Rundfunkanstalten behalten ihre Marke „tagesschau“ dank rechtserhaltender Benutzung für die „Bereitstellung von Nachrichtensendungen und ‑beiträgen“.
Die tagesschau läuft seit 1952 abends in deutschen Wohnzimmern im Fernsehen und mittlerweile auch über das Internet auf dem Smartphone, Tablet oder PC. Sie ist als Nachrichtensendung in Deutschland nicht mehr wegzudenken.
Zum Schutz des Zeichens „tagesschau“ wurde dieses bereits 1981 in Deutschland als Marke geschützt. Diverse weitere Markenanmeldungen folgten; u.a. wurde 2012 das Zeichen „tagesschau“ als Unionsmarke (mit Schutz in den Ländern der Europäischen Union) im Namen von mehreren deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für diverse Waren und Dienstleistungen, u.a. auch „Erziehung; Ausbildung; sportliche und kulturelle Aktivitäten“ registriert.
Ausgangspunkt des Löschungsverfahrens gegen die Marke „tagesschau“
Die bonnanwalt Vermögens- und Beteiligungsgesellschaft mbH hat 2017 beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) beantragt, die Unionsmarke „tagesschau“ wegen Verfalls für alle Waren und Dienstleistungen zu löschen.
Hintergrund des Antrags ist Folgender: Eine eingetragene Marke genießt zunächst eine sogenannte Benutzungsschonfrist von 5 Jahren. In dieser Zeit muss der Markeninhaber die Benutzung seiner Marke nicht nachweisen und kann die Marke auf dem Markt etablieren. Nach Ablauf der 5 Jahre können Dritte dann aber die Löschung der Marke wegen Verfalls (Nichtbenutzung) beantragen, was eben die bonnanwalt Vermögens- und Beteiligungsgesellschaft mbH gemacht hat.
In der Folge mussten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die rechtserhaltende Benutzung der Marke nachweisen, konkret bedeutet dies
- die markenmäßige Benutzung des Zeichens „tagesschau“
- durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
- für die Waren und Dienstleistungen, für die die Marke registriert ist
- in der Europäischen Union
- innerhalb der letzten 5 Jahre vor Antragstellung
- in ernsthafter Weise
Auch wenn die „tagesschau“ ganz offensichtlich jeden Tag im Fernsehen läuft, ist der Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung in rechtlicher Hinsicht nicht ganz so einfach.
Vorliegend waren insbesondere die in der Auflistung drei fett hervorgehobenen Punkte problematisch (siehe weiter unten).
EUIPO löscht Marke „tagesschau“ weitestgehend
In erster Instanz hat das EUIPO die Marke „tagesschau“ für alle Waren und Dienstleistungen bis auf die „Produktion und Bereitstellung von Nachrichtensendungen und -beiträgen“ für verfallen erklärt (EUIPO, Entscheidung v. 15.05.2019 – 17 581 C). Auf Beschwerde der bonnanwalt Vermögens- und Beteiligungsgesellschaft mbH erklärte die Beschwerdekammer des EUIPO die Marke „tagesschau“ auch noch für die „Produktion von Nachrichtensendungen und -beiträgen“ für verfallen, sodass nur noch die „Bereitstellung von Nachrichtensendungen und -beiträgen“ bestehen blieb (EUIPO, Entscheidung v. 12.12.2019 – R 1487/2019-2).
Gericht der Europäischen Union (EuG) weist Klage zurück und hält Marke „tagesschau“ für „Bereitstellung von Nachrichtensendungen und -beiträgen“ aufrecht
Gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer des EUIPO hat die bonnanwalt Vermögens- und Beteiligungsgesellschaft mbH Klage zum EuG erhoben.
Sie begründete ihre Klage insbesondere damit, dass keine ernsthafte Benutzung der Marke vorliege, da die Rundfunkanstalten die Marke nicht benutzt hätten, um Absatzmärkte zu erschließen und zu sichern, da deren Tätigkeit „öffentlich-rechtlicher Natur“ sei. Ferner stelle nach ihrer Ansicht die Einblendung eines Zeichens im Fernsehbild keine markenmäßige Benutzung dar. Außerdem falle die „Bereitstellung von Nachrichtensendungen und -beiträgen“ nicht unter die geschützten Dienstleistungen „Erziehung; Ausbildung; sportliche und kulturelle Aktivitäten“.
Das EuG hat die Klage zurückgewiesen (EuG, Urteil v. 30. April 2025 – T-83/20 RENV).
Für die Ernsthaftigkeit der Benutzung sei es nach der Entscheidung des EuG nicht entscheidend, ob es sich beim Benutzer der Marke um eine Person des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts handele. Bei der Auslegung der ernsthaften Benutzung einer Marke stehe nicht der kommerzielle Erfolg im Vordergrund. Dies gelte auch für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, die trotz ihrer gesetzlichen Grundversorgungsaufgabe im Wettbewerb mit privatrechtlichen Rundfunkanstalten stehen könnten. Auch sie müssten ein breites Publikum mit attraktiven Angeboten erreichen, um damit Marktanteile zu gewinnen. Selbst bei kostenlosen oder öffentlich finanzierten Angeboten seien Einschaltquoten und Marktanteile entscheidend für die Fortsetzung der Ausstrahlung.
Ferner könne die Einblendung eines Zeichens im Fernsehbild während täglicher Nachrichtensendungen, wie etwa der „tagesschau“ um 20 Uhr, als markenmäßige Benutzung gelten. Dabei gehe es nicht nur um die Titelangabe, sondern auch um den Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Sendung.
Nach allgemeiner Wortbedeutung könnten „Nachrichtensendungen und -beiträge“ durchaus unter die registrierten Dienstleistungen „Erziehung; Ausbildung; kulturelle Aktivitäten“ fallen, sofern sie dazu beitragen, die geistigen Fähigkeiten der breiten Öffentlichkeit zu fördern und weiterzuentwickeln.
Öffentlich-rechtliche Anstalten können Marken anmelden und auch durch rechtserhaltende Benutzung aufrechterhalten
Die Entscheidung stärkt die Markenrechte von öffentlich-rechtlichen Anstalten, die nicht gewinnorientiert arbeiten.
Es ist nachvollziehbar und folgerichtig, dass keine generelle Differenzierung zu den Markenrechten von privatrechtlichen Unternehmen erfolgt. Zunächst einmal bestimmt bereits das Gesetz, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts Inhaber von Marken sein können (Art. 5 Unionsmarkenverordnung). Wenn es bei der rechtserhaltenden Benutzung auf den kommerziellen Erfolg ankäme, dürfte sich eine rechtserhaltende Benutzung einer Marke durch Körperschaften des öffentlichen Rechts generell als schwierig gestalten. Die Konsequenz wäre, dass Marken von Körperschaften des öffentlichen Rechts nach 5 Jahren löschungsreif würden. Dies kann kaum bezweckt sein. Wenn eben Körperschaften des öffentlichen Rechts Marken registrieren können, dann muss es ihnen auch möglich sein, die Marken langfristig aufrechtzuerhalten.
Darüber hinaus werden so auch Vorteile von privatrechtlichen Unternehmen gegenüber öffentlich-rechtlichen Unternehmen vermieden. So könnten Marken von öffentlich-rechtlichen Anstalten nach 5 Jahren mit der Folge gelöscht werden, dass diese dann wieder der Allgemeinheit zur Verfügung stünden. Ein privatrechtliches Unternehmen könnte sich dann beispielsweise die Markenrechte sichern und der öffentlich-rechtlichen Anstalt unter Umständen sogar die Benutzung des Zeichens untersagen, sofern sich die öffentlich-rechtliche Anstalt nicht mit anderen Rechten an dem Zeichen verteidigen kann.
Empfehlungen im Hinblick auf die Erstellung des Verzeichnisses von Marken
Allerdings zeigt das Verfahren auch, dass der Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung keineswegs von Unternehmen, seien sie privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur, unterschätzt werden darf (siehe hierzu auch bereits den Blogbeitrag Rechtserhaltende Benutzung – Bald kein Big Mac mehr?).
Bereits bei der Anmeldung von Marken ist es wichtig, das Verzeichnis auf die künftige Benutzung abzustimmen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten konnten den kompletten Verlust der Marke vermeiden, da das EUIPO, dem sich das EuG anschloss, das Angebot der „tagesschau“ in Form von „Bereitstellung von Nachrichtensendungen und -beiträgen“ unter „Erziehung; Ausbildung; kulturelle Aktivitäten“ subsumierte.
Es ist zu empfehlen, das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen möglichst weit mit Oberbegriffen zu formulieren, um auch Erweiterungen / Änderungen des Tätigkeitsbereichs zu erfassen und um einen möglichst weiten Schutzumfang zu haben. Allerdings sollte man auch spezifische Waren / Dienstleistungen aufnehmen, sofern vielleicht einmal nicht ganz klar ist, ob diese auch unter den Oberbegriff fallen. Sicherlich wird man sich nicht darüber streiten, dass Jeans unter Bekleidung fallen, aber augenscheinlich doch, ob die „Bereitstellung von Nachrichtensendungen und -beiträgen“ unter „Erziehung; Ausbildung; kulturelle Aktivitäten“ fällt.