27. März 2025
Apothekenplattform Rezeptmakeln
Gewerblicher Rechtsschutz

BGH stärkt die Zulässigkeit von Apothekenplattformen

Das Urteil zur Zulässigkeit von Apothekenplattformen zeigt, wie wichtig die jeweilige vertragliche Ausgestaltung ist.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2025 (I ZR 46/24), befasst sich mit der Zulässigkeit des Geschäftsmodells von Online-Marktplätzen für Apotheken. Dabei geht es insbesondere um die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Frage, ob solche Geschäftsmodelle gegen das Verbot des Rezeptmakelns (§ 11 Abs. 1a Apothekengesetz – ApoG) und das Verbot partiarischer Rechtsbeziehungen (§ 8 S. 2 ApoG) verstoßen. Einige bislang umstrittene Rechtsfragen im Zusammenhang mit Apothekenplattformen dürften nunmehr höchstrichterlich geklärt sein.

Apothekerkammer vermutete Verstoß gegen das Verbot des Rezeptmakelns bei Apothekenplattform

In dem zugrunde liegenden Fall betreibt die Klägerin eine Online-Plattform, über die niedergelassene Apotheken und Versandapotheken durch Abschluss sog. Partnerverträge apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (OTC-Arzneimittel) und andere Produkte wie Kosmetika und Nahrungsergänzungsmittel anbieten und vertreiben können. Kunden* können über die Apothekenplattform auch elektronische Verordnungen an teilnehmende Apotheken versenden lassen. Für diese Dienstleistung für die Apotheken erhebt die Plattform

  1. eine pauschale monatliche Grundgebühr in Höhe von EUR 399 sowie
  2. eine Transaktionsgebühr in Höhe von 10 % des Nettoverkaufspreises bei Bestellungen von apothekenpflichtigen, aber nicht verschreibungspflichtigen Produkten.

Die Beklagte, die Apothekerkammer Nordrhein, sah hierin insbesondere einen Verstoß gegen das Verbot des Rezeptmakelns nach § 11 Abs. 1a ApoG. Darüber hinaus verstoße die Erhebung von Gebühren für die Abgabe nicht preisgebundener Arzneimittel laut Apothekerkammer Nordrhein gegen § 8 S. 2 ApoG.

Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass das Geschäftsmodell der Klägerin grundsätzlich zulässig sein kann.

Zusammenfassend geht der BGH insbesondere auf folgende vier Themenbereiche ein:

  1. Restriktive Auslegung des Rezeptmakelns: Der BGH betont, dass das Verlangen einer pauschalen Nutzungsgebühr der Plattform grundsätzlich zulässig sein kann, solange die Gebühr nicht unmittelbar für das Einlösen eines Rezeptes oder dessen Vermittlung erhoben wird. Ein Vorteil im Sinne des § 11 Abs. 1a ApoG sei nur dann anzunehmen, wenn die Zahlung eines Entgelts „gerade einen steuernden Einfluss des Dritten auf den Weg von Rezept zur Apotheke“ habe (Rz. 36). 

    Der BGH begründet ausführlich, warum § 11 Abs. 1a ApoG einen sogenannten „schutzzweckrelevanten Zusammenhang“ zwischen Entgelt und Vorteil verlangt. 

      • Wortlaut: Der Wortlaut des § 11 Abs. 1a ApoG impliziere mit dem finalen Adverb „dafür“, dass der Vorteil gerade auf die tatbestandsmäßigen Handlungen des Sammelns, Vermittelns oder Weiterleitens bezogen sein muss (Rz. 38).
        • Gesetzesbegründung: Nach der Begründung des Gesetzentwurfs diene die Regelung des § 11 Abs. 1a ApoG zum einen dem Schutz der Freiheit der Versicherten bei der Auswahl der Apotheke, zum anderen der Sicherung einer flächendeckenden Versorgung mit Arzneimitteln durch wohnortnahe Apotheken (Rz. 39).
          • Systematik I: Im Rahmen des ärztlichen Berufsrechts geht der BGH schon lange vom Erfordernis eines schutzzweckrelevanten Zusammenhangs aus. Es sei sachgerecht den im ärztlichen Berufsrecht anerkannten Zusammenhang zwischen Tathandlung und Vorteil auch für die Anwendung des Verbots des Rezeptsmakelns zu verlangen (Rz. 42 f.).
            • Systematik II: Das tatbestandslimitierende Erfordernis eines schutzzweckrelevanten Zusammenhangs sei auch sachgerecht, weil andernfalls die Gefahr bestünde, dass das Verbot des Rezeptmakelns in widersprüchlicher Weise zu Lasten weiterer gesetzlicher Regelungen ausgedehnt würde, deren Ziel die Förderung der Digitalisierung in der Patientenversorgung ist (hier die Vorschriften §§ 360 bis 360b SGB V) (Rz. 44 ff.).
              • Systematik III: Die restriktive Lesart sei, entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten, auch „zwanglos mit dem strafrechtlichen Erfordernis der Unrechtsvereinbarung“ der §§ 299 f. und 331 ff. StGB „kompatibel“ (Rz. 57).

                Die restriktive Auslegung stelle zudem sicher, dass die Eingriffe in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und die berufsbezogene allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG nicht unverhältnismäßig sind (Rz. 55).

              1. Apothekenwahlfreiheit: Mit dieser Entscheidung stellt der BGH zudem klar, dass Apothekenplattformen nicht per se gegen die Apothekenwahlfreiheit nach § 31 Abs. 1 S. 5 SGB V verstoßen. Der BGH führt aus, dass Apothekenplattformen den Patienten lediglich einen zusätzlichen Weg bieten, elektronische Verordnungen einzulösen. Dies werde auch nicht dadurch eingeschränkt, dass dem Kunden nur Apotheken angezeigt werden, die mit ihm einen entsprechenden Partnervertrag geschlossen haben. Vielmehr habe der Kunde durch den Aufruf der Plattform sein Wahlrecht bereits eigenverantwortlich auf Apotheken konkretisiert, die diesen Kommunikationsweg nutzen (Rz. 61 f.). 
              2. Verhältnismäßigkeit der Nutzungsgebühr: Vorliegend werde die monatliche Nutzungsgebühr nicht für das Sammeln, Vermitteln oder Weiterleiten von Verordnungen erhoben, sondern für die Zurverfügungstellung einer Marktplatz-Infrastruktur (Rz. 59). 

                Es kommt jedoch auf die konkrete Ausgestaltung im Einzelfall an. Der BGH deutet an, dass die Vereinbarung eines monatlichen Nutzungsentgelts für die EDV-Bereitstellung nicht pauschal zulässig ist. Sofern z.B. die Höhe der Nutzungsgebühr im Verhältnis zum Leistungsumfang überhöht ist, könne ein Fall der verdeckten Provision für die Vermittlung von Rezepten vorliegen. In diesem Fall müsste ein schutzzielrelevanter Zusammenhang bejaht werden. Dies würde einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1a ApoG begründen (Rz. 64).

              1. Zulässigkeit von Transaktionsgebühren: Die Entscheidung des BGH stellt zudem klar, dass eine Plattform grundsätzlich auch sog. Transaktionsgebühren erheben kann und dies nicht per se einen Verstoß gegen § 8 S. 2 ApoG darstellt. Auch hier kommt es jedoch auf die konkrete vertragliche und tatsächliche Ausgestaltung an. 

                Im Streitfall überwog der dienstvertragliche Charakter der Vereinbarung über die Transaktionsgebühr gegenüber dem mietvertraglichen Charakter. Die Transaktionsgebühr werde dafür gezahlt, dass die Apothekenplattform eine digitale Dienstleistung erbringe. Dienstleistungen können nach Ansicht des BGH zwar auch einen „Vermögenswert“ im Sinne des § 8 S. 2 ApoG darstellen, die Vergütung müsse sich aber am Gewinn oder Umsatz „der Apotheke“ orientieren. Der BGH stellt weiter klar, dass eine am Umsatz oder Gewinn einzelner Geschäfte orientierte Vergütung nur dann als am Umsatz oder Gewinn „der Apotheke“ im Sinne von § 8 S. 2 ApoG anzusehen sei, wenn Umsatz und Gewinn der Apotheke zu einem „wesentlichen Teil auf den so getätigten Geschäften beruhen“ (Rz. 77). Die Klärung dieser Frage im Streitfall hat der BGH an das Berufungsgericht, OLG Karlsruhe, zurückverwiesen.

              Das Urteil des BGH stellt einen wichtigen Schritt in der rechtlichen Klärung der Zulässigkeit von Geschäftsmodellen im Bereich der Apothekenplattformen dar

              Der BGH bestätigt, dass Geschäftsmodelle, bei denen Online-Marktplätze Apotheken bei der Abwicklung von elektronischen Verordnungen unterstützen und dafür eine Gebühr erheben, grundsätzlich zulässig sein können. Dies öffnet die Tür für weitere Entwicklungen in diesem Bereich. 

              Offen bleibt die Frage, wann eine Apotheke einen „wesentlichen Teil“ ihres Umsatzes durch den Verkauf über eine Plattform erzielt. Dies muss für den Streitfall nun das OLG Karlsruhe klären, an das der BGH den Fall zurückverwiesen hat. 

              Die Entscheidung zeigt auch, dass es in der Praxis auf die konkrete vertragliche Ausgestaltung im Einzelfall ankommt. Damit ein solches Geschäftsmodell rechtlich zulässig ist, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Insbesondere müssen 

              1. Leistung und Gegenleistung klar definiert sein,
              2. die Höhe des Entgelts muss angemessen sein und
              3. die Apotheken dürfen nicht in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von der Plattform geraten.

              * Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

              Tags: Apothekenplattform Gewerblicher Rechtsschutz Rezeptmakeln