Der Bundesgerichtshof klärt wesentliche Grundlagen zum Rechts- und Unternehmenskauf nach neuem Schuldrecht.
Streitigkeiten in bestimmten Bereichen des Wirtschaftsrechts – etwa zum Unternehmenskauf – werden nur selten vor staatlichen Gerichten geklärt, mit der Folge, dass die richterliche Rechtsfortbildung hier allenfalls schleppend und lückenhaft voranschreitet; dies ist ein Befund, der auch von Seiten der Justiz immer wieder konstatiert wird (vgl. etwa Gaier). Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass bisher noch keine Leitentscheidung des BGH zu Mängelrechten beim Unternehmenskauf und der diesbezüglichen Anwendung des im Jahr 2001 neu gefassten Kaufrechts vorlag.
Das hat sich nun geändert. In einem gerade veröffentlichen Urteil vom 26. September 2018 (VIII ZR 187/17) befasst sich der BGH grundlegend mit der Anwendung des neuen Schuldrechts auf den Rechts- und Unternehmenskauf. Die in der früheren Rechtsprechung entwickelten Grundsätze werden dabei fortgeführt und präzisiert. Die seit dem 01. Januar 2002 geltenden Regelungen zum Rechtskauf führen nach Auffassung des BGH nicht zu einem Paradigmenwechsel im Gewährleistungsrecht, der von Teilen der juristischen Literatur befürwortet wurde.
Sachmängelrechte beim Anteilskauf
Die Entscheidung bekräftigt zunächst, dass beim Kauf von Anteilen an einer GmbH (Rechtskauf) im Fall von Mängeln des von der GmbH betriebenen Unternehmens die Gewährleistungsrechte der §§ 434 ff. BGB Anwendung finden können. Gegenstand des Kaufvertrags muss hierfür der Erwerb sämtlicher oder nahezu sämtlicher Anteile an dem Unternehmensträger sein, so dass sich der Anteilskauf sowohl nach der Vorstellung der Vertragsparteien als auch objektiv bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Kauf des Unternehmens selbst (Sachkauf) darstellt. Das entspricht der früheren Rechtsprechung zum alten Schuldrecht.
Sodann stellt der Senat in seiner Entscheidung klar, dass der Erwerb einer Beteiligung von 50 % diesen Anforderungen nicht genügt. Das gilt auch, wenn der Käufer damit seine Beteiligung auf 100 % aufstockt. Entscheidend für die rechtliche Einordnung des Geschäfts ist allein der konkrete Kaufgegenstand, nicht der durch den Erwerb herbeigeführte Zustand – auch wenn der einen erheblichen Einfluss auf den Kaufpreis hatte.
Ein solcher reiner Anteilserwerb ist nach der Leitentscheidung auch nach dem heute geltenden Kaufrecht als Rechtskauf, nicht als Sachkauf zu behandeln.
Rechte des Käufers beim Rechtskauf
Damit stellte sich die Frage, ob auch beim bloßen Rechtskauf die Sachmängelhaftung gilt, soweit sich die Rechte sich auf eine Sache beziehen, die nicht den (vertraglich begründeten) Erwartungen des Käufers entspricht.
In der neueren Literatur wird hierfür teilweise auf § 453 Abs. 1 BGB verwiesen, der für den Rechtskauf die entsprechende Anwendung der Vorschriften zum Sachkauf anordnet.
Der BGH hält hiergegen an der klassischen Auffassung fest, wonach der Verkäufer beim Rechtskauf grundsätzlich nur den Bestand des Rechts (Verität) zu gewährleisten hat. Für die Einbringlichkeit der Forderung (Bonität) oder die Güte des Gegenstands, auf den sich das Recht bezieht, hat der Verkäufer nur dann einzustehen, wenn eine solche Gewährleistung durch besondere Vereinbarung übernommen wurde.
Nach der Entscheidung vom 26. September 2018 gilt das auch für den reinen Anteilskauf. Dies sei sachgerecht, weil der Erwerber von Mitgliedschaftsrechten an einer Gesellschaft kein unmittelbares Recht an dem von der Gesellschaft betriebenen Unternehmen erwerbe, sondern auf dieses Unternehmen nur mittelbar im Rahmen seiner Gesellschafterrechte Einfluss nehmen könne.
Insbesondere: Überschuldung und Insolvenzreife kein Rechtsmangel eines Anteils
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass der Senat es ablehnt, in der Überschuldung oder Insolvenzreife der Gesellschaft einen Rechtsmangel der Gesellschaftsanteile zu sehen. Entscheidend sei hier, dass Überschuldung und Insolvenzreife den Bestand des Anteils nicht beeinträchtigen – auch wenn eine Auflösung drohen mag.
Störung der Geschäftsgrundlage
Konsequenz dieser rechtlichen Betrachtung ist, dass beim reinen Anteilskauf (Rechtskauf) der Anwendungsbereich des Sachmängelgewährleistungsrechts gar nicht eröffnet ist. Das hat Folgen für etwaige Ansprüche aus Störung der Geschäftsgrundlage: § 313 BGB kann im Anwendungsbereich der kaufrechtlichen Sach- und Rechtsmängelhaftung grundsätzlich nicht herangezogen werden. Wenn ein Sachverhalt – wie im vorliegenden Rechtsstreit die Frage der Insolvenzreife – außerhalb des Gewährleistungsrechts liegt, greift der Ausschluss von Ansprüchen aus Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) insoweit nicht ein. Der BGH verwies die Sache zurück an das OLG Karlsruhe in Freiburg zur Feststellung, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm vorliegen.
Zur praktischen Relevanz des Urteils
Die Entscheidung ist bedeutend für den Rechtskauf im allgemeinen, da sie grundlegende Fragen zu dessen Behandlung nach neuem Schuldrecht klärt. Da der BGH in den wesentlichen Punkten an tradierten Rechtsauffassungen aus der Zeit vor 2002 festhält, trägt die Entscheidung in großem Maße zur Rechtssicherheit bei.
Im Hinblick auf die Praxis des Beteiligungserwerbs im Wege des sog. „share deal″ mag man diese rechtsdogmatische Klärung für weniger relevant halten, da in der Regel die Rechte des Käufers umfassend und abschließend vertraglich geregelt werden. Bemerkenswert ist diesbezüglich allenfalls die Aussage, dass eine Anwendbarkeit des § 313 BGB nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil die Parteien im Kaufvertrag umfassend den Ausschluss gesetzlicher Gewährleistungsansprüche geregelt und stattdessen abschließend bestimmte Garantien betreffend die zu übertragenden Geschäftsanteile vereinbart hatten. Unter Festhaltung an früheren Entscheidungen ergänzt der BGH, dass § 313 BGB zwar dann unanwendbar sei, wenn sich durch die Störung der Geschäftsgrundlage ein Risiko verwirkliche, das nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien falle. Da der konkrete Kaufvertrag keine Aussagen zur wirtschaftlichen Lage und dem Risiko einer Insolvenz treffe, kämen in diesem Fall Ansprüche aus § 313 BGB jedoch in Betracht. Dem Urteil lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass die Parteien im entschiedenen Fall auch Rechte aus § 313 BGB ausdrücklich ausgeschlossen hätten und dass ein entsprechender Einwand vorgebracht worden wäre.