Der Gesetzgeber kommt den Geschäftsleitern mit der Business Judgement Rule entgegen. Doch stellt dies keinen Freibrief dar.
Ein Manager hat bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anzuwenden. Das klingt machbar. Allerdings sieht sowohl das Aktienrecht als auch das GmbH-Recht vor, dass ein Geschäftsführer, der seine Pflichten fahrlässig oder gar vorsätzlich verletzt, der Gesellschaft auf Schadensersatz haftet. Nun ist nicht jedes Geschäft ein Erfolg und Manager treffen von Zeit zu Zeit Fehlentscheidungen. Das ist auch dem Gesetzgeber klar, und er kommt den Geschäftsleitern mit der Business Judgement Rule entgegen.
Die Voraussetzungen der Business Judgement Rule
Das Versprechen der Business Judgement Rule scheint auf den ersten Blick komfortabel: Im Bereich der unternehmerischen Tätigkeit gesteht das Gesetz dem Manager einen Einschätzungsspielraum und somit indirekt das Recht auf Irrtum und Fehler zu. Innerhalb dieses sicheren Hafens sieht sich der Manager keinen Haftungsansprüchen der Gesellschaft ausgesetzt.
Um in den Genuss der Haftungserleichterungen im Sinne der Business Judgement Rule zu kommen, muss der Manager eine unternehmerische Entscheidung (ex ante) zum Wohl der Gesellschaft treffen. Bei seiner Entscheidung muss er in gutem Glauben, frei von Sonderinteressen und auf angemessener Informationsgrundlage gehandelt haben.
Anhand dieser fünf Kriterien wird bereits deutlich, dass der „sichere Hafen″ nicht ohne Weiteres angelaufen werden kann. So fallen sämtliche Entscheidungen, die nicht unternehmerischer Art sind, aus dem Anwendungsbereich heraus. Das ist immer dann der Fall, wenn etwa aufgrund gesetzlicher Vorgaben eine konkrete Handlungspflicht des Geschäftsführers besteht. Damit ist die Business Judgement Rule auf einen erheblichen Teil der Handlungen von Geschäftsführern von vorneherein nicht anwendbar.
Demgegenüber versteht es sich fast von selbst, dass der Manager im Zeitpunkt seiner Entscheidung gutgläubig sein und das Wohl der Gesellschaft (und nicht etwa sein eigenes oder das anderer Personen) verfolgen muss. Auch darüber, dass er die Entscheidung nicht aus dem Bauch heraus treffen darf, sondern sich vorab informieren muss, dürfte grundsätzlich Konsens herzustellen sein.
Business Judgement Rule: Ein Minenfeld?!
Insbesondere das Handeln auf angemessener Informationsgrundlage erweist sich jedoch in der Praxis eher als ein Minenfeld als ein sicherer Hafen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es im Nachhinein leicht ist, zu sagen, dass der Fehlschlag absehbar war.
Die Rechtsprechung hat die Anforderungen an die „angemessene Informationsgrundlage″ in den vergangenen Jahren immer weiter ausgedehnt, so dass von der Grundidee der Haftungsentlastung für Geschäftsleiter durch die Business Judgement Rule im deutschen Recht nicht mehr viel übrig geblieben ist.
Was tun bei Fragen zur Business Judgement Rule?
Wie oft gibt es keine allgemeingültige Handlungsanweisung, mittels derer das Management eine Haftung vermeiden könnte. An dieser Stelle können daher auch nur einige Teilaspekte betrachtet werden.
Die Frage, welche Informationsgrundlage als „angemessen“ angesehen wird, hängt sehr stark von den Umständen des Einzelfalls ab. Ganz allgemein lässt sich sagen: Je risikoreicher ein Geschäft für die Gesellschaft ist, desto genauer muss sich die Geschäftsleitung vorab informieren.
Dies kann von Fall zu Fall eingeschränkt werden, wenn die Entscheidung besonders eilbedürftig ist oder der entscheidende Manager selbst über relevantes Fachwissen verfügt. Eine Ausprägung der Pflicht, vorab eine angemessene Informationsgrundlage zu schaffen, besteht beim Unternehmenskauf beispielsweise darin, dass der Käufer in aller Regel eine Due Diligence durchführen muss.
Externen Rat einholen
Außer in den Fällen, in denen die Geschäftsleitung selbst über ausreichendes Spezialwissen verfügt, nimmt die Rechtsprechung eine Pflicht zur Einholung externen Rats an. Versäumt der Manager dies und stellt sich das Geschäft als nachteilig für die Gesellschaft heraus, haftet er der Gesellschaft auf den so entstandenen Schaden persönlich.
Dabei ist es nach aktueller Rechtsprechung nicht damit getan, irgendeinen Berater zu kontaktieren und um seine Einschätzung zu bitten. Der Geschäftsleiter muss diesen sorgfältig auswählen und prüfen, ob der Experte über die nötige Erfahrung und den erforderlichen Sachverstand verfügt. Er muss ihn umfänglich und zutreffend informieren, die gelieferten Ergebnisse zur Kenntnis nehmen und auf offensichtliche Widersprüche oder Begründungslücken prüfen.
Praktisch bedeutet das, dass der Geschäftsführer, der eine Due Diligence beauftragt, den erstellten Due Diligence Bericht tatsächlich lesen und innerhalb seiner Möglichkeiten auf Plausibilität prüfen muss. Derartige Pflichten kann der Geschäftsführer innerhalb seines Unternehmens nur in engen Grenzen auf andere Abteilungen delegieren – in Anbetracht der ihn persönlich treffenden Haftungsrisiken ist dies auch nur in beschränktem Umfang zu empfehlen.
Fazit: Business Judgement Rule kein Freibrief
So gut die Business Judgement Rule auf den ersten Blick klingt: im Ernstfall tut sich ein Geschäftsleiter schwer, mit ihrer Hilfe einer Haftung zu entkommen, was nicht zuletzt auch an den für die Gesellschaft sehr vorteilhaften Beweislastregelungen liegt.
Zur Risikominimierung sollte ein Manager sämtliche Entscheidungen gründlich vorbereiten, erforderlichenfalls externen Sachverstand einholen und jeden seiner Schritte so ausführlich dokumentieren, dass sich die Basis seiner Entscheidung später nachvollziehen lässt.