12. März 2020
Umpackung Arzneimittel
Markenrecht

Umpackung: Anti-Tampering Device beim Parallelimport von Arzneimitteln

Die Fälschungsrichtlinie begründet für Parallelimporteure, die Arzneimittelpackungen vor dem Vertrieb öffnen müssen, nicht das Erfordernis des Umpackens.

Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens hat das OLG Köln entschieden, dass ein Parallelimporteur Markenrechte verletzt, wenn er ein Arzneimittel, dessen Verpackung aufgrund der Anforderungen der EU-Fälschungsrichtlinie (RL 2011/62/EU) mit einer Sicherheitsfolie versehen ist, die ein Öffnen erkennbar macht (Vorrichtung gegen Manipulation, sog. Anti-Tampering Device) in eigene Packungen mit einer neuen Sicherheitsfolie umpackt (Urteil vom 11. Oktober 2019 – 6 U 142/19).

Hersteller wendet sich gegen vom Parallelimporteur geplantes Umpacken

Die Antragstellerin vertreibt ein von ihr entwickeltes und produziertes Krebsmedikament aufgrund der Vorgaben der Fälschungsrichtlinie in einer Verpackung mit einer durchsichtigen Sicherheitsfolie, die ein Öffnen der Verpackung erkennbar macht. Sie hält die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem mittels Wortmarken geschützten Produktnamen des Krebsmedikamentes.

Die Antragsgegnerin, eine Parallel- und Reimporteurin, bezog das Krebsmedikament der Antragstellerin in Österreich mit dem Ziel, es in Deutschland in Verkehr zu bringen. Vor dem Vertrieb in Deutschland musste sie die Originalverpackungen öffnen, um einen deutschsprachigen Beipackzettel beizufügen. Sie teilte der Antragstellerin mit, dass sie beabsichtige, das Medikament in eigenen, mit neuem Anti-Tampering Device versehenen Faltschachteln in Deutschland in Verkehr zu bringen. Das geplante Umpacken begründete sie mit den Anforderungen der Fälschungsrichtlinie.

Die Antragstellerin beanstandete das angekündigte Umpacken durch die Antragsgegnerin mit der Begründung, dass auch bei Weiterverwendung der Originalverpackungen die Vorgaben der Fälschungsrichtlinie eingehalten werden können. Die Antragsgegnerin hielt dennoch an ihrem Vorhaben fest.
Das OLG Köln bestätigte das LG Köln dahingehend, dass das von der Antragsgegnerin beabsichtigte Umpacken die Rechte der Antragstellerin an dem Markennamen des Krebsmedikamentes verletzt.

Keine Erschöpfung wegen nicht erforderlichem Umpacken von Arzneimitteln

Der Anspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin auf Unterlassung des Inverkehrbringens des Arzneimittels in umverpackter Form folgt aus Art. 9 Abs. 2, 130, 131 Unionsmarkenverordnung (UMV). Im Hinblick auf die beabsichtigte Nutzung identischer Marken für eine identische Ware kann sich die Antragsgegnerin nicht auf Erschöpfung der Markenrechte gemäß Art. 15 Abs. 1 UMV berufen. Denn gemäß der Argumentation der Gerichte muss das Arzneimittel nicht umverpackt werden. Vielmehr sei es möglich, in Deutschland vertriebsfähige Packungen durch Umetikettierung zu schaffen.

Art. 15 UMV dient dem Zweck, die grundlegenden Belange des Markenschutzes mit denen des europäischen Binnenmarktes in Einklang zu bringen. Vor dem Hintergrund gewährt eine Unionsmarke ihrem Inhaber nicht das Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind (Art. 15 Abs. 1 UMV). Allerdings findet dieser Grundsatz keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist (Art. 15 Abs. 2 UMV).

In Bezug auf den Vertrieb parallelimportierter Arzneimittel in Umverpackungen fehlt es dem Markeninhaber gemäß der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Juli 2011 – C-400/09, Rz. 27 – Orifarm/Merk m.w.N.) an einem berechtigten Grund, wenn

  • die Geltendmachung der Rechte aus der Marke erwiesenermaßen zu einer künstlichen Marktabschottung führen würde,
  • das Umpacken den Originalzustand des Arzneimittels nicht beeinträchtigt,
  • auf der neuen Verpackung klar angegeben ist, von wem das Arzneimittel umgepackt worden und wer der Hersteller ist,
  • die neue Aufmachung des Arzneimittels dem Ruf der Marke nicht schaden kann und
  • der Parallelimporteur den Markeninhaber vorab vom Vertrieb des umgepackten Arzneimittels unterrichtet und ihm auf Verlangen ein Muster übersandt hat.

Allerdings kann sich der Markeninhaber dem Umpacken widersetzen, wenn es dem Importeur möglich ist, eine im Einfuhrstaat vertriebsfähige Packung zu schaffen, beispielsweise durch das Anbringen von Etiketten in der Sprache des Einfuhrstaates (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 1996 – C-427/93 Rz. 55 – Bristol-Myers, Bristols-Myers Squibb).

Genau diese Möglichkeit des Schaffens vertriebsfähiger Packungen durch Umetikettieren hat das OLG Köln als im konkreten Fall gegeben angenommen. Die Antragstellerin konnte sich dem Umpacken durch die Antragsgegnerin daher aus berechtigten Gründen widersetzen.

Fälschungsrichtlinie gebietet kein Umpacken von Arzneimitteln

Das LG Köln hat ausgeführt, dass die Fälschungsrichtlinie nichts an der Möglichkeit der Antragsgegnerin ändere, durch Umetikettieren in Deutschland vertriebsfähige Packungen zu schaffen.

Hierauf hat das OLG Köln vollumfänglich Bezug genommen und zudem herausgearbeitet, dass der Richtliniengeber in Erwägungsgrund 12 selbst davon ausgeht, dass ein Parallelimporteur ein Sicherheitsmerkmal ersetzen darf. Gemäß Erwägungsgrund 12 der Fälschungsrichtlinie sollte,

damit die Sicherheitsmerkmale tatsächlich wirksam sind, (…) den Inhabern einer Herstellungserlaubnis, die das Arzneimittel nicht selbst herstellen, nur unter strengen Bedingungen gestattet sein, diese Merkmale zu entfernen, auszutauschen oder zu überdecken. Insbesondere sollten die Sicherheitsmerkmale im Falle des Umpackens durch gleichwertige Sicherheitsmerkmale ersetzt werden.

In seiner weiteren Begründung betont das OLG Köln die Bedeutung der Transparenz beim Ersetzen der Sicherheitsmerkmale durch den Parallelimporteur. Mit der verpflichtenden Angabe des Umverpackers auf einem umverpackten Arzneimittel gehe einher, dass erkennbar ist, wer für den Inhalt der geöffneten und wieder verschlossenen Verpackung verantwortlich ist. Solange dies sichergestellt sei und ein neues Sicherheitsmerkmal ordnungsgemäß angebracht werde, seien sichtbare Öffnungsspuren unschädlich. Denn die erzielte Transparenz im Hinblick auf den Umverpacker trage dem hohen Schutzniveau, dass die Fälschungsrichtlinie gewährleisten soll, Rechnung.

Entscheidung des OLG stärkt Markeninhabern den Rücken

Das OLG Köln hat mit seinem Urteil, das durch Verkündung in Rechtskraft erwachsen ist, Arzneimittelherstellern, die sich oftmals an dem Umpacken durch Parallelimporteure stören, den Rücken gestärkt und mit überzeugender Begründung Parallelimporteure auf das mildere Mittel des Umetikettierens verwiesen, selbst wenn wegen erforderlichen Öffnens der Originalverpackung das verpflichtende Anti-Tampering Device sichtbar beschädigt und anschließend ersetzt werden muss.

Tags: Arzneimittel Fälschungsrichtlinie Import Umpackung