1. Februar 2017
Aktionärsrechte-Richtlinie
Corporate / M&A Aktienrecht

Reform der Aktionärsrechte-Richtlinie kommt 2017 – Teil 1

Vorstandsvergütung und Related Party Transactions: Die Überarbeitung der Aktionärsrechte-Richtlinie wird 2017 mit diesen und weiteren Themen Realität.

Nachdem der erste Entwurf zur Aktionärsrechte-Richtlinie (2007/36/EG) aus der Feder der EU-Kommission vom April 2014 im Juli 2015 auf erhebliche Abänderungswünsche des EU-Parlaments gestoßen war, stockte der anschließende informelle Trilog bis zuletzt. Die Forderung des EU-Parlaments, eine länderspezifische Steuerberichterstattung (so. Country-by-Country Reporting, „CBCR″) trotz der offensichtlichen Themenverfehlung mit den „Aktionärsrechten″ zu verknüpfen, erwies sich als Bremsschuh.

Die Initiative der Kommission, das Politikum des CBCR in eine Änderung der Rechnungslegungsrichtlinie (2013/34/EU) zu verlagern, machte im April 2016 den Weg für eine Trilog-Einigung frei. Am 9. Dezember 2016 kam nun der Durchbruch: der EU-Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) hat einer Einigung zwischen dem slowakischen EU-Vorsitz und Vertretern des EU-Parlaments zugestimmt (Verweise in diesem Beitrag beziehen sich auf den Kompromisstext vom 13.12.2016).

Nach Annahme der Aktionärsrechte-Richtlinie durch den Rat soll das EU-Parlament voraussichtlich im März 2017 endgültig beschließen. Die Mitgliedstaaten werden anschließend zwei Jahre Zeit haben, die neuen Vorschriften in nationales Recht umzusetzen. Der gefundene Trilog-Kompromiss wird zwangsläufig zu mehr Transparenz und einem stärkeren Engagement der Aktionäre in großen europäischen Aktiengesellschaften führen. Was auf börsennotierte Aktiengesellschaften zukommt, zeichnet der Kompromisstext schon deutlich vor:

Aktionärsrechte-Richtlinie: Vorstandsvergütung (Say on Pay)

Managergehälter und die (individualisierte) Offenlegung der Vorstandsvergütung sind seit Jahren prägende Themen, nicht nur der öffentlichen, sondern auch der aktienrechtlichen Diskussion. Pläne, ein verbindliches Vergütungsvotum auf nationaler Ebene im Zuge der „Aktienrechtsnovelle 2012″ – zuletzt in Gestalt des VorstKoG 2013 – einzuführen, waren gescheitert und wurden in der Aktienrechtsnovelle 2016 nicht wieder aufgegriffen.

Nun hat der europäische Gesetzgeber das Ruder in die Hand genommen: Die an langfristigen und nachhaltigen Unternehmensinteressen und -zielen zu orientierende Vergütungspolitik für die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat wird künftig verbindlich ins Rampenlicht der Hauptversammlung treten. Besonders drastische Änderungsvorschläge der EU-Kommission konnten hingegen endgültig abgewendet werden.

Abstimmung der Hauptversammlung über die Vergütungspolitik

In die Zukunft gerichtet werden die Emittenten eine Vergütungspolitik für die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat erarbeiten und diese der Hauptversammlung bei jeder wesentlichen Änderung und spätestens alle vier Jahre zur Abstimmung vorlegen müssen (Art. 9a Abs. 1 und 1d). Nach bisheriger Rechtslage ist ein Hauptversammlungsbeschluss über die Billigung des Systems zur Vergütung lediglich der Vorstandsmitglieder – auf Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat oder auf Verlangen einer qualifizierten Aktionärsminderheit – fakultativ (§ 120 Abs. 4 AktG). In der Praxis deutscher Hauptversammlungen sind Say on Pay-Voten derzeit rückläufig. Signifikante Auswirkung auf die Vergütungshöhe konnten bislang nicht nachgewiesen werden.

Zwar soll nach der Aktionärsrechte-Richtlinie die Abstimmung grundsätzlich bindend sein (Art. 9a Abs. 1a), den Mitgliedsstaaten steht es aber frei, stattdessen eine nur „beratende″ Wirkung vorzusehen („advisory vote″). Lehnt die Hauptversammlung eine vorgeschlagene Vergütungspolitik ab, ist der nächsten Hauptversammlung eine überarbeitete Fassung vorzulegen. Im Lichte von § 120 Abs. 4 Satz 2 AktG ist davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber von diesem Wahlrecht auch Gebrauch machen wird.

Die Mitgliedstaaten dürfen den Gesellschaften darüber hinaus erlauben, unter außergewöhnlichen Umständen zeitweilig von der Vergütungspolitik abzuweichen. Dies muss notwendig sein, um den langfristigen Unternehmensinteressen und der Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen oder die Unternehmensexistenz zu sichern (Art. 9a Abs. 1c).

Inhaltlich hat die Vergütungspolitik nicht nur alle fixen und variablen Vergütungskomponenten, einschließlich aller Boni und sonstigen Vorteile, unter Nennung ihrer relativen Anteile, zu beschreiben. Sie muss auch die Entscheidungsprozesse über die Vergütungspolitik umfassen.

Auch das Reizthema des Vergütungsvergleichs („Vertikalvergleich„) ist nicht spurlos an der Richtlinie vorübergegangen. Es soll erläutert werden, wie die Vergütungs- und Beschäftigungsbedingungen der Beschäftigten bei der Festlegung der Vergütungspolitik berücksichtigt wurden. Die Angabe des Verhältnisses der Vergütung der Unternehmensleitung zur Vergütung der Beschäftigten ist hingegen nicht mehr zwingend anzugeben und dessen Angemessenheit auch nicht mehr zu begründen.

Die Corporate Social Responsibility („CSR″) ist derzeit in aller Munde und wird in der Aktionärsrechte-Richtlinie ebenfalls ihren Niederschlag finden. Die Vergütungspolitik hat die finanziellen und nicht-finanziellen Leistungskriterien für die Gewährung variabler Vergütungsbestandteile zu erläutern, einschließlich solcher mit CSR-Bezug.

Weitere Pflichtinhalte der Aktionärsrechte-Richtlinie im Hinblick auf variable Vergütungsbestandteile sind die Methoden zur Beurteilung des Erfüllungsgrads sowie etwaige Aufschubzeiten und Rückforderungsmöglichkeiten. Angaben zu Aktienoptionen und Pensionsregelungen runden die Vergütungspolitik ab (siehe zu den Pflichtinhalten im Einzelnen Art. 9a Abs. 3).

Sobald die Hauptversammlung über die Vergütungspolitik abgestimmt hat, ist diese zumindest für den Zeitraum ihrer Gültigkeit auf der Website der Gesellschaft zu veröffentlichen.

Vergütungsbericht und Abstimmung der Hauptversammlung

Im Sinne einer wirkungsvollen Rechenschaftslegung werden die Agenden ordentlicher Hauptversammlungen um einen Standard-Tagesordnungspunkt erweitert: Wie in vielen EU-Staaten bereits heute üblich, wird die Hauptversammlung alljährlich über einen detailreichen rückblickenden Vergütungsbericht abstimmen dürfen.

Hinsichtlich der Beschlusswirkung konnte die ursprüngliche Idee einer verbindlichen Abstimmung abermals auf eine „beratende″ Abstimmung abgemildert werden (advisory vote). Im Bericht des folgenden Geschäftsjahrs wird dann zu erläutern sein, wie der mit dem Abstimmungsergebnis erteilte „Rat″ berücksichtigt wurde (Art. 9b Abs. 3 UAbs. 1). Ein rechtlicher Zwang, das Vergütungssystem als Reaktion auf den Hauptversammlungsbeschluss anzupassen, wird nach der Aktionärsrechte-Richtlinie jedenfalls nicht bestehen. Dennoch wird der Einfluss des Aktionärsvotums nicht von völlig untergeordneter Bedeutung sein.

Basierend auf einem Hauptversammlungsbeschluss mit 75 %-Mehrheit kann heute noch von einer individualisierten Offenlegung der Vorstandsvergütung im Anhang zum Jahresabschluss abgesehen werden (sog. Opt-Out gem. § 286 Abs. 5 HGB). Stimmrechtsberater sehen ein Opt-Out kritisch. Eine entsprechende Ausnahmeregelung wird es nach der Aktionärsrechte-Richtlinie nicht mehr geben. Die Mitgliedstaaten haben allerdings den Schutz bestimmter personenbezogener Daten der Organmitglieder zu gewährleisten.

Inhaltlich hat der Vergütungsbericht die den Mitgliedern von Vorstand und Aufsichtsrat im vergangenen Geschäftsjahr von der Gesellschaft oder einer jeden Konzerngesellschaft gewährten oder geschuldeten Vergütungen darzustellen. Die Gesamtvergütung, aufgeschlüsselt nach fixen und variablen Komponenten einschließlich Aktienoptionen, eine Erläuterung, wie die Gesamtvergütung mit der Vergütungspolitik korrespondiert und der langfristigen Entwicklung der Unternehmensleistung dient, und wie die Leistungskriterien angewendet wurden, gehören nach der Aktionärsrechte-Richtlinie zum Pflichtinhalt (Art. 9b Abs. 1 lit. (a), (c) und (d)).

Der Bericht hat darüber hinaus nicht nur die Vergütungsentwicklung über zumindest die letzten fünf Geschäftsjahre, sondern auch die Entwicklung der Unternehmensleistung und der durchschnittlichen Vergütung der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum zu umfassen (Art. 9b Abs. 1 lit. (b)).

Kleinen und mittleren Unternehmen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 der Bilanz-Richtlinie (2013/34/EU) können die Mitgliedstaaten einer neu eingeführten Regelung zufolge das Leben weiter erleichtern, indem der Vergütungsbericht der Hauptversammlung nur als ein separater Tagesordnungspunkt zur Diskussion vorzulegen ist (Art. 9b Abs. 3 UAbs. 2).

Damit sich die Aktionäre, potentielle Investoren und anderen Stakeholder ein zutreffendes Bild über die gelebte Vergütungspolitik der Gesellschaft machen können, sind die Vergütungsberichte für zehn Jahre auf der Website der Gesellschaft zu veröffentlichen. Zudem wird der Abschlussprüfer seine Prüfung darauf zu erstrecken haben, dass die von der Richtlinie geforderten Informationen im Vergütungsbericht enthalten sind. Das ist jedenfalls mehr als beim Deutschen Corporate Governance Kodex, aber noch keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben. Schließlich werden die Vorstände auch für eine Verletzung der Pflichten im Zusammenhang mit dem Vergütungsbericht zu haften haben (Art. 9b Abs. 3a).

Die EU-Kommission wird mit der Aktionärsrechte-Richtlinie ermächtigt, Leitlinien für eine standardisierte Darstellung des Vergütungsberichts zu erlassen, um insbesondere eine Standardisierung im Sinne einer internationalen Vergleichbarkeit der Berichterstattung zu gewährleisten (Art. 9b Abs. 4).

Aktionärsrechte-Richtlinie: Related Party Transactions

Die Änderung der Aktionärsrechte-Richtlinie adressiert auch Geschäfte der Gesellschaft mit nahestehenden Unternehmen und Personen wie Vorständen, Aufsichtsräten und Kontrollaktionären, sog. Related Party Transactions („RPTs″). Sie bergen stets die Gefahr eines verdeckten Entzugs von Gesellschaftswerten, insbesondere durch marktunübliche Geschäftskonditionen (sog. Tunneling). Bislang gelten hierzulande für RPTs Transparenzvorschriften im Rahmen der Rechnungslegung und auch das Konzernrecht versucht den Gefahren mit einem Haftungs- und Berichtsregime zu begegnen. Nun wird die Transparenz von RPTs weiter erhöht – streng nach dem althergebrachten Motto „sunlight is the best disinfectant″.

Nach Vorstellung der EU-Kommission sollte die Richtlinie ein weitreichendes zweistufiges Schutzsystem regeln. Schon RPTs mit einer wirtschaftlichen Dimension von mehr als 1% des Gesellschaftsvermögens sollten samt eines unabhängigen Sachverständigengutachtens zu veröffentlichen sein. Ab 5% des Gesellschaftsvermögens sollten RPTs von einer vorherigen Zustimmung der Hauptversammlung abhängig gemacht werden.

Der nun vorliegende Kompromiss bleibt zweistufig, wurde aber in Richtung „praktikabler Transparenz″ erheblich abgeschwächt:

  • Statt fixer Prozentschwellen definieren die Mitgliedstaaten selbst, nach welchen Kriterien RPTs als „wesentliche Transaktionen″ zu qualifizieren sind. Hierzu werden die Mitgliedstaaten Quoten im Hinblick auf Finanzkennzahlen der Gesellschaft definieren, die eine Beurteilung der Auswirkungen der RPTs ermöglichen. Die Wesentlichkeitskriterien können nach Wahl der Mitgliedstaaten zwischen Stufe 1 und Stufe 2 differenzieren (Art. 9c Abs. 1).
  • Auf Stufe 1 sind RPTs spätestens zum Zeitpunkt ihres Abschlusses unter Angabe der wesentlichen Eckdaten, die eine Beurteilung der wirtschaftlichen Fairness der Transaktion zulassen, zu veröffentlichen (Art. 9c Abs. 1). Dies gilt auch für RPTs von Tochtergesellschaften mit der Gesellschaft nahestehenden Unternehmen oder Personen (Art. 9c Abs. 5), womit eine Lücke des ursprünglichen Kommissionsvorschlags bei zweistufigen RPTs gestopft wird.
  • Der ursprünglich verpflichtende „Bericht eines unabhängigen Dritten″ zur Fairness der Transaktion ist einem Wahlrecht der Mitgliedstaaten gewichen, eine solche Fairness Opinion zu verlangen, wobei der Bericht dann auch von Gesellschaftsorganen erstellt werden kann (Art. 9c Abs. 1a).
  • Auf Stufe 2 wird die Hauptversammlung nicht zwingend über RPTs abzustimmen haben. Nach Wahl der Mitgliedstaaten kann auch der Aufsichtsrat für die Zustimmung zu RPTs zuständig sein, sofern eine eigennützige Einflussnahme der related party ausgeschlossen wird – etwa durch Stimmverbote (Art. 9c Abs. 2). Im Kontext der deutschen Unternehmensverfassung wird sich der deutsche Gesetzgeber aller Voraussicht nach für einen Aufsichtsratszuständigkeit entscheiden.

Ausnahmen gelten für Geschäfte, die „im ordentlichen Geschäftsgang und zu marktüblichen Bedingungen getätigt werden″, wobei die Gesellschaftsorgane anhand eigens aufgestellter Verfahrensregeln regelmäßig selbst beurteilen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Daneben können die Mitgliedstaaten weitere RPTs von den vorstehenden Regelungen ausnehmen oder eine Ausnahme in das Ermessen der Gesellschaft stellen. Dies gilt insbesondere für

  • Geschäfte mit Tochtergesellschaften, sofern diese im Alleinbesitz der Gesellschaft stehen oder keine andere nahestehende Person eine Beteiligung an der Tochtergesellschaft hält oder das nationale Recht einen angemessenen Schutz der Gesellschafts- und Aktionärsinteressen (insbesondere der Minderheitsaktionäre) gewährleistet,
  • Geschäfte, die ohnehin nach nationalem Recht einer Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen,
  • Geschäfte im Zusammenhang mit der Vorstandsvergütung und
  • Geschäfte, die allen Aktionären zu gleichen Bedingungen angeboten werden (Art. 9c Abs. 4).

Neuerungen der Aktionärsrechte-Richtlinie bedeuten größeren Aufwand

Teil 1 zu den Neuerungen, die uns die Änderungsrichtlinie zur Aktionärsrechte-Richtlinie bringen wird, macht wieder einmal deutlich: Der administrative Aufwand börsennotierter Gesellschaften steigt abermals! Steht dieser Mehraufwand noch in einem gesunden Verhältnis zu den erzielbaren Effekten bei der Beseitigung von Missständen und einer Steigerung des Minderheitenschutzes?

Die Attraktivität der ohnehin auf dem Rückmarsch befindlichen Spezies der börsennotierten AG wird durch das Maßnahmenpaket jedenfalls nicht gefördert. Fest steht aber auch, dass der harte erste Aufschlag der EU-Kommission nicht zuletzt durch Mitgliedstaatenwahlrechten endgültig abgemildert wurde. Diese ermöglichen hierzulande eine Umsetzung, die mit unserem Aktienrecht vereinbar ist. Ob der deutsche Gesetzgeber die Chance nutzen wird, bleibt spannend. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.

In unserer dreiteiligen Blogreihe geben wir Ihnen in diesem Teil 1 einen Überblick, welche Änderungen bei den Dauerthemen Vorstandsvergütung und den Related Party Transactions auf börsennotierte Aktiengesellschaften zukommen werden. Zentrales Anliegen der Richtlinie ist die stärkere Beteiligung der Aktionäre an der Corporate Governance. Teil 2 befasst sich daher mit dem künftigen Recht börsennotierter Gesellschaften, ihre Aktionäre mit dem Ziel einer direkten Aktionärs-Kommunikation zu identifizieren. Finanzintermediäre sollen daneben eine effektive Ausübung der Aktionärsrechte erleichtern. Teil 3 wird Ihnen das Maßnahmenpaket für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater vorstellen, die heute zwar eine immer größere Rolle spielen, ihren Einfluss aber oftmals nicht im Sinne einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung ausüben, so jedenfalls die Einschätzung des europäischen Gesetzgebers.

Tags: Aktionärsrechte-Richtlinie
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Bodo Schmidt-Schmiedebach