbucht und die Transaktionsdaten an den Zentralverwahrer übermittelt werden, der dann nach Vornahme der entsprechenden Änderungen auf den Konten der Akteure die Transaktion digital bestätigte. Währenddessen verblieb das physische Wertpapier unberührt im Lager des Zentralverwahrers.
Diese Schritte können in dieser Form nun obsolet werden, bleiben aber auch weiterhin möglich. Ein weiterer Vorteil gegenüber der tradierten Wertpapierpraxis ist, dass die Eintragung in elektronischen Wertpapierregistern zu einer Publizitätswirkung führt, die künftig auch besonders für den Gutglaubensschutz von großem Vorteil sein wird.
Mit dem eWpG nähert sich Deutschland schließlich an die Rechtslage in anderen Staaten an, welche die elektronische Begebung von Wertpapieren bereits ermöglichen. Mit dem Gesetz wird folglich auch die Attraktivität des Finanzstandorts Deutschlands erhalten und gestärkt.
Ursprünglicher Anlass des Gesetzesentwurfs war die Schaffung eines Rechtsrahmes für Wertpapiere, die mittels der Distributed-Ledger-Technologie begeben werden. Solche tokenisierten Wertpapiere sind auf einer Blockchain, einer nicht verfälschbaren Datenbank, hinterlegt und können in Form von digitalen Werteinheiten, sogenannten Token, verkauft und übertragen werden. Das hat den Vorteil, dass die Datenbank dezentral auf mehreren Speicherorten hinterlegt ist und somit kein „Single Point of Failure″ besteht. Darüber hinaus sind zahlreiche neue Einsatz- und Geschäftsmöglichkeiten denkbar, denn mithilfe von sogenannten Smart Contracts können Geld- und Wertpapierflüsse unmittelbar programmiert werden. Auch das wird dazu führen, dass Geschäftsmodelle rund um elektronische Wertpapiere einen Schub erleben werden.
Tokenisierung der Aktie
Das eWpG ermöglicht lediglich die Begebung elektronischer Inhaber-Schuldverschreibungen, also alle auf den Inhaber ausgestellten Leistungsversprechen, sowie teilweise von elektronischen Inhaber-Anteilsscheinen. Die Einführung und Regulierung von elektronischen Aktien will der Gesetzgeber erst zu einem späteren Zeitpunkt vornehmen, da diese mit erheblichen gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen verbunden sein wird. Von den kommenden Änderungen werden auch die Gründung der AG, die Ausgabe von Aktien, die Übertragung der Aktien auf den internationalen Kapitalmärkten, die Einberufung der Hauptversammlung, Kapitalmaßnahmen sowie der Informationsfluss von Gesellschaft zum Aktionär betroffen sein. Gleichwohl ist das eWpG bereits so gefasst, dass eine spätere Öffnung für elektronische Aktien rechtsetzungstechnisch ohne Probleme erfolgen soll. Das Gesetz ist darüber hinaus auch mit Blick auf zukünftige Lösungen technologieneutral formuliert, sodass auch andere digitale Aufzeichnungssysteme als die Blockchain-Technologie eingesetzt werden können.
Hier finden Sie die weiteren Teile dieses Beitrags zur Vorstellung des eWpG: Anwendungsbereich des eWpG und elektronisches Wertpapier (2/4), Zentralregisterwertpapier und zentrales Register (3/4), Kryptowertpapier und Kryptowertpapierregister (4/4).