16. März 2023
Unternehmenskennzeichen Betriebsaufgabe
Markenrecht

Kein Vorgehen aus Unternehmenskennzeichen bei Betriebsaufgabe

Wer aus einem Unternehmenskennzeichen gegen eine Markenanmeldung vorgehen möchte, muss dessen Bestand zum Zeitpunkt der Markenanmeldung nachweisen.

Nicht jeder Gewerbetreibende meldet den Namen seines Betriebs als Marke an. Insbesondere für kleinere Unternehmer*, die in einem begrenzten lokalen Umfeld agieren, lohnt sich eine Markenanmeldung häufig nicht. Ärgerlich ist es natürlich trotzdem, wenn plötzlich ein Dritter den Namen des eigenen Unternehmens als Marke anmeldet. Der Unternehmensinhaber ist jedoch nicht schutzlos. Auch aus dem Namen eines Unternehmens können mitunter Rechte hergeleitet und kann eine Markenanmeldung verhindert werden.

Das Bundespatentgericht (BPatG) beschäftigte sich mit Beschluss vom 19. Juli 2021 (Az. 26 W (pat) 16/20) mit einem Fall, in dem über den Bestand des Betriebs und damit des Unternehmenskennzeichens Streit bestand. Der Inhaber des Unternehmenskennzeichens, ein Kleingewerbetreibender, bei dem an Wochenenden zur Nachtzeit Lebensmittel bestellt werden konnten, hatte gegen die am 19. November 2018 angemeldete Marke „Nachtretter″ Widerspruch eingelegt, weil Identität mit seiner Unternehmensbezeichnung bestand.

Bestand des Unternehmenskennzeichens muss vom Inhaber nachgewiesen werden

Das BPatG bestätigte zunächst, dass die Bezeichnung des Betriebs des Kleingewerbetreibenden ein taugliches Unternehmenskennzeichen ist. Zwar handelte es sich hier nicht um eine Firma i.S.v. § 17 Abs. 1 HGB – denn es lag kein kaufmännischer Betrieb vor. Das sei aber auch nicht erforderlich. Da die Bezeichnung „Nachtretter″ beim Vertrieb von Lebensmitteln zur Nachtzeit eine Namensfunktion erfüllte, war sie jedenfalls als besondere Bezeichnung eines Gewerbebetriebs anzusehen.

Des Weiteren besitzt die Bezeichnung „Nachtretter″ lt. Gericht originäre Unterscheidungskraft. Unterscheidungskräftig ist eine Unternehmensbezeichnung dann, wenn sie nicht bloß das Unternehmen beschreibt, sondern vom Verkehr als namensmäßiger Hinweis auf das konkrete Unternehmen verstanden wird. Einen bloß unternehmensbeschreibenden Sinngehalt konnte das Gericht bei der Wortzusammensetzung „Nachtretter″ nicht feststellen:

Es bedarf vielmehr weiterer Gedankenschritte und damit einer unzulässigen analysierenden Betrachtungsweise, um von der nicht rettbaren Tageszeit „Nacht“ darauf zu kommen, dass der so bezeichnete „Nachtretter“ seine Kunden in der Nacht, in der normalerweise Lebensmittelgeschäfte geschlossen sind, vor dem Verdursten oder Verhungern rettet.″

Entstehung, aber fragliches Fortbestehen des Unternehmenskennzeichens

Um aus einem Unternehmenskennzeichen Rechte herleiten zu können, muss es auch tatsächlich entstanden sein. Das setzt eine tatsächliche namensmäßige und nach außen in Erscheinung tretende Benutzung voraus, die auf den Beginn einer dauerhaften wirtschaftlichen Betätigung schließen lässt. Hier hatte der Kleingewerbetreibende mehrere Nachweise für eine Betriebsaufnahme im Jahr 2010 vorgelegt: darunter die Registrierung der Domain „nachtretter.de″, den Betrieb einer entsprechenden Website sowie Facebook-Seite und eine Einnahmenüberschussrechnung für das Jahr 2010 für den Gewerbebetrieb „Nachtretter″.

Fraglich war jedoch in der Folge, ob das Unternehmenskennzeichen auch zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke am 19. November 2018 noch bestand. Anderenfalls könnte die Eintragung der Marke nicht unter Berufung auf das Unternehmenskennzeichen verhindert werden. Der Schutz eines Unternehmenskennzeichens endet mit der endgültigen Aufgabe des Kennzeichengebrauchs oder des Geschäftsbetriebs. Dabei kann eine Aufgabe auch in einer wesentlichen Änderung eines Betriebs bestehen, wenn dieser vom Verkehr nicht mehr als Fortsetzung des alten Betriebs angesehen wird.

Kein bloßes Ruhen, sondern endgültige Aufgabe

Hier hatte der Kleingewerbetreibende im April 2016 in einem Post auf seiner Facebook-Seite seinen Kunden für sechs Jahre Treue gedankt, eine vorerst letzte Lieferung angekündigt und von einem neuen Jobangebot berichtet. Anschließend wurde die Facebookseite nicht mehr aktiv betrieben und die Einnahmenüberschussrechnung für das Jahr 2016 wies nur noch den Familiennamen sowie als Art des Betriebs „Web Design″ aus. Seit Mitte Mai leitete die Domain „nachtretter.de″ auf die neue Domain „netretter.de″ weiter.

Für das Gericht hatte der Kleingewerbetreibende damit seinen Betrieb „Nachtretter″ endgültig aufgegeben. Anhaltspunkte dafür, dass der ursprüngliche Betrieb erhalten und zu einem späteren Zeitpunkt wiedereröffnet werden sollte, gab es nicht und Derartiges war auch nicht vorgetragen worden. Nach Auffassung des Gerichts konnte diese Situation für den Verkehr nicht als bloß vorübergehende Unterbrechung gedeutet werden. Das alleinige Überbleibsel, die „nachtretter.de″-Domain, war für das Gericht aufgrund der bloßen Weiterleitungsfunktion nicht zu berücksichtigen:

Werden keine nach außen tretenden geschäftlichen Aktivitäten entwickelt, reicht allein die Innehabung einer Internetadresse nicht aus, um den Fortbestand eines Unternehmens und des dazugehörenden Unternehmenskennzeichens nachzuweisen.″

Bestand des Unternehmenskennzeichens muss nachgewiesen werden

Selbst wenn diese Vorgänge als Ruhen zu qualifizieren wären, würde ein Anspruch nach Auffassung des Gerichts ausscheiden. Denn der Kleingewerbetreibende hatte nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass das Unternehmenskennzeichen im Zeitpunkt der Markenanmeldung bestand. Zwar hatte er zwei Lieferungen im ersten Halbjahr 2018 behauptet und einen Facebook-Post mit einer Information über die erneute Erreichbarkeit aus dem November 2018 vorgelegt.

Allerdings sah das Gericht in dem Post eine bloße Ankündigung ohne Hinweise auf eine tatsächlich erfolgte Umsetzung. Die alleinige Behauptung von erneuten Auslieferungen war dem Gericht ebenfalls zu unsubstantiiert. Es hätte der Vorlage von Rechnungen oder einer neuen Einnahmenüberschussrechnung für das Jahr 2018 bedurft. Außerdem war der Kleingewerbetreibende weiterhin mit seinem neuen Unternehmen im Bereich Webdesign tätig. Der Betrieb mehrerer unabhängiger Gewerbe war jedoch nie vorgetragen worden.

Unternehmenskennzeichen müssen gepflegt werden

Im Ergebnis verneinte das Gericht das Bestehen der Unternehmenskennzeichnung zum fraglichen Zeitpunkt. Die Anmeldung der Marke konnte mithin nicht verhindert werden. Der Fall verdeutlicht, dass Unternehmenskennzeichen zwar einen ähnlichen Schutz wie Marken entfalten können, aber deutlich unbeständiger sind. Mit Aufgabe des Betriebs endet auch der Schutz des Unternehmenskennzeichens.

Sofern ein Betrieb nicht vollständig aufgegeben wird, sondern die Wiederaufnahme der Tätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt geplant ist, sollte diese Absicht unbedingt manifestiert werden. Es ist daher darauf zu achten, welche öffentlichen Äußerungen getätigt werden. Sobald der Betrieb wieder aufgenommen wird, ist das unverzüglich durch entsprechende Nachweise wie Rechnungen oder geschäftliche Korrespondenz zu dokumentieren.

Der Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit Manuel Almis erstellt.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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