13. November 2017
Maßnahmen der Geschäftsführung
Corporate / M&A

Streit über Maßnahmen der Geschäftsführung

Über Maßnahmen der Geschäftsführung kommt es im Nachhinein häufig zum Streit. Klar im Vorteil ist dann, wer seine Entscheidungsfindung sorgfältig dokumentiert hat.

Wann ein Geschäftsführer für den Misserfolg der Geschäftsführungsmaßnahme haftet, ist im Grundsatz weitgehend geklärt: Die Gesellschaft hat zu beweisen, dass die Maßnahme möglicherweise pflichtwidrig war und zu einem Schaden der Gesellschaft geführt hat.

Dabei wird unter einem Schaden jede Minderung des geldwerten Gesellschaftsvermögens verstanden. Möglicherweise pflichtwidrig ist die Maßnahme, wenn sie den Schaden verursacht hat. Der Geschäftsführer muss hingegen beweisen, nicht pflichtwidrig gehandelt zu haben.

Erleichterung durch die Business Judgement Rule

Um einer übertriebenen Risikoscheu der Geschäftsführer und dem unzulässigen Rückschluss aus der nachträglichen Erfolglosigkeit der Maßnahme auf ihre anfängliche Unzulässigkeit entgegenzuwirken, kommt das Gesetz dem Geschäftsführer mit der so genannten Business Judgement Rule zu Hilfe. Danach steht Geschäftsführern ein weites Ermessen bei der Frage zu, wie sie die Geschäfte des Unternehmens führen.

Sie dürfen auch und sollen sogar bewusst geschäftliche Risiken eingehen. Ihre unternehmerischen Entscheidungen werden unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg der Maßnahmen nur auf ihre Vertretbarkeit geprüft. Das heißt, die Überprüfung verlagert sich vom Ergebnis der Entscheidung auf den Prozess der Entscheidungsfindung.

Diese Erleichterung gilt aber nur, wenn der Geschäftsführer vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Das klingt eher harmlos, wird von den Gerichten aber streng gehandhabt, wobei die Beweislast den Geschäftsführer trifft.

Noch einigermaßen klar ist, dass Geschäftsführer frei von Sonderinteressen und in gutem Glauben handeln müssen. Im Fokus stehen daher meist die Anforderungen an die angemessene Informationsgrundlage. Nach der Rechtsprechung muss der Geschäftsführer, um die Entscheidung sorgfältig vorzubereiten, alle verfügbaren rechtlichen und tatsächlichen Informationsquellen ausschöpfen, auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der Handlungsoptionen sorgfältig abwägen und den erkennbaren Risiken Rechnung tragen. Dabei kommt es zwar auf die „Annahmen“ des Geschäftsführers an; er muss sie aber „vernünftigerweise“ so haben treffen dürfen.

Praxisbeispiel: Eigeninteresse vs. unternehmerisches Interesse

Was das in der Praxis bedeutet, zeigt exemplarisch ein kürzlich ergangenes Urteil des OLG Frankfurt (Urteil v. 02. Juli 2017 – 25 U 107/13):

Geklagt hatte der Insolvenzverwalter gegen den früheren Geschäftsführer und Gesellschafter der betroffenen GmbH. Der Beklagte hatte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des in der Solarbranche tätigen Unternehmens ein anderes Solarunternehmen, an dem er ebenfalls beteiligt war, im Wege eines Asset Deals erworben. Inwieweit der Beklagte seine beiden Mitgesellschafter in die Entscheidung eingebunden hatte, war streitig. Der Großteil des Kaufpreises entfiel mit ca. EUR 25.000,00 auf den Firmenwert des gekauften Unternehmens, das allerdings in den vorangegangenen Geschäftsjahren keine Umsatzerlöse erzielt und selbst keine eigenen immateriellen Vermögenswerte bilanziert hatte. Unterlagen zu dem Erwerb gab es bis auf eine Rechnung nicht, auch keinen schriftlichen Kaufvertrag. In der Folge erwarb der Beklagte die Anteile seiner beiden Mitgesellschafter und wurde damit Alleingesellschafter der betroffenen GmbH.

Nachdem die GmbH insolvent geworden war, nahm der Insolvenzverwalter den Beklagten in Anspruch und warf ihm vor, das gekaufte Unternehmen habe gar keinen Firmenwert mehr besessen und die GmbH sei in Höhe des gezahlten Teilbetrags geschädigt. Das LG Kassel ging wegen der zwischenzeitlichen Stellung des Beklagten als Alleingesellschafter von einem wirksamen Verzicht auf eventuelle Ersatzansprüche aus und wies die Klage in erster Instanz ab.

Das OLG Frankfurt hielt den Verzicht ohne Gegenleistung hingegen für unwirksam oder jedenfalls insolvenzrechtlich anfechtbar und verurteilte den Beklagten zur Zahlung. Das erworbene Unternehmen habe nachweislich über keinen Firmenwert mehr verfügt und der Beklagte könne sich bei einem solchen Insichgeschäft angesichts seines massiven offensichtlichen Eigeninteresses auch nicht auf ein unternehmerisches Ermessen berufen.

Haftungsvermeidung durch Dokumentation

Was hätte der beklagte Geschäftsführer tun können, um der Haftung zu entgehen? Nun, zunächst durfte er das Unternehmen selbstverständlich nicht aus eigennützigen Motiven heraus zu teuer erwerben. Wenn man aber zu seinen Gunsten unterstellt, dass er das gar nicht wollte, so lautet das wesentliche Stichwort: Dokumentation!

Hätte der Geschäftsführer schriftlich festgehalten, weshalb er trotz der dagegensprechenden Indizien von einem positiven Firmenwert ausging, weshalb er diesen mit ca. EUR 25.000,00 veranschlagte und wie die erwerbende GmbH ihn gewinnbringend einsetzen sollte, wäre es ungleich schwerer gewesen, ihm ein Fehlverhalten nachzuweisen. Gerade beim Firmenwert, der sich aus Werten wie Stammkundschaft, gutem Management und Know-how zusammensetzt und naturgemäß schwer zu quantifizieren ist, wäre besondere Sorgfalt angebracht gewesen. Beim Erstellen einer solchen Dokumentation wäre dem Geschäftsführer möglicherweise sogar aufgefallen, dass der Erwerb nicht im Interesse der Gesellschaft lag.

Besonders angezeigt war eine sorgfältige Dokumentation hier auch wegen des massiven Interessenkonflikts des Geschäftsführers. Es hätte daher einer besonderen Begründung bedurft, weshalb ausgerechnet das Unternehmen, an dem der Beklagte selbst beteiligt war, erworben werden sollte, und welche Alternativen er erwogen und verworfen hatte. Trotz des eher geringen Volumens der Transaktion hätte sich – neben einer Due Diligence – vielleicht auch ein externes Wertgutachten angeboten.

Eskalation auf die Ebene der Gesellschafter

Um eine Haftung sicher auszuschließen, hätte der Beklagte noch einen Schritt weitergehen und vorab einen Gesellschafterbeschluss über den geplanten Unternehmenskauf herbeiführen müssen.

Dass er dies getan hatte, konnte der Beklagte jedenfalls nicht beweisen. Das bloße Einverständnis der Mitgesellschafter oder jedenfalls der Gesellschaftermehrheit, auf die sich der Beklagte hilfsweise berufen hatte, genügt nicht. Voraussetzung wäre außerdem auch hier – ebenso wie bei einer nachträglichen Genehmigung oder Entlastung – die ausreichende Information der (Mit-)Gesellschafter gewesen, die wiederum sorgfältig zu dokumentieren gewesen wäre (z.B. in einer Anlage zum Protokoll der Gesellschafterversammlung).

Mit einer solchen Eskalation gibt der Geschäftsführer zwar das Heft des Handelns aus der Hand. Insichgeschäfte sind allerdings regelmäßig nach der Satzung oder der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung ohne die Zustimmung der Gesellschafterversammlung ohnehin unzulässig, weil das Risiko eigennützigen Verhaltens evident ist. Werden solche Zustimmungsvorbehalte missachtet, droht eine Haftung selbst dann, wenn die Gesellschafterversammlung im Vorfeld möglicherweise zugestimmt hätte, der Geschäftsführer das aber nicht mehr zweifelsfrei beweisen kann.

Sinnvoll oder sogar geboten kann die Eskalation auf die Gesellschafterebene auch bei einem Konflikt zwischen mehreren Geschäftsführern und generell stets dann sein, wenn absehbar ist, dass die Entscheidung auf Gesellschafterebene kontrovers sein wird. Wissen die Gesellschafter um die anstehende Entscheidung, können sie sie natürlich auch aus eigener Initiative an sich ziehen und einen eventuellen Streit darüber präventiv untereinander austragen.

Fazit: Einem Streit über Maßnahmen der Geschäftsführung lässt sich vorbeugen

Das Risiko von Streit über Maßnahmen der Geschäftsführung lässt sich also mit vergleichsweise wenig Aufwand erheblich verringern. Wer dabei den vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall für einen besonderen Einzelfall hält, liegt sicherlich richtig. Gerade Geschäftsführer, die wie der hiesige Beklagte zugleich Mehrheits- oder gar Alleingesellschafter sind, wiegen sich jedoch nicht selten in einer gefährlichen Sicherheit, was spätestens in der Insolvenz zu einem bösen Erwachen führen kann.

Unsere Beitragsreihe informiert rund um das Thema Gesellschafterstreitigkeiten. Bereits erschienen sind Beiträge zur Entstehung von Gesellschafterkonflikten, die mögliche Steuerung durch Gestaltung der Gesellschafterverträge und wie streitige Gesellschafterversammlungen vorbereitet und durchgeführt werden können. Zuletzt haben wir uns mit der Teilnahme von Beratern an Gesellschafterversammlungen, der Beschlussfassung in der streitigen Gesellschafterversammlung sowie der Besetzung der Geschäftsführung befasst.

Tags: Gesellschafterstreit Maßnahmen der Geschäftsführung