Der BGH stellt klar, unter welchen Voraussetzungen sogenannte Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge mit deutschen GmbHs beendet werden können.
Eine Besonderheit des deutschen Rechts ist der Unternehmensvertrag. Gesetzlich kodifiziert ist er nur für die Aktiengesellschaften in §§ 291 und 292 AktG. Diese beiden Paragraphen regeln bestimmte Typen von Unternehmensverträgen. Dazu zählen u. a. der sogenannte Beherrschungsvertrag und der Gewinnabführungsvertrag, die gleichsam auch in der Kombination, also in Form eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, zulässig sind. In der deutschen Rechtspraxis sind sie im Gegensatz etwa zu vergleichbaren Verträgen in Polen häufig anzutreffen.
Unternehmensverträge auch mit GmbHs weit verbreitet
Im Gegensatz zu Aktiengesellschaften, mit denen sich die §§ 291f. AktG direkt befassen, fehlt eine solche gesetzliche Regelung für GmbHs. Gleichwohl sind Unternehmensverträge auch mit GmbHs in der deutschen Rechtspraxis weit verbreitet. Die Regelungen des Aktiengesetzes, soweit besteht Einigkeit, finden hierauf in weitem Umfang entsprechende Anwendung.
Hieraus folgt eine gewisse Rechtsunsicherheit: Gerade weil direkt anwendbare Regelungen bei Unternehmensverträgen mit GmbHs als abhängige Unternehmen fehlen, sind wichtige Einzelfragen nach wie vor umstritten und teilweise bis heute noch nicht höchstrichterlich geklärt.
Dem bestehenden Mosaik von Meinungen wurde nunmehr ein weiteres Steinchen hinzugefügt. Mit Urteil vom 16. Juni 2015 (Az II ZR 384/13) hat der Bundesgerichtshof (BGH) nunmehr entschieden, unter welchen Voraussetzungen Unternehmensverträge mit GmbHs als abhängigen Gesellschaften vorzeitig beendet werden können.
Doch zunächst ein Schritt nach dem anderen: Worum geht es bei Unternehmensverträgen eigentlich genau?
Unternehmensverträge: Begriff, Sinn und Zweck
Anders als einfache schuldrechtliche Austauschverträge, wie etwa Kauf oder Miete, handelt es sich bei Unternehmensverträgen nach §§ 291 f. AktG um Verträge, die darüber hinaus auch noch ein weiteres, organisationsrechtliches Element beinhalten: Sie werden stets zwischen einer Obergesellschaft und einer Untergesellschaft abgeschlossen und beinhalten gegenseitige Rechte und Pflichten. Insoweit gleichen sie den einfachen schuldrechtlichen Austauschverträgen. Allerdings wird durch den Unternehmensvertrag zugleich strukturell in die Organisationsverfassung der Untergesellschaft (auch abhängige Gesellschaft genannt) eingegriffen, was sie von Verträgen wie Kauf oder Miete unterscheidet.
Dies soll am Beispiel eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages verdeutlicht werden: Typischerweise wird ein solcher Unternehmensvertrag in Form eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zwischen einer Holding-Gesellschaft und einer von dieser häufig zu 100 % gehaltenen operativ tätigen Tochtergesellschaft abgeschlossen. Aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ist in einem solchen Fall die Tochtergesellschaft verpflichtet, den Weisungen der Holding-Gesellschaft als Obergesellschaft jederzeit nachzukommen (Beherrschungselement). Ferner verpflichtet sich die Tochtergesellschaft dazu, den von ihr erzielten Jahresüberschuss vollständig an die Holding-Gesellschaft als Obergesellschaft abzuführen (Gewinnabführungselement). Im Gegenzug ist die Holding-Gesellschaft verpflichtet, eventuelle Verluste der Tochtergesellschaft auszugleichen.
Das Beherrschungselement ist in einer solchen Konstellation aus rechtlicher Sicht nicht zwingend erforderlich, weil nach deutschem Gesellschaftsrecht ein Alleingesellschafter eine GmbH ohnehin faktisch beherrscht und ihrer Geschäftsführung weitgehend Weisung erteilen kann. Gelegentlich sieht man daher in der Praxis auch reine Gewinnabführungsverträge. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich auch hierbei um Unternehmensverträge handelt, weil sich in beiden Fällen, gleich ob neben dem Gewinnabführungselement auch ein Beherrschungselement enthalten ist, neben den reinen wechselseitigen schuldrechtlichen Verpflichtungen die Organisationsverfassung der Untergesellschaft verändert. Denn entweder ist die Geschäftsführung der Untergesellschaft aufgrund des Beherrschungsvertrages weisungsunterworfen oder aber die Untergesellschaft erzielt aufgrund des Gewinnabführungselements faktisch keine Gewinne mehr. Das geht über den reinen Austausch von Waren und Geld wie etwa beim Kauf hinaus.
Sinn und Zweck eines solchen Gewinnabführungsvertrages (gleich ob in Kombination mit dem Beherrschungselement oder nicht) ist in der Regel die Herstellung einer sogenannten steuerlichen Organschaft zwischen der Holding-Gesellschaft als Obergesellschaft und der Tochtergesellschaft als Untergesellschaft. Im Ergebnis werden dann infolgedessen aus steuerlicher Sicht die Ergebnisse der Tochtergesellschaft der Holding-Gesellschaft zugerechnet. Wenn die Holding-Gesellschaft etwa noch eine zweite Tochtergesellschaft hat und mit dieser ebenfalls einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen hat, so erkennt man recht schnell den steuerlichen Vorteil dieser Gestaltung. Verluste einer Tochtergesellschaft und Gewinne einer anderen Tochtergesellschaft der Gruppe werden hierdurch auf Holding-Ebene zusammengeführt und das Gruppenergebnis daher steuerlich optimiert.
Abschluss eines Unternehmensvertrages
Da es sich bei solchen Unternehmensverträgen wie aufgezeigt nicht um rein schuldrechtliche Austauschverträge handelt, sondern um Organisationsverträge, bedarf der Abschluss solcher Unternehmensverträge nach deutschem Recht besonderer Voraussetzungen und Formalien. Besonders zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang neben dem Abschluss eines schriftlichen Vertrages zwischen der Obergesellschaft und der Untergesellschaft auch noch die zwingend erforderlichen zustimmende Gesellschafterbeschlüsse der beiden Gesellschaften. Hierbei ist nach dem sogenannten „Supermarkt-Beschluss″ des BGH (24.10.1988, II ZB 7/88) zu beachten, dass der Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der Untergesellschaft der notariellen Beurkundung bedarf. Der Unternehmensvertrag und der Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft hingegen bedürfen lediglich der Schriftform. Schließlich muss der Umstand des Abschlusses eines Unternehmensvertrages und die Tatsache der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Untergesellschaft sowie das Datum dieses Zustimmungsbeschlusses in das Handelsregister der Untergesellschaft eingetragen werden. Die Eintragung in das Handelsregister ist dabei Wirksamkeitsvoraussetzung für den Abschluss des Unternehmensvertrages.
An diesen erheblichen formalen Hürden kann man erkennen, dass der Abschluss eines solchen Unternehmensvertrages erheblich vom Abschluss normaler schuldrechtlicher Austauschverträge abweicht. Gleichwohl sind die Voraussetzungen für den wirksamen Abschluss solcher Unternehmensverträge in der Praxis weitgehend geklärt. Unklar und bislang nicht höchstrichterlich geklärt war jedoch bis vor kurzem die Frage, wie Unternehmensverträge mit abhängigen GmbHs beendet werden können.
Beendigung von Unternehmensverträgen mit abhängigen GmbHs
Zur Beendigung von solchen Unternehmensverträgen hat der BGH nunmehr in seinem Urteil vom 16. Juni 2015 klar Stellung bezogen. Der BGH bestätigt die überwiegende Ansicht in der Kommentarliteratur, wonach für die Beendigung von Unternehmensverträgen mit abhängigen GmbHs die aktienrechtliche Regelung aus § 296 AktG entsprechende Anwendung findet.
Danach kann ein Unternehmensvertrag nur zum Ende des Geschäftsjahrs oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden kann. Eine rückwirkende Aufhebung ist unzulässig und die Aufhebung bedarf der schriftlichen Form. Besonderer Hervorhebung bedarf hier der erste Satz, wonach es gerade nicht in der Autonomie der Vertragsparteien liegt, den zwischen Ihnen geschlossenen Unternehmensvertrag jederzeit aufzuheben, sondern grundsätzlich nur zum Geschäftsjahresende. Dies kann in der Praxis erhebliche Konsequenzen haben, vor allem beim Beteiligungserwerb, also z.B. bei der Übernahme einer deutschen Gesellschaft durch einen polnischen Investor.
So taucht bei einem Beteiligungserwerb häufig folgende Situation auf: Ein Erwerber ist an der Übernahme einer abhängigen GmbH interessiert etwa im vorgenannten Beispiel der operativ tätigen Tochtergesellschaft nicht aber am Erwerb der Holdinggesellschaft interessiert. Würde der Erwerber nun die Tochtergesellschaft übernehmen und der Unternehmensvertrag bliebe hiervon unberührt bestehen, würde der Erwerber Alleingesellschafter einer Tochtergesellschaft sein, die vom Veräußerer nach wie vor beherrscht wird (Beherrschungselement des Unternehmensvertrages) und die ihre Gewinne aufgrund des stehengebliebenen Unternehmensvertrages nach wie vor an den Veräußerer vollständig abführen muss. Dies ist wirtschaftlich bei einer Unternehmensübernahme aber nicht gewollt und daher muss im Falle eines solchen Beteiligungserwerbs der Unternehmensvertrag im Rahmen des Vollzugs (also zum Closing) beendet werden. Wenn dies nun nach § 296 AktG aber nicht im Wege der Aufhebung möglich ist, sondern grundsätzlich nur zum Geschäftsjahresende so stellt sich in der Praxis in solchen Fällen häufig die Frage, ob der Unternehmensvertrag aus wichtigem Grund im Rahmen des Beteiligungserwerbs gekündigt werden kann.
Ist also die Veräußerung der Beteiligung für den Verkäufer ein wichtiger Grund zur unterjährigen Kündigung eines Unternehmensvertrages, ist die Rechtsfrage auf die sich dies herunterbrechen lässt. Dies ist nach überwiegender Auffassung grundsätzlich nur dann der Fall, wenn die Beteiligungsveräußerung im Unternehmensvertrag ausdrücklich als Fall eines wichtigen Grunds, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, vertraglich bestimmt ist. Ist dies nicht der Fall, so versteht die überwiegende Auffassung die Beteiligungsveräußerung nicht als solchen wichtigen Grund. Ergo gibt es dann auch kein Recht zur außerordentlichen unterjährigen Kündigung. Daher empfiehlt sich in der Praxis beim Entwurf und Abschluss eines Unternehmensvertrages in aller Regel die Beteiligungsveräußerung als wichtigen Grund mitzuregeln. Gleichwohl finden sich in der Praxis immer wieder Unternehmensverträge, in denen eine solche Kündigungsregel bedauerlicherweise nicht enthalten ist. In diesem Fall bleibt nur ein Kunstgriff, nämlich der Weg über die Abkürzung des Geschäftsjahres zum Vollzugstag und die gleichzeitige Aufhebung zum dann so vorverlegten Geschäftsjahresende. Ein leider steiniger Weg, da die Abkürzung des Geschäftsjahres eine Satzungsänderung ist, die einen notariellen Gesellschafterbeschluss und dessen Eintragung in das Handelsregister bedarf und darüber hinaus die Änderung des Geschäftsjahres der Zustimmung des Finanzamts bedarf.
Fazit und Handlungsempfehlungen für polnische Investoren
Der BGH hat nunmehr Klarheit über die Beendigungsmöglichkeiten von in der deutschen Rechtspraxis häufig auftretenden Unternehmensverträgen mit abhängigen GmbHs geschaffen. Polnische Investoren sollten vor einem Unternehmenserwerb in Deutschland daher im Handelsregister und im Rahmen ihrer Due Diligence sorgfältig prüfen, ob zwischen dem Veräußerer und der Zielgesellschaft ein solcher Unternehmensvertrag besteht. Besteht ein solcher Unternehmensvertrag ist weiter zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen dieser Unternehmensvertrag zum Vollzug des Beteiligungserwerbs (Closing) beendet werden kann. Hierbei sollten auch steuerliche Gesichtspunkte beachtet werden wie z.B. der Umstand, dass die Beendigung eines Unternehmensvertrages innerhalb der ersten fünf Jahre seines Bestehens steuerschädlich sein kann. In keinem Fall sollte ein Unternehmensvertrag im Rahmen eines Beteiligungserwerbs unbedacht übernommen werden, weil sich seine Beendigung im Gegensatz zu gewöhnlichen schuldrechtlichen Austauschverhältnis eben nicht einfach gestaltet und auch nicht vollständig der Vertragsautonomie der Parteien unterworfen ist. Etwas anderes gilt nur, wenn mit der abhängigen Gesellschaft zugleich auch vollständig die Obergesellschaft übernommen wird. In solchen Fällen kann die Beibehaltung des Unternehmensvertrages durchaus erwogen werden.
Dies ist der achte Teil unserer Serie „Praktische Tipps für polnische Investoren in Deutschland“. Hier sollen praktische Aspekte beim Einstieg polnischer Investoren in den deutschen Markt aufgezeigt werden. Bereits erschienen sind auch die Einträge, die polnischen Investoren die gewählte deutsche Rechtsformen näher bringen (die GmbH, KG, GmbH & Co. KG und UG) und die interessante Institutionen des deutschen Rechts – das Mitbestimmungsrecht, kartellrechtliche Regelungen, Schicksal des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots beim Betriebsübergang – darstellen.
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