15. Juli 2021
Hörmarke Zischen Dose
Markenrecht

Das Zischen beim Öffnen einer Dose kann nicht als Hörmarke eingetragen werden

Mit einem Urteil zum Öffnen einer Getränkedose äußert sich das EuG nun erstmals zu den Anforderungen an den Schutz von Geräuschen als Hörmarken.

Nicht nur Schriftzeichen und Logos, sondern auch akustische Motive wie Klänge und Melodien können als Marken angemeldet werden. Während das bei klassischen Werbejingles weniger problematisch ist, finden sich in den Markenregistern bisher nur wenige Geräusche.

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat entschieden, dass das Zischen beim Öffnen einer Getränkedose keine hinreichende Unterscheidungskraft besitzt, um als Marke eingetragen werden zu können (Urteil vom 7. Juli 2021 – T-668/19).

Bei der Geräuscherzeugung wurde nachgeholfen

Ganze vierzehn Sekunden lang ist die beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eingereichte Tonspur. Zu Beginn erklingt kurz das charakteristische Knacken vom Eindrücken der metallischen Dosen-Lasche, dann ist das Entweichen eines Gases zu hören, welches erst nach etwa neun Sekunden leise abebbt. Nach Auffassung der vorinstanzlichen Markenstelle und Beschwerdekammer handelt es sich hierbei um das typische Geräusch, das regelmäßig beim Öffnen einer Dose wahrgenommen werden kann, vom durchschnittlichen Verbraucher aber nicht weiter beachtet wird.

Tatsächlich steckt hinter der Geräuscherzeugung mehr als das bloße Öffnen der Dose. Laut Klägerin habe man vielmehr einen erheblichen technischen Aufwand betrieben, um konkret dieses Geräusch zu erzeugen. In der Dose befindet sich ein Stickstoffbehälter, der sich beim Öffnen in die Flüssigkeit entleert, weshalb das Zischen so überdurchschnittlich lange anhält. Zudem sieht die Klägerin in der kurzen Pause zwischen dem Öffnen der Dose und dem Einsetzen des Zischens einen Überraschungseffekt, der die Aufmerksamkeit des Verbrauchers erregen soll. Für das EuG stellte sich nun die Frage, ob diese vermeintliche Pause zusammen mit dem durchaus ungewöhnlich langen Zischen ausreicht, um das Geräusch als Marke in das Markenregister einzutragen.

Zischen ist rein technisch bedingt

Die Antwort ist ein klares „Nein″. Nach Auffassung des EuG ist dieses Geräusch, das beim Öffnen der Dose entsteht, rein technisch bedingt. Auch die maßgeblichen Verkehrskreise würden dem Zischen eine bloß funktionale Bedeutung beimessen. Als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Dose bzw. des darin befindlichen Getränks eigne sich das Geräusch damit nicht. Diese Herkunftsfunktion ist allerdings wesentliches Element einer Marke. Marken müssen sich einem bestimmten Hersteller zuordnen lassen können und von vergleichbaren Produkten unterscheiden. Das Geräusch des Öffnens einer Getränkedose ist aber zunächst einmal unabhängig vom Hersteller gleich.

Diese Beurteilung ändert sich auch nicht dadurch, dass die Klägerin das Geräusch mithilfe eines Stickstoffbehälters beeinflusst. Das EuG sieht darin durchaus eine gewisse Variation – dabei handele es sich aber lediglich um Nuancen. Die kurze Pause und das anschließende überlange Zischen seien nicht prägnant genug, um das Produkt der Klägerin von anderen Getränkedosen zu unterscheiden. Die Verbraucher würden diesem Geräusch keine hinreichende Bedeutung beimessen, die eine Zuordnung zur Klägerin ermöglichen würde.

Keine Übertragung der Rechtsprechung zu dreidimensionalen Marken auf Hörmarken

Die Vorinstanzen waren zudem der Auffassung, dass Geräusche zur Eintragung als Hörmarke „erheblich″ von der Norm beziehungsweise Branchenüblichkeit abweichen müssten. Als Begründung wurde die Rechtsprechung zu dreidimensionalen Marken herangezogen. Danach ist die Erlangung von Unterscheidungskraft umso unwahrscheinlicher, je stärker sich die angemeldete Markenform der Form der Ware selbst annähert. Eine Anwendung dieser Rechtsprechung auf Hörmarken ist nach Ansicht des EuG aber nicht möglich:

Eine dreidimensionale Marke, die im Erscheinungsbild der Ware selbst oder ihrer Verpackung besteht, wird nämlich vom Durchschnittsverbraucher nicht notwendig in der gleichen Weise wahrgenommen wie eine Wort-, Bild- oder Hörmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild oder der Form der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist.

Am Ergebnis ändert das im vorliegenden Fall aber nichts, weshalb das EuG diesen Rechtsfehler der Vorinstanzen als unbeachtlich ansah. Immerhin müssen nach dem EuG aber auch Hörmarken über eine gewisse Resonanz beziehungsweise einen Wiedererkennungswert verfügen, damit Verbraucher die Marke einem Hersteller zuordnen können. Daran fehlt es bei dem Zischen einer Dose mit kohlensäurehaltigem Getränk jedenfalls aufgrund der Wahrnehmung des Geräuschs als rein funktionelles Element.

Bessere Erfolgswahrscheinlichkeiten bei veränderten Hörgewohnheiten?

Die Entscheidung des EuG ist nicht überraschend und die Begründung nachvollziehbar. Ein Markenschutz für das vorliegend in Streit stehende Zischen hätte auch Fragen nach dem Freihaltebedürfnis aufgeworfen. Immerhin besteht ein allgemeines Interesse daran, Alltagsgeräusche nicht zu monopolisieren. 

Dennoch sollte Markenschutz für Geräusche nicht von vornherein abgeschrieben werden. So stimmt das EuG ausdrücklich mit den Vorinstanzen darin überein, dass sich die Gewohnheiten in einem Wirtschaftssektor mit der Zeit wandeln können. In stark umkämpften Bereichen des Wettbewerbs besteht ein Anreiz dazu, die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf verschiedene Weisen zu gewinnen. Die Etablierung von Geräuschen mit Wiedererkennungswert ist dabei nur ein weiterer logischer Schritt. In diesem Sinne: Man hört sich!

Tags: Dosenöffnung Herkunftsfunktion Hörgewohnheit Hörmarke Zischen