22. Februar 2016
Gesellschafterversammlung GmbH
Corporate / M&A

Investitionen in Deutschland: Leitfaden für polnische Investoren – Teil 9

Gesellschafterversammlung einer GmbH: Ausgewählte Unterschiede bei polnischen und deutschen Gesellschaften.

Die Gesellschafterversammlung ist das oberste Organ einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Sie ist für die wichtigsten Entscheidungen einer GmbH zuständig, so etwa für Änderungen des Unternehmensgegenstandes und sonstiger Teile der Satzung. Der Gesellschafterversammlung steht auch das ausschließliche Recht zu, über die Liquidation der GmbH zu entscheiden.

Im Wesentlichen dient die Gesellschafterversammlung Informations- und Entscheidungszwecken. Das gilt sowohl für die GmbH nach deutschem Recht, als auch bei dem polnischen Äquivalent, der Spółka z ograniczoną odpowiedzialnością (Sp. z o.o.).

Und dennoch gibt es beachtenswerte Unterschiede zwischen deutschem und polnischem Recht, insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung und Durchführung von Gesellschafterversammlungen von GmbHs einerseits und Sp. z o.o.s andererseits. Besonders bemerkenswert sind die nachfolgend zu beleuchtenden drei wichtigsten Unterschiede rund um die ordentliche Gesellschafterversammlung:

Erstens: Die Frist zur Einberufung einer (ordentlichen) Gesellschafterversammlung einer GmbH

Traditionell ist die Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft das vornehmste und mit der Ergebnisverwendung zugleich das wichtigste Recht der Gesellschafterversammlung – sowohl bei der polnischen Sp. z o.o. als auch bei der deutschen GmbH. Dies erfolgt regelmäßig in der einmal jährlich stattfindenden sog. „ordentlichen″ Gesellschafterversammlung. Zu diesem Zweck haben die Geschäftsführer der Gesellschaft eine Gesellschafterversammlung einzuberufen.

Nach polnischem Recht hat die ordentliche Gesellschafterversammlung bis zum Ablauf der ersten sechs Monate des Geschäftsjahrs stattzufinden. Wenn das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmt bedeutet dies, dass die Versammlung typischerweise im Juni eines jeden Jahres stattfindet. Eine Unterscheidung nach Größenmerkmalen der Gesellschaft – wie es in Deutschland üblich ist – gibt es nach polnischem Recht nicht. Praktisch bedeutet das, dass im Juni traditionell Hochsaison für Gesellschafterversammlungen aller polnischen Sp. z o.o.s ist.

Ganz anders stellen sich die Rechtslage und Praxis in Deutschland dar: Das deutsche Handelsgesetzbuch (HGB) unterscheidet zwischen „kleinen″ und sonstigen Gesellschaften (§ 267 HGB). Entscheidend hierfür sind drei Kriterien:

  1. Erstens die Bilanzsumme – hier gilt eine Grenze von EUR 6 Millionen.
  2. Zweitens kommt es auf die Umsatzerlöse an. Diese dürfen in den letzten zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag EUR 12 Millionen nicht überschritten haben.
  3. Und drittens die Zahl der Arbeitnehmer– hier darf im Durchschnitt die Zahl von 50 Arbeitnehmern nicht überschritten sein.

Wenn mindestens zwei dieser drei Merkmale nicht überschritten werden, handelt es sich bei der GmbH um eine „kleine″ Kapitalgesellschaft.

Damit gehen erhebliche Fristverlängerungen einher:

  • Normalerweise hat die Geschäftsführung der GmbH den Jahresabschluss innerhalb der ersten drei Monate eines Geschäftsjahres aufzustellen (§ 264 Abs. 1 S. 3 HGB). Die Feststellung dieses Jahresabschlusses hat durch die Gesellschafterversammlung innerhalb einer Frist von acht Monaten zu erfolgen (§ 42a Abs. 2 GmbHG).
  • Anders bei der „kleinen″ GmbH. Hier beträgt die Frist für die Aufstellung bis zu sechs Monate, wenn dies dem „ordnungsgemäßen″ Geschäftsgang entspricht (§ 264 Abs. 1 S. 4 HGB) und die Frist für die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung beträgt statt acht sogar elf Monate (§ 42a Abs. 2 GmbHG).

In der Praxis bedeutet dies, wenn Geschäftsjahr und Kalenderjahr übereinstimmen: Während die Gesellschafter der polnischen Sp. z o.o. den Jahresabschluss bereits im Juni feststellen müssen, kann sich die Gesellschafterversammlung einer deutschen GmbH hiermit Zeit bis August und bei einer „kleinen″ GmbH sogar Zeit bis zum November eines Jahres lassen.

Zweiter wichtiger Unterschied: Der Ort der Gesellschafterversammlung der GmbH

Der zweite bemerkenswerte Unterschied betrifft den Ort einer Gesellschafterversammlung. Nach polnischem Gesellschaftsrecht hat die Versammlung am Sitz der Gesellschaft stattzufinden. Nur wenn entweder der Gesellschaftsvertrag der Sp. z o.o. dies erlaubt oder aber im Einverständnis aller Gesellschafter darf die Gesellschafterversammlung auch an einem anderen Ort als dem Sitz der Gesellschaft stattfinden. Doch auch dabei gilt: Außerhalb Polens dürfen Gesellschafterversammlungen in keinem Fall stattfinden, auch nicht wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht und alle Gesellschafter hiermit einverstanden sind.

Ob eine solche Regelung mit der europäischen Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar ist, wurde bisher, soweit bekannt, nicht gerichtlich überprüft. Dies kann und muss hier jedoch leider dahinstehen.

Das deutsche GmbHG hingegen regelt die Frage des Ortes der Gesellschafterversammlung überhaupt nicht. Generell wird daher angenommen, dass insoweit Satzungsautonomie herrscht. Mit einer entsprechenden Satzungsregelung oder im Einvernehmen aller Gesellschafter, dürfen die Gesellschafterversammlungen einer GmbH an jedem beliebigen Ort auf der ganzen Welt stattfinden – z.B. auch in Polen.

Drittens: Erfordernis einer physischen Gesellschafterversammlung?

Ein weiterer markanter Unterschied liegt auch in der Antwort auf die Frage, ob die ordentliche Gesellschafterversammlung zwingend eine Präsenzversammlung erfordert oder aber auch unter Nutzung von E-Mail und/oder etwa Telefon stattfinden kann. Auch insoweit unterscheiden sich polnisches und deutsches Recht.

Nach polnischem Recht handelt es sich jedenfalls bei der ordentlichen Gesellschafterversammlung, bei der über die Feststellung des Jahresabschlusses Beschluss zu fassen ist, zwingend um eine physische Gesellschafterversammlung. Zwar ist es zulässig, Stimmrechtsvollmachten zu erteilen, aber die Beschlussfassung muss in einer physischen Präsenzversammlung erfolgen.

Für die Feststellung des Jahresabschlusses werden nach polnischem Recht physische Zusammentreffen von Vertretern, wie etwa Rechtsanwälten, bevorzugt. Nicht möglich ist eine Abstimmung durch die eigentlichen Gesellschafter per E-Mail oder Telefon. Dies wäre jedoch wünschenswert, da die Gesellschafter in aller Regel über die Geschäfte viel besser informiert sind als ihre Vertreter.

Nach deutschem Recht gibt es nur bei beurkundungspflichtigen Beschlüssen eine Präsenzpflicht bei Gesellschafterversammlungen. Die Feststellung des Jahresabschlusses gehört aber nicht zu diesen Beschlüssen. Die Gesellschafter einer deutschen GmbH müssen sich folglich nicht persönlich treffen, um den Jahresabschluss festzustellen.

Fazit: Gesellschafterversammlungen von GmbHs in Polen und Deutschland unterschiedlich ausgestaltet

Obwohl das polnische Gesellschaftsrecht dem deutschen sehr ähnlich ist und insbesondere alle wichtigen deutschen Gesellschaftsformen ihr Äquivalent im polnischen Recht finden, gibt es zwischen deutschem und polnischem Gesellschaftsrecht bemerkenswerte Unterschiede.

Das gilt insbesondere für die in der Praxis am weitesten verbreitete Rechtsform, der deutschen GmbH und ihrem polnischem Pendant, der Sp. z o.o. Am Beispiel nur der ordentlichen Gesellschafterversammlung lassen sich bereits drei erhebliche Unterschiede festmachen. Diese verdeutlichen, dass es sich – bei aller Nähe beider Rechtsordnungen zueinander – doch immer lohnt, im Einzelfall genau hinzuschauen. Die Besonderheiten der jeweiligen Rechtsordnung müssen genau ausgeleuchtet werden.

Dies ist der neunte Teil unserer Serie „Praktische Tipps für polnische Investoren in Deutschland“. Hier sollen praktische Aspekte beim Einstieg polnischer Investoren in den deutschen Markt aufgezeigt werden.

Bereits erschienen sind neben den Erklärungen zu Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen auch Beiträge, die polnischen Investoren die gewählte deutsche Rechtsformen näher bringen (die GmbHKG, GmbH & Co. KG und UG) und die interessante Institutionen des deutschen Rechts – das Mitbestimmungsrechtkartellrechtliche Regelungen, Schicksal des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots beim Betriebsübergang – darstellen.

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