„Emmentaler“ ist nur die Bezeichnung einer Käsesorte und wird nicht als Hinweis auf eine geografische Herkunft verstanden.
Viele Lebensmittel sind für ihre Zugehörigkeit zu einer besonderen Region bekannt. Beispiele sind Feta aus Griechenland, Kölsch aus Köln, Spreewälder Gurken aus dem brandenburgischen Spreewald oder Grana Padano aus Norditalien. Diese Bezeichnungen sind daher meist auch besonders geschützt, etwa als sogenannte geografische Angaben.
Aber nicht bei jeder Produktbezeichnung denken Verbraucher* sofort an einen bestimmten Herkunftsort. Wie ist das etwa bei „Emmentaler“? Das Original stammt aus dem Emmental in der Schweiz, aber ist das den Verbrauchern tatsächlich bewusst – oder wird „Emmentaler“ eher als bloße Sortenbezeichnung verstanden?
Mit dieser Frage setzte sich das Europäische Gericht (EuG) in seinem Urteil vom 24. Mai 2023 (Rs. T-2/21) auseinander. Anstoß des Rechtsstreits war die Anmeldung des Wortzeichens „EMMENTALER“ als Unionsmarke beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), durch die Emmentaler Switzerland, ein Interessenverband aus der Schweiz. Das EUIPO wies die Anmeldung mit der Begründung zurück, bei dem Wortzeichen handele es sich um eine bloße Beschreibung einer Käsesorte. Nach einer erfolglosen Beschwerde erhob die Markenanmelderin Klage vor dem EuG.
Welches Verständnis hat sich in den Mitgliedstaaten durchgesetzt, wenn es um „Emmentaler“ geht?
Kern der Auseinandersetzung war die Frage, ob das Wortzeichen „Emmentaler“ für die Ware „Käse“ einen rein beschreibenden Charakter hat (Art. 7 Abs. 1 lit. c Unionsmarkenverordnung (UMV)). Das ist der Fall, wenn das Zeichen im Verkehr zur Bezeichnung der Art oder Beschaffenheit dienen kann. Denn dann ist das Zeichen nicht in der Lage, die gekennzeichneten Produkte von vergleichbaren Produkten abzugrenzen.
Für die Beurteilung dieser Frage ist von Bedeutung, dass es bereits ausreicht, wenn das Eintragungshindernis in nur einem EU-Mitgliedstaat besteht. Beurteilungsmaßstab sind dabei stets die Verkehrskreise, an die sich die von der anzumeldenden Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen richten. Da Käse von allen Endverbrauchern gekauft wird, war hier also auf die breite Öffentlichkeit abzustellen. In diesem Sinne hatte das EUIPO die Auffassung vertreten, „Emmentaler“ werde in zahlreichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Bezeichnung einer Hartkäsesorte mit Löchern verstanden. Eine besondere Herkunftsregion spiele für die Verbraucher keine Rolle.
Gängige Definitionen aus Wörterbüchern, Richtlinien und Gesetzen
Unter anderem hatte sich das EUIPO auf die Definition des deutschen Duden bezogen. Demzufolge bezeichnet „Emmentaler“ einen
vollfette[n] Schweizer Käse mit kirschgroßen Löchern und nusskernartigem Geschmack.
Das EuG stimmte dem EUIPO dahingehend zu, dass es sich hierbei um die Beschreibung einer Käsesorte handele. Zwar enthalte die Definition mit dem Begriff „Schweizer Käse“ auch einen Hinweis auf die Herkunft. Der maßgebliche Teil der Definition beschreibe jedoch den Käse an sich, ohne konkrete Aussagen zur geografischen Herkunft zu treffen.
Auch den vom EUIPO herangezogenen „Codex Alimentarius“ hielt das EuG für ein taugliches Indiz. In dieser von den Vereinten Nationen herausgegebenen Sammlung von Normen für die Lebensmittelsicherheit und -produktqualität wird „Emmentaler“ als Käsesorte beschrieben. Diese Beschreibung sei ein für die Beurteilung relevanter Gesichtspunkt, auch wenn der Codex Alimentarius ansonsten keine bindenden Regelungen für das Markenverfahren enthalte.
Schließlich wurde – nach Auffassung des EuG zurecht – auf die deutsche Käseverordnung verwiesen, in der „Emmentaler“ als „Standardsorte“ qualifiziert ist. Alle diese Nachweise seien Indizien dafür, in welcher Weise die Bezeichnung „Emmentaler“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen verstanden werde.
Inflationäre Herstellung von Emmentaler in verschiedenen Mitgliedstaaten
Das zentrale Argument des EUIPO war, dass Käse mit der Bezeichnung „Emmentaler“ in verschiedenen Mitgliedstaaten der EU und nicht nur in der Schweiz hergestellt werde. Unter anderem wurden übereinstimmende Bemerkungen des Deutschen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sowie deutscher Interessenverbände herangezogen, wonach allein in Deutschland im Jahr 2016 rund 135.000 Tonnen Emmentaler hergestellt wurden. Davon wurden 55.000 Tonnen unmittelbar in Deutschland verkauft.
Auch für das EuG handelte es sich dabei um einen wesentlichen Umstand. Denn in der Rechtsprechung ist es anerkannt,
dass die Herstellung und Vermarktung unter einer bestimmten Bezeichnung, ohne dass diese in einer Weise verwendet wird, die auf den Ursprung der Ware hinweist, ein relevantes Indiz bei der Beurteilung der Frage sein kann, ob diese Bezeichnung mittlerweile zu einer Gattungsbezeichnung geworden ist.
Die Markenanmelderin verwies als Gegenargument auf ein altes Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland, wonach in Deutschland hergestellter Käse nur dann als „Emmentaler“ verkauft werden darf, wenn zusätzlich das Herstellungsland angegeben wird (also bspw. „Emmentaler Deutschland“). Nach Auffassung des EuG ist dieses Abkommen für die Beurteilung der Verbraucherwahrnehmung aber nicht von Bedeutung. Maßgeblich sei allein, wie die angesprochenen Verkehrskreise dem Zeichen begegnen. Verbraucher würden in aller Regel nicht darüber nachdenken, ob das Inverkehrbringen des Käses möglicherweise ein Abkommen verletze.
Jedenfalls deutsche Verbraucher verstehen unter „Emmentaler“ eine Käsesorte
Ebenfalls ein Indiz für den beschreibenden Charakter des Zeichens „Emmentaler“ sind Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz aus dem Jahr 2009. Damals wurde über eine Liste mit geografischen Angaben verhandelt, die auch mehrere Käsenamen mit Schweizer Herkunft umfasste. Unter anderem sollte auch „Emmentaler“ in diese Liste aufgenommen werden. Die EU vertrat jedoch den Standpunkt, dass es sich bei „Emmentaler“ um einen bloßen Gattungsbegriff handele, dessen Verwendung den EU-Mitgliedstaaten offenstehen solle. Die Schweiz und die EU beschlossen schließlich, „Emmentaler“ nicht in diese Liste aufzunehmen.
Die genannten Indizien sprachen laut EuG in Gesamtheit dafür, dass es sich bei „Emmentaler“ tatsächlich um ein Zeichen mit rein beschreibendem Charakter handele. Insbesondere für die deutschen Verkehrskreise habe das EUIPO zutreffend festgestellt, dass „Emmentaler“ als Bezeichnung für eine Käsesorte verstanden werde. Die Zurückweisung der Markenanmeldung erfolgte damit zurecht.
Keine Anmeldung einer Kollektivmarke möglich
Die Markenanmelderin versuchte es jedoch noch mit einem zweiten Argument. So ermöglicht Art. 74 Abs. 2 UMV Markenschutz bei Vorliegen des Eintragungshindernisses aus Art. 7 Abs. 1 lit. c UMV dann, sofern die Anmeldung als Kollektivmarke erfolgt. Kollektiv- bzw. Gewährleistungsmarken unterscheiden sich von anderen Markenformen dadurch, dass sie über eine Markensatzung verfügen müssen. In der Satzung sind die Bedingungen geregelt, unter denen die Marke von den Verbandsmitgliedern genutzt werden kann. Typische Beispiele für Kollektivmarken sind daher Gütesiegel wie der „Grüne Knopf“ in der Textilbranche.
„Emmentaler“ bleibt die Eintragung als Kollektivmarke jedoch verwehrt. Das EuG gestand zwar zu, dass Art. 74 Abs. 2 UMV eine Erleichterung für beschreibende Zeichen enthält. Die Norm gilt aber ausdrücklich nur für solche Zeichen,
die im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der Waren oder der Dienstleistungen dienen können.
Die zuvor gesammelten Indizien hätten jedoch deutlich gezeigt, dass „Emmentaler“ im Verkehr gerade nicht als Bezeichnung einer geografischen Herkunft dienen kann, sondern lediglich als Bezeichnung einer Käsesorte verstanden wird.
Der Emmentaler bleibt nicht schutzlos
Im Ergebnis bleibt es also dabei, dass „Emmentaler“ weder als geografische Angabe noch als Marke geschützt werden kann. Zwar kann die Markenanmelderin das Urteil des EuG noch beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anfechten. Erfolgversprechend scheint das aufgrund der klaren Entscheidung jedoch nicht.
Davon abgesehen ist der Emmentaler als Schweizer Käse auch nicht völlig schutzlos. So gibt es einige Emmentaler-Marken, wenn auch nicht für den gesamten europäischen Markt und nur in Verbindung mit anderen Wortbestandteilen. Für einen gesamteuropäischen Schutz des Emmentaler-Begriffs dürfte es zu spät sein, zumal Emmentaler bereits außerhalb der Schweiz hergestellt wurde, als es noch überhaupt kein Markenrecht gab. Immerhin sind der Allgäuer Emmentaler und die französischen Käse „Emmental de Savoi“ und „Emmental français est-central“ mit einer geografischen Angabe geschützt. Ob die Schweizer in Zukunft mit einer ähnlichen Wortkombination nachziehen, bliebt abzuwarten.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.