Es wird konkreter: Die Bundesregierung legt Eckpunkte zur geplanten Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken fest.
Die Ampelparteien haben sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ zu ermöglichen.
Im Anschluss an den im Sommer 2022 durchgeführten Konsultationsprozess mit zahlreichen Expertenanhörungen hat die Bundesregierung nun ein Eckpunktepapier zur geplanten Legalisierung veröffentlicht. Dieses bringt etwas Licht ins Dunkel, wie sich die Bundesregierung die geplante Legalisierung konkret vorstellt.
Ob diese Pläne zur Legalisierung tatsächlich umsetzbar sind, wird jedoch zunächst eine rechtliche Vorprüfung des Eckpunktepapiers durch die EU-Kommission zeigen müssen. Denn noch immer gilt es, völker- und europarechtliche Hürden zu überwinden.
Cannabis-Legalisierung: Die wichtigsten Eckpunkte im Überblick – Anpassung des rechtlichen Rahmens für die Umsetzung der Legalisierung erforderlich
Als wesentliche Änderung gilt, dass Cannabis und Tetrahydrocannabinol (THC) künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden sollen.
Der Erwerb und der Besitz bis zu einer Höchstmenge von 20 bis 30 Gramm Genusscannabis zum Eigenkonsum sollen straffrei möglich sein. Zudem soll der private Eigenanbau von bis zu drei weiblichen blühenden Pflanzen erlaubt sein.
Im Hinblick auf Produkte mit Cannabidiol (CBD) bleibt das Eckpunktepapier schwammig. Dort heißt es nur, dass zum Umgang mit CBD-Produkten ggf. besondere Regelungen getroffen werden müssten.
Die bereits bestehenden Regelungen zu Cannabis für medizinische Zwecke sollen hingegen inhaltlich nicht angepasst werden. Medizinalcannabis soll weiter nach den bereits geltenden sozialrechtlichen Voraussetzungen als Arzneimittel verschrieben werden können.
Im Vergleich zu einem einige Tage zuvor bekannt gewordenen internen Vorentwurf sieht die nunmehrige Fassung des Eckpunktepapiers keine Obergrenze für den THC-Gehalt im legalen Genusscannabis für Erwachsene mehr vor. Eine solche wird allerdings für Heranwachsende von 18 bis 21 Jahren weiterhin überlegt.
Abgabe und Vertrieb von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften
Der Vertrieb von Genusscannabis soll in lizenzierten Fachgeschäften, die alleine auf den Verkauf von Genusscannabis und auf die Beratung dazu ausgerichtet sind, und ggf. in Apotheken erfolgen.
Für Teile der Cannabisindustrie dürfte enttäuschend sein, dass der Onlinehandel mit Genusscannabis – anders als noch im internen Vorentwurf des Eckpunktepapiers – zunächst nicht vorgesehen ist. Hier sieht die Bundesregierung weiteren Prüfungsbedarf.
Das bereits im Koalitionsvertrag angekündigte generelle Werbeverbot für Genusscannabis dürfte für die Cannabisindustrie ebenfalls unbefriedigend sein.
Die Bundesregierung setzt für den Vertrieb von Genusscannabis allein auf den Anbau in Deutschland. Zu groß erscheinen der Bundesregierung offenbar die rechtlichen Hürden im Zusammenhang mit dem Import von Genusscannabis. So heißt es in dem Eckpunktepapier, dass nach vorläufiger Einschätzung ein internationaler Handel von Cannabis zu Genusszwecken im Einklang mit bestehenden internationalen Rahmenbedingungen nicht möglich sei.
Ob der Bedarf an Genusscannabis allein mit heimischem Anbau gedeckt werden kann, wird jedoch allgemein angezweifelt.
Anbau und Lieferkette von Cannabis stehen unter staatlicher Überwachung
Der Anbau sowie die weitere Lieferkette sollen einer strikten staatlichen Überwachung im Rahmen eines Lizenzsystems unterliegen. Als Lizenzgeber sollen Behörden des Bundes oder der Bundesländer auftreten. Natürliche oder juristische Personen, die die entsprechenden Anforderungen, insbesondere an Zuverlässigkeit und Sachkunde, erfüllen, sollen eine Lizenz erhalten können.
Deutschland muss vor der Legalisierung von Cannabis völker- und europarechtliche Hürden überwinden
Ob sich die Pläne der Bundesregierung tatsächlich umsetzen lassen, ist aber noch offen. Völker- und europarechtliche Regeln zum Umgang mit Genusscannabis könnten der Legalisierung in Deutschland entgegenstehen.
So ist Deutschland Vertragspartei des UN-Einheitsübereinkommens über Suchtstoffe (1961). In diesem UN-Einheitsübereinkommen verpflichten sich die Mitgliedsstaaten ausdrücklich, u.a. den Anbau und Handel von Cannabis außerhalb medizinischer oder wissenschaftlicher Zwecke zu verbieten. Auch das europäische Recht verweist auf das UN-Einheitsübereinkommen.
Ungewöhnlich ausführlich beschäftigt sich die Bundesregierung in dem Eckpunktepapier mit diesen Hürden. So heißt es in dem Eckpunktepapier, der rechtliche Rahmen biete (nur) „begrenzte Optionen, das Koalitionsvorhaben umzusetzen“. Die Bundesregierung möchte sich dabei mit einer „Interpretationserklärung“ gegenüber den übrigen Vertragsparteien der internationalen Übereinkommen behelfen. In dieser Interpretation soll die Umsetzung des Koalitionsvertrages als mit dem Zweck und den rechtlichen Vorgaben der Übereinkommen vereinbar erklärt werden.
Für eine Vereinbarkeit mit dem Zweck der völkerrechtlichen Vorgaben soll ins Feld geführt werden, dass die Legalisierung nur in einem engen staatlich kontrollierten Rahmen erfolgen soll. Zudem soll hierfür die Tatsache sprechen, dass Anbau, Abgabe und Konsum von Cannabis unter Verbesserung der Standards beim Gesundheitsschutz erfolgen sollen. Ferner soll ein weiteres Ziel der Legalisierung, nämlich die Bekämpfung der Drogenkriminalität, für die Vereinbarkeit mit dem UN-Einheitsübereinkommen angeführt werden.
Ob die internationale Staatengemeinschaft diesem Interpretationsansatz folgen wird, bleibt abzuwarten.
Legalisierung wird vermutlich nicht vor 2024 erfolgen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kündigte an, das Eckpunktepapier nunmehr der EU-Kommission zu einer Vorabprüfung zukommen lassen zu wollen. Somit soll insbesondere ein späteres Vertragsverletzungsverfahren vermieden werden. Lauterbach betont ausdrücklich, dass eine „Hängepartie“ wie seinerzeit beim Maut-Projekt ausgeschlossen werden soll. Nur wenn die EU-Kommission im Rahmen der Vorabprüfung „grünes Licht“ gebe, solle auf der Grundlage des Eckpunktepapiers ein Gesetzesentwurf erarbeitet werden.
Lauterbach zufolge könnte – unter dem Vorbehalt einer schnellen Rückmeldung durch die EU-Kommission – ein solcher Gesetzesentwurf bereits im ersten Quartal 2023 vorliegen. Mit der Legalisierung sei jedoch nicht vor 2024 zu rechnen.