Das Bundespatentgericht hatte darüber zu entscheiden, ob das Markenzeichen „ABSURD“ gegen die guten Sitten verstößt.
Was sind eigentlich „gute Sitten“ und wann genau liegt ein Verstoß vor? Diese sehr schwammige und weitläufige Begrifflichkeit verleitet Gerichte regelmäßig zu langen Ausführungen rund um das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“. In seinem Beschluss vom 28. Juli 2021 (Az. 29 W (pat) 39/18) musste sich das Bundespatentgericht (BPatG) mit dieser Fragestellung im Zusammenhang mit dem Logo einer rechtsextremistischen Band auseinandersetzen und kam zu einem eindeutigen Ergebnis.
Gegenstand des Verfahrens war die Anmeldung der Wort-Bild-Marke „ABSURD“ für diverse Waren- und Dienstleistungen aus der Musikbranche. Das als Band-Logo verwendete Zeichen bestand aus dem Schriftzug „ABSURD“ mit martialisch verfremdeten Buchstaben. Nachdem das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) die Markenanmeldung wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten gem. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG zurückgewiesen hatte, fühlte sich der Anmelder diskriminiert und wagte den Weg zum BPatG.
Die guten Sitten – ein schwer greifbarer Begriff
Das BPatG beschäftigte sich zunächst mit dem Begriff der guten Sitten. Denn dieser Ausschlussgrund ist im Markenrecht nicht unbedingt alltäglich. Dafür sorgen Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema nicht selten für mediale Aufmerksamkeit, wie bspw. der im Jahr 2020 durch den EuGH entschiedene Streit um die Wortmarke „Fack Ju Göhte“ (Rs. C‑240/18 P). Auf dieses Urteil bezog sich auch das BPatG, indem es feststellte, dass sich die guten Sitten auf Werte und Überzeugungen bezögen,
an denen die Gesellschaft im jeweiligen Zeitpunkt festhält und die von dem jeweiligen gesellschaftlichen Konsens getragen werden.
Folglich bedürfe es einer empirischen Einschätzung des Empfindens der Verkehrskreise zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dazu müsse die Wahrnehmung einer Person mit durchschnittlicher Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle unter Berücksichtigung des jeweiligen Kontextes herangezogen werden. Nach diesen Voraussetzungen seien die guten Sitten verletzt, wenn ein erheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise die Marke nicht bloß als geschmacklos, sondern als anstößig empfindet.
Erhebliche Verletzung der guten Sitten durch rechtsextremes Gedankengut
In der angemeldeten Wort-Bild-Marke erkannte das BPatG einen klaren Bezug zu der rechtsradikalen Band „Absurd“, die in den 90er Jahren durch den sog. „Satansmord von Sondershausen“ nationale Bekanntheit erlangte. In einem vom Gericht herangezogenen Verfassungsschutzbericht des Innenministeriums aus dem Jahr 2007 wurde der Band Kultstatus innerhalb der rechtsextremen Szene zugeschrieben. Auch in anderen Verfassungsschutzberichten und in Materialien der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema „Rechtsextremismus in der Musikszene“ tauchte die Band mehrfach auf. Die entsprechende Bekanntheit der Band sah das BPatG auch zum maßgeblichen Anmeldezeitpunkt Anfang 2018 als gegeben.
Der Auffassung des Anmelders, das Wort „Absurd“ sei an sich nicht anstößig, stimmte das BPatG zwar zu. Auf die originäre Wortbedeutung allein komme es jedoch nicht an. Die grafische Gestaltung des Zeichens sei derart auffällig, dass der Betrachter* das Zeichen nicht als bloßes Wort auffasse, sondern eine unmittelbare Verbindung zu rechtsextremistischem Gedankengut herstellen würde. Insgesamt fand das BPatG sehr deutliche Worte:
Das eigentlich „unverfängliche“ Wort „Absurd“ verkörpert daher in der konkreten grafischen Gestaltung jedenfalls in Zusammenhang mit den beanspruchten Tonträgern und Musikproduktionen, ebenso wie für Handelsdienstleistungen mit entsprechend gekennzeichneter Bekleidung unmissverständlich eine rechtsradikale, rassistische und menschenverachtende Gesinnung.
BPatG sieht die rechtsextreme Band nicht diskriminiert
Auch den anderen Argumenten des Anmelders konnte das BPatG nicht folgen. Insbesondere sei es irrelevant, dass nicht alle angesprochenen Verkehrskreise die Band „Absurd“ kennen. Ebenso wenig spiele es eine Rolle, ob gewisse angesprochene Verkehrskreise die Band gut und unterstützenswert fänden. Maßgeblich sei allein, dass „ein erheblicher Teil“ der angesprochenen Verkehrskreise Anstoß nehmen würde. Aus diesem Grund sei die Sittenwidrigkeit des Zeichens auch nicht an ein mögliches Verbot der Band geknüpft.
Ferner lehnte das BPatG auch den Vorwurf der Diskriminierung ab. So möge es zwar ein anderes rechtsextremes Band-Logo in das Markenregister geschafft haben. Aus diesem Unrecht ergebe sich jedoch kein Anspruch auf Eintragung der Marke „Absurd“. Schließlich verletze die Ablehnung der Eintragung einer Marke nicht das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit. Immerhin versage die Zurückweisung der Markenanmeldung nur ein Ausschließlichkeitsrecht an dem Zeichen – die sonstige Nutzung bleibt davon unberührt.
Keine Chance für rechtsextreme Zeichen
Der im Hinblick auf die Ausführungen zur Sittenwidrigkeit im Markenrecht sehr lesenswerte Beschluss des BPatG lässt rechtsextremen Markenanmeldungen wenig Raum. Dem zum Teil tatsächlich äußerst „absurden“ Vorbringen des Anmelders widmet sich das Gericht nur am Rande. Auch wenn die rein rechtliche Auseinandersetzung dem gesellschaftlichen Anstandsgefühl mitunter befremdlich oder umständlich erscheint, gelingt es dem BPatG hier, mit einer nachvollziehbaren Argumentation zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen. Ungeachtet des rechtsextremistischen Hintergrunds der Markenanmeldung ist aus der Entscheidung ganz allgemein mitzunehmen, dass das angemeldete Zeichen nicht ausschließlich selbst sittenwidrig sein muss. Die Verletzung der guten Sitten kann sich – wie hier – auch aus einer durch das Zeichen hervorgerufenen Assoziation ergeben.
Der Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit Annabelle Wittmann erstellt.